Barbara Zumsteg

Didaktisch handeln und denken (E-Book)


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zur Beschreibung und Bewertung des Unterrichts.

      Beobachten ermöglicht, die Selbstverständlichkeiten und Besonderheiten des Handelns von Lehrpersonen bewusst zu machen. Über die Bereitschaft des aktiven Beobachtens hinaus braucht es den «fremden», infrage stellenden Blick für das Besondere des Unterrichtsgeschehens und professionelles Wissen über Unterricht.

      Beim Feedback sind drei voneinander zu unterscheidende Empfangsvorgänge wichtig: wahrnehmen – interpretieren – fühlen. Wahrnehmen heißt etwas sehen oder hören, interpretieren das Wahrgenommene mit einer Bedeutung versehen, fühlen auf das Wahrgenommene und Interpretierte mit einem eigenen Gefühl antworten.

      Reflektieren können ist für Lehrpersonen von entscheidender Bedeutung. Es ermöglicht, sich selbst kritisch zu beobachten, eigene Kräfte und Kompetenzen realistisch einzuschätzen und konstruktive Formen der Bewältigung von Belastungen zu finden. Reflexionskompetenz ermöglicht Verbindungsleistungen zwischen theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung: Durch Reflexion kann Theoriewissen eine handlungsbestimmende Kraft entfalten.

Basics Texte
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      HANS BERNER

      Differenziertes Nachdenken über Unterricht

      In diesem Kapitel geht es um differenziertes Nachdenken über Unterricht – und über sich selbst als Unterrichtende. Es geht also nicht primär um die Schülerinnen und Schüler, sondern um die (angehenden) Lehrpersonen in ihrer Professionalisierung auf ihren Beruf.

      Dazu eignen sich drei Formen:

      •Beobachten meint Mitstudierende und sich selbst beobachten und beobachten lassen.

      •Feedback wird in diesem Kapitel primär verstanden als Feedback von Studierenden untereinander oder von Lehrpersonen respektive Mentorinnen und Mentoren an Studierende. Feedback von Schülerinnen und Schülern gehört dazu. Nicht thematisiert wird in diesem Kapitel individuelles Feedback an Schülerinnen und Schüler, das in Kapitel 6 «Lernprozesse begleiten» wichtig ist.

      •Reflektieren bedeutet in diesem Kontext: das eigene und gemeinsame professionelle Nachdenken über Lehren und Unterricht im weitesten Sinne sowie das Ziehen von Konsequenzen aus diesem professionellen Nachdenken.

      Unterricht beobachten

      Unterrichtsbeobachtung hat in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen zweifellos einen besonderen Stellenwert. Für Andreas Helmke ist die Beobachtung der Königsweg zur Beschreibung und Bewertung des Unterrichts. Denn: Keine andere Methode hat ein solches Potenzial für eine differenzierte Unterrichtsbeurteilung, und kein anderes Verfahren kann die Abfolge zeitlicher Sequenzen und Muster so gut berücksichtigen (vgl. Helmke 2009, S. 288).

      Freie Unterrichtsbeobachtungen …

      Im Schulfeld hat die Methode einer völlig freien Beobachtung des Unterrichts Tradition. Das Ergebnis dieser Beobachtungen wird in einer narrativen Beschreibung des Unterrichtsverlaufs und einer persönlichen Einschätzung der Qualität vermittelt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Die Beobachtenden werden nicht eingeengt. Der Nachteil ist ebenso klar: Der Fokus der Beobachtung ist weitgehend subjektiv – ebenso wie die Form der Ergebnisformulierungen (vgl. ebd.).

      … und Rating-Verfahren

      Am entgegengesetzten Ende des Spektrums bezüglich Strukturiertheit der Unterrichtsbeobachtung finden sich sogenannte Rating-Verfahren, bei denen inhaltliche Kategorien und quantitative Antwortschemata vorgegeben sind. Dieses Werkzeug der Unterrichtsbeobachtung wird für externe Evaluationen von Schulen angewendet und umfasst sowohl einen kategorienbasierten Rating-Bogen mit einzelnen Aussagen als auch einen Anhang, in dem die Bedeutung der Items durch typische Beispiele veranschaulicht wird.

