Gerhard Friedl

Eisbergmanagement (E-Book)


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ernstgenommen und integriert. Eine Folge davon sind weniger Störungen im Unterricht (Rakoczy, 2007).

      Wahrnehmung der Lehrperson durch die Lernenden

      Es besteht darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen Lernerfolg und wie die Lernenden die Lehrperson wahrnehmen. Teilnehmende beziehungsweise Lernende lernen besser bei einer Lehrperson, die sich durch Regelklarheit und mit einer flexiblen Anpassung an die jeweilige Situation auszeichnet (Neuenschwander, 2006). Im Gegensatz dazu empfinden Lernende Lehrpersonen, die rigoros und autoritär sind, nicht als förderlich für das eigene Lernen. Neuenschwander untersuchte weiter, was Teilnehmende als souveräne Leitung wahrnehmen: Neben der bereits erwähnten Regelklarheit und flexiblen Anpassung sind auch eine hohe Erklärungs- und Kommunikationskompetenz wichtig.

      Relevante Lernziele

      Lernziele müssen von den Lernenden als relevant empfunden werden. Hinsichtlich dieser Lernziele braucht es einen strukturierten Unterricht, der klare Arbeitsanweisungen enthält und von den Teilnehmenden als interessant wahrgenommen wird. Darüber hinaus muss die Lehrperson über eine hohe Fachkompetenz verfügen. Damit der Aspekt der relevanten Ziele wirklich umgesetzt werden kann, müssen die Lernenden und Teilnehmenden in den Unterricht miteinbezogen werden. Die Lehrpersonen sollte mit den Teilnehmenden oder Lernenden einen Aushandlungsprozess und einen Dialog anstoßen, in dem neben den vorgegebenen Zielen auch eine individuelle Vertiefung oder Schwerpunktsetzung ausgehandelt werden kann (Helmke/Weinert, 1997).

      Offen leiten mit Beziehung

      Seidel, Rimmele und Prenzel (2003) zeigen auf, dass das Verhalten von Lernenden von der Qualität der Beziehung zwischen Lernenden und Lehrperson abhängt. Es konnte nachgewiesen werden, dass, wenn eine Lehrperson die Interaktionen und die Kommunikation stark dominiert, für Lernende und Teilnehmende keine Freiräume für eigenständiges Denken entstehen und keine Internalisierung von Lernzielen stattfindet. Das heißt, eine intrinsische Motivation wird unterbunden. So fühlen sich Lernende in eng geführten Interaktionen in ihrer Autonomie und in ihrer Kompetenz nicht unterstützt. Die Folge ist Demotivation, die Lernenden beschäftigen sich mit anderem als dem Unterricht (Tagträumen, mit dem Handy spielen, Seitengespräche). Mit der Zeit schwindet das Interesse am Thema oder Fach fast gänzlich (Seidel/Rimmele/Prenzel, 2003).

      Wertschätzung

      Rakoczy (2007) weist nach, dass die Wahrnehmung der eigenen Autonomie im Unterricht sehr eng mit einer wertschätzenden Beziehung der Lehrperson zu den Teilnehmenden Lernenden zusammenhängt.

      Für die intrinsische Motivation ist Wahrnehmung von Autonomie, Kompetenz und sozialer Bindung von großer Bedeutung.

      Lernerfolge unterscheiden sich nicht von Schule zu Schule, sondern von Klasse zu Klasse innerhalb derselben Schule. Nach Hattie gelingt Unterricht dann, wenn er auf der Basis von Respekt, Wertschätzung, Fürsorge und Vertrauen stattfindet (Hattie, 2014).

      Entwicklung einer Lernkultur mithilfe der Gruppendynamik

      Auf der Basis dieser Erkenntnisse lässt sich ein «innerer Kompass» für die Lehrperson formulieren. Zusammenfassend sind folgende Aspekte für einen gelungenen Unterricht wichtig:

       Relevanz der Didaktik (Lernziele, Methoden, Folgerichtigkeit des Aufbaus usw.)

       Förderung von Lernstrategien

       Der Sinn des Lerninhalts ist erkennbar.

       Positive Interaktionen zwischen allen Beteiligten

       Lernende nehmen aufeinander Bezug und gehen aufeinander ein. Sie zollen sich gegenseitig Anerkennung.

       Damit für vorgegebene Lernziele intrinsische Motivation aufgebaut werden kann, sind Austausch und Kommunikation nötig.

