Barbara Zumsteg

Didaktisch handeln und denken (E-Book)


Скачать книгу

alt="Image - img_03000012.png"/>

      Abbildung 4: Die Wissenstreppe (nach North 2011, S. 36)

      Der Lehrplan 21

      Der neue Lehrplan 21 (D-EDK 2016) für die deutsch- und mehrsprachigen Kantone der Schweiz ist auf Kompetenzen ausgerichtet. Im Gegensatz zu früheren Lehrplänen sind darin nicht Inhalte und Ziele des Unterrichts festgehalten, sondern Kompetenzen beschrieben, die Schülerinnen und Schüler im Laufe der obligatorischen Schulzeit aufbauen sollen. Der Lehrplan 21 umfasst Kompetenzen zu den sechs Fachbereichen «Sprachen»; «Mathematik»; «Natur, Mensch, Gesellschaft»; «Gestalten»; «Musik»; «Bewegung und Sport» und zu den zwei Modulen «Medien und Informatik» sowie «Berufliche Orientierung». Diese Fach- und Modullehrpläne schließen auch überfachliche – das heißt personale, soziale und methodische – Kompetenzen ein. Außerdem enthält der Lehrplan Leitideen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Image - img_03000013.png

      Abbildung 5: Die Fachbereiche im Lehrplan 21 (D-EDK 2016, S. 8)

      Kompetenzbereiche, Kompetenzen und Kompetenzstufen

      Die Fach- und Modullehrpläne des Lehrplans 21 sind in Kompetenzbereiche unterteilt. Zu jedem Kompetenzbereich sind Kompetenzen aufgeführt, die beschreiben, was Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit wissen und können sollten. Die Kompetenzen wiederum sind in Kompetenzstufen unterteilt. Diese bilden den zu erwartenden Aufbau an Wissen und Können ab. Es sind die Vor- und Zwischenstufen auf dem Weg zu einer umfassenden Kompetenz. Für jeden der drei Zyklen der Volksschule (Kindergarten bis Ende 2. Klasse, 3. bis 6. Klasse, 7. bis 9. Klasse) werden zudem Grundansprüche ausgewiesen, die alle Schülerinnen und Schüler erreichen sollen. Die Ausrichtung auf Kompetenzen hat Konsequenzen für das didaktische Denken und Handeln von Lehrpersonen: Im Vordergrund steht, was Lernende nach einer Unterrichtseinheit wissen und können sollen, und nicht die Inhalte, die im Unterricht behandelt werden.

      Schülerinnen und Schüler sollen beispielsweise im Fach Deutsch folgende Kompetenz aufbauen (vgl. D-EDK 2016):

      •«Die Schülerinnen und Schüler können sich aktiv an einem Dialog beteiligen» (Lehrplan 21: Sprachen > Deutsch > Sprechen > Dialogisches Sprechen; D.3.C.1).

      Für die drei Zyklen der obligatorischen Schulzeit werden dazu Kompetenzstufen aufgeführt:

      •«Die Schülerinnen und Schüler können ihren Gesprächsbeitrag in einem Gespräch passend einbringen (z. B. auf andere eingehend, nicht verletzend)» (1. Zyklus; D.3.C.1c).

      •«Die Schülerinnen und Schüler können ihre Gedanken im Gespräch einbringen, im Austausch verdeutlichen und ihre Meinung mit einem Argument unterstützen» (2. Zyklus; D.3.C.1e).

      •«Die Schülerinnen und Schüler können in Mundart und Standardsprache Gesprächsbeiträge und Argumente aufgreifen und ihre eigenen Argumente darauf beziehen» (3. Zyklus; D.3.C.1h).

      Kompetenzaufbau über drei Zyklen

      Diese drei Kompetenzstufen verdeutlichen den Aufbau des dialogischen Sprechens im Laufe der Schulzeit. Sie sind im Lehrplan 21 zugleich als Grundansprüche ausgewiesen und beschreiben somit Fähigkeiten, die von allen Schülerinnen und Schülern in der Unter-, Mittel- beziehungsweise Oberstufe erreicht werden sollen. Von Kindern wird gegen Ende der 2. Klasse also erwartet, dass sie eigene Beiträge passend in Gespräche einbringen. Gegen Ende der 6. Klasse soll es ihnen zudem gelingen, ihre eigene Meinung mit einem Argument zu stützen. Schülerinnen und Schüler am Ende der 9. Klasse sollen schließlich fähig sein, Argumente von anderen aufzugreifen und mit eigenen Argumenten darauf zu reagieren.

