(Attributionstheorie). Die wesentlichen Variablen, die es zu beachten gilt, sind die Erwartung, dass ein bestimmtes Ereignis eintreten könnte, und der Wert (Bedeutung, Geltung), der in Aussicht steht. Die Annahme geht dahin, dass eine Person ein spezifisches Ziel nur weiterverfolgt, wenn die zu erwartenden Folgen als lohnend eingestuft werden. Dabei gilt ihre Aktivität als intrinsisch motiviert, wenn sie um ihrer selbst willen erfolgt – also weil «es einfach Spass macht». Als extrinsisch motiviert gilt Handeln, wenn ein äusserer Anreiz (zum Beispiel Lob, Belohnung) einen antreibt.
Beispiel zu Abbildung 4-1: Hans (1.) besucht die zweite Oberstufenklasse (Niveau A). Im August eröffnet ihm seine Klassenlehrperson, dass sie weitere positive Entwicklungen seit der ersten Oberstufe festgestellt hat (3.). Sie könnte sich vorstellen, dass Hans den Übertritt ins Gymnasium schaffen könnte (2. und 6.). Bedingung wäre allerdings, dass seine Motivation und Arbeitsleistungen weiter positiv bleiben. Diese Rückmeldung beflügelt Hans. Gemeinsam mit seinen Eltern erörtert er alternative Berufsausbildungen (6.). Unabhängig vom weiteren Verlauf wollen ihn die Eltern unterstützen. Hans will ins Gymnasium (6.). Er ist bereit, konzentriert und ausdauernd (4.) zu lernen, um weiterhin überdurchschnittliche Noten zu erzielen (5.).
Das Modell lässt auch Ableitungen für die erfolgreiche Unterrichtsgestaltung zu. Lehrpersonen kennen die Bedürfnisse, Motive und Zielsetzungen ihrer Lernenden und nehmen darauf Rücksicht. Dabei sind Zielstufe und entwicklungsbedingte Umstände essenziell. Kinder der Unterstufe lassen sich zum Beispiel gerne von Bildern, Farben, Geschichten und Rollenspielen faszinieren. Auf der Mittel- und Oberstufe sind Wettbewerbsgedanke, Spiel, Rhythmus und Bewegung, aber auch interessengeleitete Lektüre zentral. Vom siebten bis zum neunten Schuljahr faszinieren alle Formen der Fortbewegung, geschlechtsspezifische Entwicklungen (zum Beispiel: Körperpflege, Kampfsportarten), Musik und Kleidung oder etwa technische Hilfsmittel (PC, iPhone, Playstation). Gelingt es einer Lehrperson situativ, einzelne dieser Anreize ins Unterrichtsgeschehen einzubeziehen, dann besteht Aussicht, dass sich die Lernenden zusätzlich motivieren lassen. Dies umso mehr, wenn die Lehrkraft selbst fasziniert ist von der Materie und wenn sie ihre Begeisterung, respektive den praktischen Nutzen, vermitteln und aufzeigen kann.
Lernende motivieren
Dass Lernende selbstvergessen – im Flow (vgl. z. B. Rheinberg 2010) – einer Aufgabe nachgehen, ist wohl das Wunschdenken jeder Lehrperson. Nachfolgend wollen wir einzelne Variablen und Komponenten erörtern, die den Lernprozess spannend und anregend machen (→ Abbildung 4-2).
Abbildung 4-2
Grundlegende Annahmen der Zielsetzungstheorie von Locke und Latham (2002, nach Rosenstiel & Wegge 2004, S. 500)
Eine Mediatorvariable ist eine Variable, die einen direkten Bezug zwischen der spezifischen Zielsetzung und der Leistungserreichung begründet. Ist beispielsweise das eigene Selbstvertrauen eines Lernenden hoch, so wird er eine vergleichsweise schwierige Aufgabe wählen und folglich einen höheren Leistungsstand erreichen. Gibt es zum Beispiel drei Schwierigkeitsgrade bei der Lösung von Pythagoras-Aufgaben, so werden Lernende mit hohem Selbstvertrauen sich eher der schwierigsten Form zuwenden. Lernende mit geringem Selbstvertrauen werden vermutlich die einfachen Aufgaben lösen. Eine Moderatorvariable ist eine Variable, die einen Einfluss auf die Höhe der Beziehung zwischen zwei oder mehreren anderen Variablen ausübt. Mit Bezug auf das Beispiel der Pythagoras-Aufgaben könnten ein schlechtes Prüfungsresultat (Rückmeldung) oder die Missstimmung eines Lernenden (situative Grenzen) Auswirkungen haben. Das Selbstvertrauen wird beeinflusst, möglicherweise wird ein geringerer Schwierigkeitsgrad gewählt und die Leistung wird als Folge dessen eine andere sein.