       Die Einbindung in die Lerngruppe beziehungsweise Klasse ist wichtig. Sie deckt das menschliche Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit ab.

       Der Unterricht ist störungsarm.

       Die Regeln werden in einem wechselseitigen Dialog festgelegt.

       Leitungsstil der Lehrperson: klare Regeln festlegen und einhalten, präsent sein, flexibel reagieren können, Lehrpersonen können gut erklären

       Wenn die Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden von den Teilnehmenden als wertschätzend wahrgenommen wird, erleben sie ihre Autonomie stärker.

       Die Lehrperson schafft ein wertschätzendes Sozialklima, die Autonomie der Lernenden wird unterstützt, die Lernenden erleben ihre Kompetenz.

       Die Interaktion und Kommunikation werden von der Lehrperson nicht dominiert.

       In Diskussionen kommen unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck.

       Lernerfolge beruhen auf Respekt, Wertschätzung, Fürsorge und Vertrauen.

       Gegenseitige Unterstützung unter den Lernenden

      Reflexion

      Wie können Lehrpersonen Gruppendynamik nutzen,

       damit sich Wertschätzung entwickeln kann?

       damit sich die Lernenden gegenseitig unterstützen?

       damit in Diskussionen unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck kommen?

       damit sich alle Teilnehmenden der Gruppe zugehörig fühlen?

       damit sehr gute Leistungen erbracht werden können und eigene Kompetenz erfahren werden kann?

      Sonderfall: Lerngruppen und Klassen sind nicht automatisch Gruppen

      Abstract

      Aus der einschlägigen Literatur zu Gruppendynamik in Schulklassen und der Sozialpsychologie der Schule geht hervor, dass Lerngruppen und Klassen keine Gruppen sind, wie wir sie bisher definiert haben. Es fehlt ein gemeinsames Ziel. Die Teilnehmenden haben ihre individuellen Ziele, die sie erreichen wollen. Um die positiven Effekte der Gruppendynamik für das Lernklima nutzbar zu machen, muss die Lehrperson ein gemeinsames Ziel formulieren. Naheliegend ist das Ziel, gemeinsam eine positive Lernkultur zu schaffen.

      Der Literatur im Bereich Gruppendynamik und Lerngruppe oder Klasse beziehungsweise Sozialpsychologie der Schule zufolge gelten Klassen und Lerngruppen nicht als klassische Gruppen. Wie aus der hier eingeführten Definition von «Gruppe» entnommen werden kann, gehört ein gemeinsames Gruppenziel dazu. Lerngruppen und Schulklassen haben nun aber in aller Regel kein gemeinsames Gruppenziel. Ulich schreibt: «Vermutlich genügt die Lerngruppe einigen Definitionsmerkmalen der Gruppe, anderen aber nicht» (1974, S. 34). Stanford (2017) hat sich für eine Definition der Lerngruppe entschieden, in der der Aspekt des Ziels vollständig fehlt. Dollase (2014) bezeichnet die Lerngruppe als Pseudogruppe. Steins (2014) referiert auf verschiedene Merkmale von Gruppe und kommt zum Schluss, dass Schulklassen kein gemeinsames Ziel haben.

      Die Lerngruppe ist eine Art von Gruppe, die es ausschließlich in Kursen, Bildungsinstitution und Schulen gibt. In der Arbeitswelt gibt es diese Art von Gruppe kaum. Dollase (2012, 2014) zufolge haben diese Gruppen allenfalls ein gemeinsames Schicksal, aber kein gemeinsames Ziel. Damit aber eine Lerngruppe eine Gruppe wird, wie sie in der Literatur der allgemeinen Gruppendynamik definiert und diskutiert wird, ist eine besondere Maßnahme seitens der Lehrperson nötig. Darum wird es im Weiteren gehen.

      In jeder Lerngruppe und Klasse gibt es so viele Ziele, wie es Lernende gibt. Sie wollen ein Lernziel erreichen, sei es ein explizit ausgesprochenes, das für alle gilt, oder ein individuelles. Sie möchten zum Beispiel das Qualifikationsverfahren bestehen, einen Masterabschluss erlangen oder den Fachausweis Ausbilder/-in. Dieses Ziel erreichen sie allein, denn die Prüfung müssen sie allein bestehen: Sie reichen ihre Unterlagen allein bei den Behörden ein, um den Fachausweis zu erhalten. Die Kompetenznachweise