      Passende Unterrichtssituationen

      Die Aufgabe der Lehrpersonen ist es, Unterrichtssituationen zu schaffen, in denen Lernende Gelegenheit haben, mit anderen zu kommunizieren und ihr Gesprächsverhalten zu entwickeln. Animiert beispielsweise eine Kindergartenlehrperson eine Gruppe von Kindern, über einen Konflikt zu sprechen, trägt sie ebenso zum Aufbau dialogischen Sprechens bei wie eine Sekundarlehrperson, die mit der Klasse eine politische Diskussionssendung verfolgt und mit ihnen analysiert, wie die Beteiligten argumentieren und aufeinander eingehen. Schülerinnen und Schüler, die immer wieder die Möglichkeit haben, an ihrem Gesprächsverhalten zu arbeiten, haben die Chance, die im Lehrplan festgelegten Kompetenzen zu erreichen.

      Querverweise im Lehrplan 21

      Die Förderung von Fachkompetenzen bezieht häufig auch überfachliche und fächerübergreifende Kompetenzen ein: Kinder, die Konflikte gemeinsam lösen, vertreten ihren eigenen Standpunkt, «auch wenn dieser im Gegensatz zu vorherrschenden Meinungen/Erwartungen steht» (Lehrplan 21: Grundlagen > Überfachliche Kompetenzen / Personale Kompetenzen; D-EDK 2016, S. 32). Sie müssen jedoch auch «aufmerksam zuhören und Meinungen und Standpunkte von andern wahrnehmen und einbeziehen» (Soziale Kompetenzen, ebd., S. 33). Dabei üben sie, «Sachverhalte sprachlich aus[zu]drücken und sich dabei anderen verständlich [zu] machen» (Methodische Kompetenzen, ebd., S. 34). Die Klasse, die eine politische Diskussion verfolgt, beobachtet nicht bloß Gesprächsverhalten, sondern erlebt auch politische Prozesse und Grundelemente der Demokratie (Lehrplan 21: Grundlagen > Bildung für Nachhaltige Entwicklung, ebd., S. 35). Der Lehrplan enthält zahlreiche Querverweise, die solche Verbindungen zwischen Kompetenzen der verschiedenen Lehrplanteile aufzeigen.

      Bereit sein, Kompetenzen anzuwenden

      Dass die soziale Situation und die eigene Gefühlslage mitbestimmen, wie kompetent wir handeln, lässt sich ebenfalls an einem der Beispiele veranschaulichen: So ist es denkbar, dass ein Kind schon mehrmals in der Lage war, einen Konflikt im Gespräch zu lösen, dies in einer bestimmten Situation aber gar nicht will. Es bringt zwar nach einem Streit in der Pause den eigenen Standpunkt ein, ist aber weder motiviert noch willig, den anderen Kindern zuzuhören. Schülerinnen und Schüler zeigen nicht in jeder Situation, was sie wissen und können. Das müssen Lehrpersonen in Testsituationen bedenken. Schülerinnen und Schüler können zu müde sein, zu unkonzentriert, zu aufgeregt oder ganz einfach nicht motiviert genug, um ihr Leistungspotenzial zu zeigen.

      Von Kompetenzen zu Lernzielen

      Kompetenzen und Kompetenzstufen als Orientierungsrahmen

      Die Kompetenzen und Kompetenzstufen des Lehrplans 21 bilden den Orientierungsrahmen für den Unterricht an Schweizer Volksschulen. So ist für den Fachbereich Natur, Mensch, Gesellschaft beispielsweise vorgesehen, dass Schülerinnen und Schüler im 1. oder 2. Zyklus folgende Kompetenzstufe erreichen:

      •«Die Schülerinnen und Schüler können eigene Interessen für Berufe beschreiben und sich über Traumberufe sowie Rollenbilder austauschen» (Lehrplan 21: Natur, Mensch, Gesellschaft > 1./2. Zyklus; NMG.6.2c).

      Lernziele

      Im Hinblick auf konkrete Unterrichtvorhaben – seien es einzelne Lektionen, Lektionsreihen oder Lernangebote – müssen Lehrpersonen diese Formulierungen aus dem Lehrplan präzisieren. Sie setzen Lernziele, die auf den geplanten Kompetenzaufbau ausgerichtet sind und ihn kleinschrittig beschreiben. Plant eine Lehrperson, dass die Schülerinnen und Schüler über ihre Traumberufe sprechen und sich bei Berufsleuten oder im Internet genauer über diese Berufe informieren, wären folgende Lernziele passend:

      •Die Schülerinnen und Schüler können in eigenen Worten beschreiben, was sie an ihrem Traumberuf reizt.

      •Die Schülerinnen und Schüler wissen, welche Ausbildungswege zu ihrem Traumberuf führen und was der Berufsalltag beinhaltet, und können andere darüber informieren.

      •Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, drei Gemeinsamkeiten und drei Unterschiede zwischen ihren bisherigen Vorstellungen und dem von ihnen erarbeiteten Wissen über ihren Traumberuf in einer Tabelle darzustellen.