Hansruedi Kaiser

Situationsdidaktik konkret (E-Book)


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aus ihrem Erfahrungsschatz als eine Art Simulationsumgebung zur Verfügung stellen, um die Brauchbarkeit des sich entwickelnden Verfahrens kritisch zu prüfen. Bei dem CAD-Beispiel erinnert sich die Lehrperson vielleicht an Fälle, bei denen ein Problem bei der Planung übersehen oder erst im allerletzten Moment erkannt wurde. Gemeinsam kann man überprüfen, ob das Verfahren hier besser abgeschnitten hätte oder ob es allenfalls noch angepasst werden muss.

      Bei dem Roboterbeispiel wird man an dieser Stelle die bisher offene Fragestellung einschränken müssen und gezielt eine Einsatzart angehen, die aufgrund der bisherigen Recherche besonders vielversprechend erscheint (unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der Technologie, der vorhandenen Roboter in den Betrieben, des vorhandenen Wissens etc.). Dann geht es darum, ein geeignetes Einsatzmodell zu entwickeln. Auch hier können sowohl die Lehrperson als auch die Lernenden aus dem Gedächtnis Situationen einbringen, um die Idee zu testen.

      Analog zu den selbst erfundenen Aufgaben im Schritt 6 von Handeln vorbereiten können konstruierte Beispiele genutzt werden, um das sich entwickelnde Vorgehen zu testen. Im Gegensatz zu Handeln vorbereiten, wo von der Lehrperson ein bewährtes Vorgehen eingeführt wird und es im Wesentlichen darum geht, dass die Lernenden es sich zu eigen machen, sollten hier auftretende Schwierigkeiten auch genutzt werden, um das Vorgehen im Detail zu verbessern.

       Zu Schritt 5: Anwendungsfragen und Anwendungsprobleme klären

      Und auch hier ist es selbstverständlich nicht damit getan, dass man das Gefühl hat, das Problem grundsätzlich im Griff zu haben. In diesem Fall ist dieser Punkt sogar besonders wichtig, da es ja nicht nur darum geht, Anwendungsfragen und Anwendungsprobleme eines an sich bewährten Vorgehens zu klären. Wurde kein bereits bestehendes Verfahren gefunden und musste ein neues entwickelt werden, ist noch nicht sichergestellt, dass dieses Verfahren so überhaupt anwendbar ist. Im günstigsten Fall entwickelt sich dieser Schritt zu einem eigentlichen Projekt in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren Betrieben, bei dem sich unter anderem die Schritte 3 bis 5 zyklisch mehrmals wiederholen.

      Im CAD-Beispiel könnte an dieser Stelle ein strukturiertes und von allen als brauchbar eingeschätztes Vorgehen zum Auffinden von Problemstellen vorliegen. Dann würde es nun darum gehen, dass Lernende und Lehrperson es für einige Zeit bei ihrer alltäglichen Arbeit einsetzen und anschliessend ihre Erfahrungen diskutieren. Sicher ist es sinnvoll, wenn sie sich darüber hinaus am Arbeitsplatz mit Kolleginnen und Kollegen austauschen.

      Im Falle des Roboterbeispiels kann an dieser Stelle eigentlich nur ein Projekt mit einem oder mehreren Lehrbetrieben weiterhelfen. Es würde also darum gehen, die in der Schule gemachten Überlegungen vorzustellen und abzuklären, ob und unter welchen Umständen Interesse an einem derartigen Projekt besteht.

      A5.4 Unrealistisch?

      Man kann sich die Frage stellen, inwiefern das diesem Rezept zugrunde liegende Szenario für den schulischen Unterricht in der Berufsbildung heute und/oder in Zukunft überhaupt realistisch ist.

      Das CAD-Beispiel hat sich genau so zugetragen – bis zu dem Punkt, wo die Lernende der Lehrperson demonstriert, wie sie mittels des CAD-Programms die Höhe der Decke misst. Das skizzierte weitere Vorgehen (die Frage der Lehrperson und die gemeinsame Entwicklung eines Vorgehens) bleibt im Rahmen dessen, was auf der Stufe berufliche Grundbildung möglich ist. Und da ein echtes, akutes Problem gelöst wird, ist die dafür benötigte Zeit sicher gut investiert (ähnlich: B2 Randumfang einstellen).

