können, das den anderen Lernenden nicht direkt zugänglich ist.
Zu Schritt 8: Phänomene im Alltag beobachten und erklären
Sinngemäss relevant aus Schritt 8 von Handeln vorbereiten sind die Punkte: nachbereiten, kritische Reflexion.
Dieser Schritt unterscheidet sich nicht wesentlich vom entsprechenden Schritt bei Handeln vorbereiten. Während die Lernenden dort versuchen, das neue Vorgehen im Betrieb einzusetzen, geht es hier darum, das neue Erklärungsmuster einzusetzen. Die Lernenden erzählen von ihren Erfahrungen und individuellen Schwierigkeiten bei diesen Versuchen. Die Lehrperson moderiert und gibt Input, um gezielt Schwierigkeiten oder Verständnislücken zu beheben.
A3.5 Erwähnte Literatur
Herndon, J. (1971). Die Schule überleben. Stuttgart: Klett.
A4 DIE LEHRPERSON ALS LERNMODELL
Zweite Variation zum Rezept A1 Handeln vorbereiten
Viele Kapitel dieses Buches sind so geschrieben, dass Sie sie unabhängig voneinander lesen können. Dieses Kapitel hingegen ist vermutlich nur verständlich, wenn sie vorher A1 Handeln vorbereiten gelesen haben.
A1 Handeln vorbereiten geht davon aus, dass die Lehrperson gegenüber den Lernenden hinsichtlich des Vorgehens einen Wissensvorsprung hat. Nur so kann sie beispielsweise im Schritt 5 ein professionelles Modell abgeben. Bei der Geschwindigkeit, mit der sich in der Vergangenheit in der Gesellschaft Wissen anhäufte, war diese Annahme bisher meist realistisch. Aber mit der stetigen Beschleunigung der technologischen Entwicklung trifft sie nicht immer zu. Und es ist zu erwarten, dass die Momente, in denen Lehrpersonen in der Berufsbildung gegenüber ihren Lernenden einen entsprechenden Wissensvorsprung haben, weiter abnehmen werden.
Aktuell wird im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Arbeitswelt, mit Industrien 4.0 (Deutschland), mit Industrie 2025 (Schweiz), darüber diskutiert, welche neuen Wissensinhalte und Fertigkeiten man den Lernenden mitgeben sollte. Entsprechende Prognosen sind aber schwierig zu machen. Im Jahre 2007 konnte niemand voraussehen, dass schon kurze Zeit später alle mit ihrem Telefon Fotos machen würde. Genauso wenig lässt sich momentan und wohl auch in absehbarer Zukunft vorhersagen, welche Anforderungen Arbeitsplätze nur schon in wenigen Jahren stellen werden. Entsprechend fehlt den Lehrpersonen die notwenige Vorlaufzeit, um sich einen Wissensvorsprung zu erarbeiten, ganz zu schweigen von den Organisationen der Arbeitswelt (OdA), die ihre Bildungspläne entsprechend anpassen möchten.
Sinnvoller, als im Kaffeesatz zu lesen, scheint es deshalb, sich grundsätzlich Gedanken darüber zu machen, wie in der Berufsbildung Lehrpersonen auch ohne den üblichen Wissensvorsprung guten Unterricht machen können (Hintergrund: C8 Gewisse Ungewissheit).
A4.1 Wenn die Lernenden einen Wissensvorsprung haben – ein einfaches Beispiel
Schreiner, die eine Einbauküche einbauen, haben folgendes Problem: Ist die Ecke perfekt rechtwinklig, in die die Küche eingepasst werden soll, lassen sich vorgefertigte Standardprodukte sauber einbauen. Weicht der Winkel aber auch nur wenig von 90 Grad ab, sind Anpassungen notwendig. Schreiner müssen deshalb ab und zu einmal überprüfen, ob zwei Mauern rechtwinklig aufeinandertreffen.
Der traditionelle Wissensvorsprung der Fachlehrperson besteht darin, dass sie zu diesem Zweck den Satz des Pythagoras (Abbildung 1, Variante a) kennen. Man bildet dazu in der entsprechenden Ecke am Boden ein Dreieck, von dem zwei Seiten mit den beiden aufeinandertreffenden Mauern zusammenfallen. Dann misst man die Längen zweier Seiten dieses Dreiecks und berechnet aufgrund dieser Daten, wie lange die dritte Seite wäre, wenn es sich um ein rechtwinkliges Dreieck handeln würde. Stimmt die gemessene Länge der dritten Seite mit der errechneten Länge überein, dann ist das Dreieck tatsächlich rechtwinklig.
