Elsbeth Würzer

Schulalltag konkret


Скачать книгу

engagiert im Teamteaching. Und trotzdem erlebt sie, dass es ihr nicht (mehr) gelingt, alle Schülerinnen und Schüler zu motivieren und zu Erfolgserlebnissen zu führen. Überflüssig zu erwähnen, dass sich dies negativ auf die Berufszufriedenheit auswirkt.

      D Empfehlungen und Massnahmen

      Aufgrund der Multikausalität des Themenkreises «schwieriger Schüler» geben wir im Folgenden verschiedene Empfehlungen und schlagen Massnahmen vor (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Dabei werden alle beteiligten Ebenen (Schulzimmer, Schulhaus, Gemeinde und Kanton) berücksichtigt.

      Lehrperson

      Klare und enge Unterrichtsführung

      Damit sie die dringend benötigten schulischen Erfolgserlebnisse erreichen können, brauchen verhaltensauffällige Lernende einen stark strukturierten Unterricht, eine reizarme Sitzordnung, immer wiederkehrende Abläufe (Routinen), klare und geregelte Absprachen unter den Lehrpersonen, ähnliche Unterrichtsstile.

      Kooperation am Arbeitsplatz

      Teamarbeit

      Ein wichtiger Punkt im Umgang mit «schwierigen Schülern» ist die Zusammenarbeit der Lehrpersonen im Team. Wird der «schwierige Schüler» als ein Lernender, der «zufälligerweise in meiner Lerngruppe» ist, betrachtet, so sollte sich auch die Kooperation im Team ändern. Damit ist Folgendes gemeint: Hat ein verhaltensauffälliger Lernender eine für die Lehrperson nicht mehr tragbare «Tagesform», springt eine Kollegin, ein Kollege aus dem Team ein und unterstützt so weit als möglich.

      Absprachen

      Lehrpersonen, die in einer Klasse unterrichten, sollten über ihre «schwierigen Schüler» stetig im Gespräch sein, damit sie Entwicklungsrichtungen (auf alle Seiten) nicht «verpassen» und auf Ausweichmanöver gemeinsam reagieren können. Lernende «kennen» ihre Lehrpersonen mindestens so gut wie diese die Lernenden.

      Kollegiale Intervision

      Eine regelmässig stattfindende, lösungsorientierte, vorstrukturierte kollegiale Intervision (→ Anhang 1) kann für Lehrpersonen sehr entlastend sein, ist sie einmal professionell eingeführt worden.

      Schulleitung/Gemeindeschulbehörden

      Ablaufplan bei disziplinarischen Problemen

      Viele Schulhäuser kennen einen Ablauf (Leitfaden), wie die Lehrperson bei Grenz- und Regelverletzungen, bei problematischen Verhaltensweisen konkret vorgehen soll. Einerseits sind darin Disziplinarmassnahmen aufgeführt, andererseits auch Möglichkeiten, Unterrichtsbelastungen, Unterrichtsstörungen und Krisensituationen sofort zu begegnen. Es existieren diverse Konzepte. Das bekannteste ist wohl das Trainingsraum-Programm (Balke 2003; Classen & Niessen 2006).

      Time-in-Möglichkeiten

      Einige Schulen haben eine Anlaufstelle für Lehrpersonen mit «schwierigen Schülern». Diese ermöglicht im Schulalltag ohne grosse Absprachen, einzelne den Unterricht störende Schülerinnen und Schüler vorübergehend (für Stunden, Tage oder wenige Wochen) innerhalb der Schule zu platzieren. Diese Massnahme bedarf immer einer Begleitung. Dazu existieren unterschiedliche gemeindebezogene Konzepte.