Für die Zusammenstellung von motivierenden Materialien durch die Lehrperson sind drei Hauptaspekte zu beachten (→ Abbildung 4-2): Zum einen muss die Aufgabenstellung für die Lernenden schwierig sein. Nur herausfordernde, brenzlige Probleme stellen einen richtigen Anreiz dar. Mittlere oder leicht zu erreichende Ziele besitzen keine Anziehungskraft (umgekehrt aber auch nicht Aufgaben, mit denen die Lernenden überfordert sind). Unter dem Aspekt verschiedener Fähigkeiten und Voraussetzungen der Lernenden muss man hier möglicherweise eine innere Differenzierung in Betracht ziehen. Zum Zweiten muss die Aufgabenstellung spezifisch und präzise sein. Allgemeine und vage Ziele sind kein Ansporn für besondere Handlungen (Rosenstiel & Wegge 2004). Als Drittes könnte man anfügen, dass viele Lernende aus Bequemlichkeit oder aufgrund von Sicherheitsdenken lieber einfachere Aufgaben wählen als sie eigentlich zu leisten fähig wären.
Der Anspruch der Spezifität gilt auch für die geforderte Leistung (→ Abbildung 4-2). Lernende müssen klar und genau wissen, welches Ergebnis erwünscht ist. Nur so ist es möglich, dass sich Kinder und Jugendliche herausgefordert und in ihrem Eifer angesprochen fühlen. Gerade die Kleinsten lassen sich von der Präsentation des Schlussproduktes leicht begeistern.
Lehrpersonen äussern sich dahingehend, dass Lernende heute mit der Anstrengung, Ausdauer und Aufmerksamkeit oft Probleme haben (→ Kapitel 5, Aufmerksamkeit und Anstrengung). Abgesehen von kniffligen Aufgabenstellungen (Alltagsbezug, persönliche Betroffenheit, Aktualität), sollten die Lehrpersonen diese Aspekte ausgewählt als ergänzende Zielsetzung anführen. Falls sich die Lernenden dann und wann darin überfordert fühlen, könnte eine auflockernde Rhythmisierung (Wechsel der Sozialform, des Arbeitsplatzes) Abhilfe schaffen.
Erfolgszuversicht und Selbstwirksamkeit von Lernenden
Abbildung 4-2 führt unter den Mediatorvariablen das Selbstvertrauen auf. Dieser Komponente kommt ein besonderer Stellenwert zu. Dies umso mehr, wenn man die Selbstwirksamkeit in die Analyse mit einbezieht. Unter Selbstwirksamkeit versteht man die persönliche Einschätzung und Überzeugung eigener Handlungsmöglichkeiten und der Gestaltungsvielfalt. Letzteres hat auch mit dem Selbstvertrauen zu tun, somit besteht eine gegenseitige Abhängigkeit und Wechselwirkung. Bandura (2010) unterscheidet im Zusammenhang mit den erwarteten Folgen zwischen der Ergebniserwartung, bezogen auf eine Handlung, und der Selbstwirksamkeitserwartung. Einem Lernenden kann bewusst sein, dass Lernen zum Erfolg führt (Ergebniserwartung). Er muss aber auch überzeugt sein, dass er dank neuer Strategien oder mittels neuer Ressourcen diesen Erfolg verwirklichen kann (Selbstwirksamkeitserwartung). Diese persönliche Einschätzung wirkt motivierend und kann gleichzeitig Prozesse der Zielerreichung unterstützen. Kinder mit hoher Selbstwirksamkeit verfügen nach Bandura (2010) über besondere Eigenschaften. Im Vergleich zu Kindern mit weniger entwickelter Selbstwirksamkeit zeigen sie
• mehr Anstrengungsbereitschaft und Ausdauer,
• ein höheres Durchhaltevermögen,
• ein effektiveres Arbeitszeitmanagement,
• eine grössere Flexibilität der Lösungsstrategien,
• ein höheres Anspruchsniveau,
• bessere Leistungen und
• eine selbstwertförderliche Ursachenzuschreibung.
Ferner ist bekannt, dass sich Selbstwirksamkeit durch Erfolgserlebnisse weiter verfestigt. Lehrpersonen, die Teilerfolge von Lernprozessen aufzeigen, bestätigen damit die Überzeugungen der Lernenden. Oft wird dieser Aspekt im Schulalltag vernachlässigt. Modellhaftes Lernen kann bei der Vermittlung von Arbeits- und Bewältigungsstrategien unterstützen. Manchmal sind in diesem Zusammenhang erfolgreiche Lernende das bessere Modell als die Lehrpersonen selbst.
D Empfehlungen und Massnahmen
Der Motivation kommt im Unterricht eine zentrale und umfassende Bedeutung zu. Vergisst man beim Lernen die Zeit und andere Begleitumstände, ist das ein Indiz für eine hohe Unterrichtsqualität.