Die Rechnerei kann man sich sparen, wenn man geeignete Dreiecke bildet, für die die Seitenverhältnisse bekannt sind. Schon im alten Ägypten wurden dazu Dreiecke mit den Verhältnissen 3 : 4 : 5 eingesetzt. Praktisch üblich sind 30cm : 40cm : 50cm oder 60cm : 80cm : 100cm (Abbildung 1, Variante b).
Abbildung 1: Drei Methoden zur Überprüfung eines rechten Winkels
Dieser traditionelle Wissensvorsprung der Lehrperson verflüchtigt sich, wenn plötzlich die Lernenden auf ihren Smartphones eine App in den Unterricht mitbringen, die das Problem grafisch löst. Auf dem Bildschirm ist ein typisches rechtwinkliges Dreieck zu sehen (Abbildung 1, Variante c). Man legt das Smartphone so vor sich hin, dass der rechte Winkel in die zu untersuchende Ecke zeigt. Dann misst und markiert man an den beiden Wänden zwei beliebige Längen ausgehend von der Ecke und trägt die Werte in der Grafik an der entsprechenden Stelle ein. Die Länge der dritten Seite wird automatisch angezeigt und kann überprüft werden.
Die Lehrperson kann ihr Wissen nun zwar noch einsetzen, um zu erklären, warum die App funktioniert (bis hin zum Beweis des Satz’ des Pythagoras, wenn sie das möchte). Für den korrekten Gebrauch der App ist dies aber überflüssig.
A4.2 Ganz ohne Wissensvorsprung?
Dass Lehrpersonen plötzlich ganz ohne Wissensvorsprung auskommen müssen, ist allerdings zu radikal gedacht. Denn gut ausgebildet werden sie immer in drei Punkten über Wissen verfügen, das ihren Lernenden so nicht zur Verfügung steht:
Methodisch-didaktisches Wissen: Lehrpersonen wissen, wie man in Gruppen Lernprozesse organisiert – auch dann, wenn sie fachlich nicht über den traditionellen Wissensvorsprung verfügen. Dieser Text ist ein Versuch, solch methodisch-didaktisches Wissen bereitzustellen. Im Beispiel oben würde der Lehrperson dieses Wissen helfen, die Nutzung der App als neuen Aspekt, den die Lernenden mitbringen, sinnvoll in den Unterricht einzubeziehen.
Fachliches Hintergrundwissen: Wissensentwicklung ist nicht revolutionär, sondern evolutionär. Dadurch, dass neues fachliches Wissen wichtig wird (wodurch die Lehrpersonen unter Umständen ihren Wissensvorsprung verlieren), wird das «alte» fachliche Wissen nicht obsolet. Mit diesem Wissen kann die Lehrperson den Lernenden helfen, neue Entwicklungen einzuordnen und zu verstehen. Im Zusammenhang des einleitenden Beispiels ist der Satz des Pythagoras immer noch gültig und findet in der App Anwendung.
Praktische Erfahrungen: Auch im praktischen Bereich sind die Erfahrungen, die die Berufsschullehrpersonen aus ihrer eigenen Tätigkeit als Berufsleute mitbringen, nicht plötzlich wertlos. Sie können der Lehrperson helfen, die Lernenden dabei zu unterstützen, das neue Vorgehen nicht nur theoretisch zu verstehen, sondern tatsächlich im praktischen Alltag einzusetzen. Im Beispiel oben stellt sich die Frage, wie genau gemessen werden muss – unabhängig davon, ob man mit Papier und Bleistift oder mit der App arbeitet.
All dieses Wissen qualifiziert Lehrpersonen, Unterricht durchzuführen und den Lernenden zu helfen, ohne im traditionellen Sinn über einen Wissensvorsprung zu verfügen (Hintergrund: C8 Gewisse Ungewissheit).
A4.3 Ein Rezept in fünf Schritten
Das Rezept ist nicht wirklich erprob, wenn es auch stark auf den mit Handeln vorbereiten gemachten Erfahrungen aufbaut. Rückmeldungen über Verständlichkeit und Nützlichkeit sind daher sehr erwünscht!
Im Zentrum stehen:
• Eine bestimmte Situation