      Etwas anders liegt das Roboterbeispiel. Hier entwickelt sich im Extremfall ein umfangreicheres Projekt unter Einbezug mehrerer Betriebe und verschiedener Fachpersonen etwa aus einer Fachhochschule oder einer Universität. Auch für die berufliche Grundbildung ist dies denkbar. Beispielsweise führten bereits 2016 die Gewerblich-industrielle Berufsfachschule Liestal mit Lernenden in Automobilmechatronik ein Projekt zum Thema «Elektroautos» durch, obwohl dieses Thema laut Bildungsplan damals noch nicht zur Diskussion stand (EBL 2016). Realistischer sind solche ausgewachsenen Projekte, bei denen sowohl Teilnehmende wie auch Dozentinnen und Dozenten Neuland betreten, wohl eher auf der Ebene höhere Berufsbildung.

      Wird ein Thema nicht im Bildungsplan berücksichtigt und folglich auch in der Schlussprüfung (QV) nicht geprüft, fragt sich, wie Lehrpersonen legitimieren können, trotzdem darauf im Unterricht einzugehen (C8 Gewisse Ungewissheit). Diese Frage stellt sich allerdings in der Berufsbildung immer wieder. Bereits 1995 waren Lehrpersonen für die Ausbildung medizinisch-technische Radiologieassistentin/Radiologieassistent mit dem Problem konfrontiert, dass im damals gültigen Ausbildungsreglement (Schweizerisches Rotes Kreuz SRK 1985) computerbasierte Verfahren wie Computertomografie etc. mit keinem Wort erwähnt wurden, ihre Lernenden diese aber an ihrem Arbeitsplatz ständig antrafen. 1998 reagierte man darauf, indem man ein neues, technologieneutrales Reglement erstellte. Dort hiess es neu unter anderem: «Analysiert Ursachen, welche die Qualität der Apparate, Verfahren und Bilder verändern, und trifft die entsprechenden Massnahmen» (SRK 1998, S.19). Dies gab den Lehrpersonen die Möglichkeit, flexibel auf technologische Neuentwicklungen und neue Situationen zu reagieren, und dürfte ein gültiges Bildungsziel bleiben, solange Röntgenfachpersonen mithilfe von Apparaten und Verfahren Bilder herstellen. Will die Berufsbildung angesichts einer sich beschleunigenden Technologieentwicklung flexibel bleiben, sind nicht nur die Lehrpersonen gefordert, flexibel auf Neues und Unerwartetes zu reagieren, sondern auch Reglemente, Verordnungen und Bildungspläne müssen so angepasst werden, dass sie solche Flexibilität zulassen beziehungsweise sogar fordern.

      A5.5 Erklären statt handeln

      A5 Das gemeinsame Lernprojekt und A3 Phänomene einordnen stellen Variationen von A1 Handeln vorbereiten dar. Man kann sie problemlos kombinieren und anstelle einer neuen Vorgehensweise gemeinsam ein neues Erklärungsmuster entwickeln (Ansätze zu einem Beispiel: B8 Wareneingang). Alle hier zu den einzelnen Punkten gemachten Überlegungen behalten auch in diesem Fall ihre Gültigkeit.

      A5.6 Erwähnte Literatur

      Weber, A. (2004). Problem-Based Learning. Ein Handbuch für die Ausbildung auf der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe. Bern: hep verlag.

      EBL (2016). EBL & GiBL machen gemeinsame Sache. Pressemitteilung Genossenschaft Elektra Baselland. https://www.ebl.ch/de/unternehmen/newsroom/pressemitteilungen/EBL-und-GiBL-machen-gemeinsame-Sache.html (15.03.2019).

      SRK (1985). Bestimmungen und Richtlinien für die vom Schweizerischen Roten Kreuz anerkannten Ausbildungsstätten mit einem Ausbildungsprogramm für medizinisch-technische Radiologieassistentinnen und -assistenten. https://www.redcross.ch/de/file/15772/download (15.03.2019).

      SRK (1998). Bestimmungen des Schweizerischen Roten Kreuzes für die Ausbildung von Fachleuten in medizinisch-technischer Radiologie. https://www.redcross.ch/de/file/15773/download (15.03.2019).

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