dass nach einem theoretischen Teil zu den binomischen Formeln die IF-Lehrerin mit zwei Lernenden in einem externen Gruppenraum Übungen aus dem Matheheft löst. Als die Lehrerin mit den beiden dort ankommt, stellt sich heraus, dass die beiden Achtklässler die Theorie überhaupt nicht verstanden haben und die gesamte restliche Zeit dazu verwendet werden muss, die Theorie vereinfacht nochmals zu erklären. Die Lernenden und die IF-Lehrerin haben für dreissig Minuten völlig unvorhergesehene Probleme und Schwierigkeiten. Alle drei kehren frustriert in die Klasse zurück.
B2 «Als Logopäde besetze ich in diesem Schuljahr eine Vierzigprozentstelle. Ich bin am Dienstag und Donnerstag im Schulhaus (Primarschulstufe). Leider kommt es vor, dass ein Beratungsgespräch mit einem Kind etwas länger dauert oder ich noch organisatorische Fragen abklären muss. Wiederholt verpasse ich somit die Pausengespräche mit den Kolleginnen und Kollegen. Wichtige Informationen gehen mir abhanden, und der Austausch fehlt mir. Obwohl ich eine spontane und zugängliche Person bin, fühle ich mich nicht integriert im Team.»
B3 «Ich unterrichte eine 4. Primarklasse und stelle leider fest, dass wir in unserer Schulgemeinde seit zwei bis drei Jahren viel mehr Sitzungstermine haben. Kommt dazu, dass die Sitzungen regelmässig länger dauern als geplant, weil sich die Sitzungsleitung nicht an die Traktandenliste hält. Einzelne Sachthemen münden in endlose Diskussionen ohne klare Beschlüsse. Die Sitzungen sind im Moment der absolute Motivationskiller.»
B4 «Je länger, desto mehr fühle ich mich in meiner Gestaltungsfreiheit als Lehrperson eingeschränkt. Für jedes und alles gibt es bestimmte Formulare und Vorschriften. Ich fühle mich eher als Verwalterin oder Beamtin. Ich wünsche mir, die Bildungspolitik würde wieder akzeptieren, dass unsere Kernaufgabe das Unterrichten ist. Deshalb wollte ich Lehrerin werden.»
In den Aussagen des Sekundarschullehrers kommen viele kritische Aspekte einer gedeihlichen Kooperation und Teamarbeit zur Sprache. Auch die vier Beispiele können problematische Zonen im Kontext mit klassenübergreifender Zusammenarbeit und Koedukation andeuten. Der theoretische Teil soll diesen oder jenen Impuls aufzeigen, damit die Kooperation und Teamarbeit auf den verschiedenen Systemebenen gelingen.
C Theorie
Teamarbeit und Kooperation unter Lehrpersonen
Zielspezifische Zusammenarbeit von Lehrpersonen ist eine tragende Voraussetzung, damit Lernprozesse, für ausgewählte Lernende wie auch für eine gesamte Klasse, erfolgreich initiiert werden. Diese Kooperation lässt sich unter verschiedenen Blickwinkeln erörtern. Auf der Basis einer Modellvorstellung von Bronfenbrenner (1981) lassen sich drei Systemebenen unterscheiden: die Makro-, Meso- und Mikroebene. Die Systematisierung beruht auf einer quantitativen Abstufung. Dabei umfasst die Makroebene einen Gesamtkomplex. Bei der Mikroebene hingegen ist der Blick auf ausgewählte, kleine Details fokussiert. Trautmann und Wischer sprechen von «Facetten schulischer Differenzierung» (2011, S. 76 ff.).
«Die Makroebene stellt verschiedene Schultypen und Schulformen dar. Man spricht quasi von einer interschulischen Differenzierung. Die Mesoebene erfasst eine intraschulische Differenzierung. Die Abgrenzung findet zwischen Klassen, Kursen oder zusätzlichen Angeboten statt. Falls schliesslich eine unterrichtliche Differenzierung angesprochen wird, so ist die Mikroebene gemeint. Dabei wird innerhalb der Klasse, beispielsweise in Form von Unterrichtsmaterialien, Sozialformen oder Arbeitsmethoden, differenziert.» (Trautmann & Wischer 2011, S. 76)
Die Kooperation ist somit je nach Systemaspekt eine ganz andere. Wenn es sich um Fragen handelt, welche die gesamte Schulgemeinde oder ein gesamtes Schulsystem betreffen, so ist die Makroebene tangiert. Die Kooperation mit weiterführenden Schulen oder gesellschaftspolitische Verpflichtungen der Schule wären ebenfalls der Makroebene zuzuordnen. Diskussionen zum Leitbild einer Schule und Fragen zur Einzelschulentwicklung (Dubs 2010) werden hingegen auf der Mesoebene aufgegriffen. Zur Mesoebene gehört ebenso die Frage, ob eine Schule die integrierte Förderung oder eine Segregation umsetzt (soweit nicht bildungspolitisch bereits vorgeschrieben). Auf der Mikroebene findet das eigentliche Unterrichtsgeschehen einer Klasse statt. Auf dieser Ebene sind ausserdem die Absprachen und Kooperationen zwischen den einzelnen Lehrkräften anzusiedeln, zum Beispiel zwischen Klassenlehrpersonen und Heilpädagogen. Dabei geht es um die Planung und Umsetzung von einzelnen Lektionen oder thematischen Schwerpunkten.