      Selbstverständlich gibt es zwischen diesen beiden Polen in Bezug auf Strukturierung verschiedene Zwischenformen: Beobachtungsvorgabe durch Leitbegriffe oder Basisdimensionen, durch die Unterrichtenden im Voraus bestimmte persönlich bedeutsame Beobachtungsschwerpunkte oder zu Ausbildungszwecken festgelegte, besonders zu übende Aspekte. Verbreitet sind auch Checklisten, mit denen ein kleiner ausgewählter Ausschnitt beobachtet wird (z. B. die Häufigkeit der Lehrerfragen oder das Verhältnis von Sprechanteil der Lehrperson und der Schülerinnen und Schüler).

      Auftragsbezogenes Beobachten und datengestütztes Reflektieren

      Eine besonders geeignete Form der Unterrichtsbeobachtung ist die Methode des auftragsbezogenen Beobachtens und datengestützten Reflektierens, die in vier Schritten die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Praxislehrpersonen strukturiert und eine «reflection-on-action» ermöglicht.

      1.Beobachtungsauftrag erteilen

      Die Studierenden formulieren für die Praxislehrperson vor dem Unterricht einen Beobachtungsauftrag. Dieser gewährleistet, dass die Praxislehrperson Aspekte im Unterricht fokussiert, die die Studierenden zurzeit beschäftigen. Sind Studierende unsicher, was sie beobachten lassen sollen, unterstützt die Praxislehrperson mit geeigneten Vorschlägen.

      2.Auftragsbezogen beobachten und protokollieren

      Die Praxislehrperson entscheidet vor der Unterrichtsbeobachtung, wie sich die vereinbarten Aspekte am besten beobachten und festhalten lassen. Während des Unterrichts protokolliert sie, ohne zu werten.

      3.Datengestützt reflektieren

      Als Grundlage für die Nachbesprechung dient das Beobachtungsprotokoll. Die Studierenden äußern sich zu den erhobenen Daten sowie zu ihren Erlebnissen. Es entwickelt sich ein Gespräch, in dem die Praxislehrperson die Studierenden beim Reflektieren unterstützt. Ziel des Gesprächs ist, dass die Studierenden die Wirkung ihres Handelns wahrnehmen, ihr Vorgehen begründen, Probleme erkennen und Handlungsalternativen in Betracht ziehen.

      4.Reflexion schriftlich festhalten

      Unmittelbar nach der Nachbesprechung halten die Studierenden die wichtigsten Ergebnisse schriftlich fest. Insbesondere formulieren sie Handlungsvorsätze für den kommenden Unterricht.

      Vgl. von Felten (2011)

      Stellenwert des Modelllernens

      Seit über dreißig Jahren geht man in der Lernpsychologie davon aus, dass es ein «Modelllernen» gibt, und in vielen Studien ist das Lernen am Modell erforscht worden (vgl. z.B. Bandura 1976). Übertragen auf die Lehrer- und Lehrerinnenbildung, haben Studierende Tausende von Stunden Gelegenheit gehabt, an Modellen (ihren bisherigen Lehrerinnen und Lehrern) zu lernen. Alle angehenden Lehrerinnen und Lehrer haben einen langen Lernprozess hinter sich, bevor sie zum ersten Mal als Lehrperson vor einer Klasse stehen. Das Handeln von angehenden und erfahrenen Lehrpersonen ist (wie in Kapitel 1 dargelegt) in starkem Maße in biografisch aufgeschichteten Deutungsbeständen verwurzelt. Durch aktives Beobachten können den Studierenden Selbstverständlichkeiten und Besonderheiten des schulischen Alltags bewusst werden. Wenn sie erkennen, was sie von ihren Lehrerinnen und Lehrern gelernt haben (und zwar bewusst und unbewusst), können sie ihr eigenes Handeln besser verstehen und weiterentwickeln.

      Werkzeuge des Sehens

      Wer interessiert