      Anzahl Lehrpersonen an einer Klasse

      In den meisten Schuleinheiten unterrichten heute mehrere Lehrpersonen in einer Klasse. Dieser Punkt wird auch in der oben erwähnten Belastungsstudie gewichtet. Eine empfohlene Massnahme: die Anzahl Lehrpersonen pro Klasse reduzieren (vgl. Bucher 2010, S. 31). Buchers Studie empfiehlt vor allem eine «Zusammenführung» der IF- und IS-Pensen auf eine Lehrperson. Die Vielzahl der Unterrichtenden hat jedoch auch mit dem Wechsel der Ausbildung der Lehrpersonen vom «Allrounder» zur Fächergruppenlehrkraft zu tun. Tatsache bleibt, dass vor allem verhaltensauffällige (und leistungsschwache) Schülerinnen und Schüler (aber auch die anderen) konstante, stabile und verlässliche Bezugspersonen brauchen. Im Übrigen wird es für die Lehrperson bei mehreren Klassen wegen der grossen Anzahl von Lernenden immer schwieriger, eine Beziehung zu den einzelnen Lernenden aufzubauen. Eine mögliche Folge davon: häufigere disziplinarische Störungen – ein Teufelskreis.

      Empfehlungen: Mit Blick auf die grösser werdende Anzahl von verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern sollen so wenige Lehrpersonen wie möglich an einer Klasse unterrichten. Dass sie in der Folge eventuell einen ungünstigeren Stundenplan haben, geschieht freilich in ihrem Interesse (vgl. oben). Des Weiteren müsste die Ausbildung der Fächergruppenlehrkraft im Hinblick auf die Wichtigkeit der Bedeutung einer Klassenlehrperson überdacht werden.

      Infrastruktur

      Die anspruchsvolle Arbeit mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen bedeutet, dass sich im Schulzimmer verschieden grosse Lerngruppen mit eventuell zwei bis drei Lehrpersonen auf zum Teil kleinem Raum befinden. Wenn in einigen Lerngruppen diskutiert wird und andere Lernende selbstständig lernen, ist unter anderem der Lärmpegel derart, dass sich nicht alle konzentrieren können.

      Massnahmen: Bauliche Veränderungen wie Nebenräume, grössere Schulzimmer (flexibel unterteilbar) sind in vielen Gemeinden dringend nötig.

      Kantonale (gesetzgebende) Ebene

      Zu grosse Klassen

      In den heutigen heterogenen Klassen sind Individualisierung der Stoffvermittlung und Differenzierung der Lerninhalte oft die einzige Möglichkeit des Unterrichtens. Diese Methoden setzen eine grosse Konzentrationsfähigkeit und Selbstständigkeit der Lernenden voraus, die viele «schwierige Schüler» (und nicht nur sie) in einer Klasse mit über zwanzig Lernenden nur ungenügend aufbringen können.

      Massnahmen: Die Richtlinien für die Klassengrössen sind vom Kanton vorgegeben. Ausnahmen gibt es sehr selten. Die Schulleitung hat auf die Klassengrösse nur strukturellen Einfluss, das heisst: je grösser die Schuleinheit, desto grösser der Spielraum. Es sind politische Massnahmen, die das Problem der grossen Klassen beheben könnten.

      Lehrmittel

      Situation: Die Lernenden verfügen über die unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen.

      Massnahmen: Lehrmittel sollten für verschiedene Lern- und Leistungs­differenzierungen verfügbar sein. Solche Lehrmittel müssten folgende Bedingungen erfüllen:

      • sofort einsetzbar;

      • alle Materialien vorhanden;

      • genügend Übungsmaterial vorhanden;

      • übersichtliche Differenzierung;

      • selbstständige Lernkontrolle durch die Lernenden.

      2 Disziplin

       (Elsbeth Würzer)

      A Aussagen von Lehrpersonen

      Disziplin und der respektvolle Umgang zwischen Lernenden und Lehrpersonen beschäftigen etliche Lehrpersonen aus unserer Umfrage. Auch wenn das Wort «Disziplin» nicht immer explizit genannt wird, erscheint es im Zusammenhang mit der Klassenführung zwischen den Zeilen.

      Ein erfahrener Primarlehrer aus dem Kanton Luzern bringt das Thema Disziplin in einen Zusammenhang mit den neuen Unterrichtsformen:

      A1 «Die heutigen Lehr- und Lernformen sorgen auch für Herausforderungen in der Disziplin. Wie organisiert die Lehrperson den Unterricht und die Klassenführung optimal, damit Unterricht klar, strukturiert und effizient gestaltet werden kann?»

      Ein