Eine professionelle Lerngemeinschaft ruht nach Bonsen (2010) auf fünf Säulen. Das Augenmerk gilt der Unterrichtsentwicklung im Sinne einer Qualitätssteigerung für die Lernenden. Die fünf federführenden Säulen, die in der Summe eine professionelle Lerngemeinschaft ausmachen, sind in Abbildung 3-1 dargestellt. Die professionelle Lerngemeinschaft gründet auf der Idee der Kooperation von Lehrpersonen. Sie wird dann am tragfähigsten, wenn sie sich einerseits klar auf die Unterrichtsgestaltung fokussiert und andererseits zielspezifisch auf die Lernbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen einlässt.
Die fünf Säulen einer professionellen Lerngemeinschaft können Ausgangspunkt für ein schulinternes Curriculum oder gemeinsame Standards der Unterrichtspraxis sein. Die Qualität der Lern-Lehr-Prozesse kann damit bedeutungsvoll beeinflusst werden (Bonsen 2010, S. 124).
Abbildung 3-1
Fünf Säulen einer professionellen Lerngemeinschaft (Bonsen 2010, S. 125)
Als Erstes muss das Lehrteam ein gemeinsames pädagogisches Grundverständnis haben, das sich im Optimalfall schon im Leitbild der Schule wiederfindet (gemeinsame Werte und Ziele). Die zweite Säule besteht in einer gezielten Zusammenarbeit. Darunter ist beispielsweise die Absprache zwischen Klassenlehrperson und Heilpädagogen über fachspezifische Unterrichtsreihen zu verstehen: Wochenpläne oder Unterrichtsmaterialien für mehrere Lektionen. Insbesondere sollen die Leistungsanforderungen für die Klasse wie auch explizit für individuell zu fördernde Lernende festgelegt werden. Damit sind verhaltensauffällige und zugleich besonders begabte Kinder und Jugendliche gemeint. In diesen Zusammenhang gehören überdies Absprachen zur Leistungsüberprüfung. Typisch für die Architektur der Zusammenarbeit ist die kooperative Planung und Umsetzung im Interesse der Lernenden. Bonsen spricht in diesem Zusammenhang von zu definierenden Qualitätsindikatoren (a. a. O., S. 126). Beim Fokus auf dem Lernen (dritte Säule) steht die Frage des Lernzuwachses im Vordergrund. Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden dazugewonnen? Sind die Zielsetzungen mit dem pädagogischen Grundverständnis und dem Berufsethos der einzelnen Lehrkräfte und nicht minder mit der Teilautonomie zu vereinbaren? Mit «De-Privatisierung» des Unterrichts (vierte Säule) ist die Öffnung der Schulzimmer gemeint. Lehrkräfte sollen aufgeschlossen sein für Unterrichtsbesuche und Hospitationen. Die Kooperation von Klassenlehrpersonen und Heilpädagogen setzt voraus, dass das Unterrichtsgeschehen zugänglich ist. Daran schliesst die fünfte Säule an, der reflexive Dialog. Pädagogische Kooperation wird getragen von Transparenz und gegenseitigem Informationsaustausch (a. a. O., S. 126; ähnlich Städeli, Obrist & Grassi 2009, S. 186). Die Lernprozessentwicklungen bei einzelnen Lernenden oder der Klasse als Ganzem müssen gegenseitig erläutert werden. Nur so ist eine individuelle wie auch kollektive Förderung gewährleistet. Die gesamte Vor- und Nachbereitung und der Informationsaustausch zwischen den betroffenen Lehrpersonen ist sehr zeitaufwendig. Eine seriöse Umsetzung wird längerfristig nur dann gelingen, wenn ihnen die entsprechenden Ressourcen zugesprochen wurden.
Systematik erfolgreicher Teamarbeit
Wie erläutert, sind die fünf Säulen professioneller Lerngemeinschaften Ausgangspunkt für spezifische Planungen und Reflexionen über ausgewählte Unterrichtseinheiten. Sie können die Initialzündung für erfolgreiche Lehr-Lern-Prozesse sein. Wie konkret die Planungsphasen zwischen den beteiligten Lehrpersonen auszugestalten sind, wollen wir in diesem Abschnitt erschliessen. In Anlehnung an den «Fahrplan für die Gruppenarbeit» (Checkliste) von Klippert (2010, S. 140) haben wir eine eigene Heuristik (Methode) entwickelt (→ Tabelle 3-1). Sie kann im Sinne einer prototypischen Vorgehensweise beispielsweise bei der Zusammenarbeit zwischen Klassenlehrperson