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Klassenführung ist die Grundlage für Unterrichtsqualität und unabdingbar für den Lernerfolg der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Internationale Forschungsergebnisse zeigen deutlich, «dass kein anderes Merkmal so eindeutig und konsistent mit dem Leistungsniveau und dem Leistungsfortschritt von Schulklassen verknüpft ist».[1]
Klassenführung ist auch eine wichtige Größe für Ihre Gesundheit als Lehrkraft. Das eigene selbstbewusste Verhalten kann für ein stressfreieres und entspannteres Erleben und Arbeiten im Klassenzimmer maßgebend sein. Gemeinsam gestaltete Bedingungen im Klassenzimmer und in der ganzen Schule können den Bedürfnissen aller Rechnung tragen, ohne dass eine einzelne Lehrkraft zu sehr eingespannt ist. Die Balance zwischen einer Sicherheit, die aus einem routinierten persönlichen Handlungsrepertoire erwächst, und einem Wir-Gefühl, das aus einer kollegial abgestimmten Gestaltung im eigenen System Schule entsteht, bewirkt für die Art und Weise, an Herausforderungen heranzugehen, und damit für das eigene und kollektive Gesundheitserleben einen großen Unterschied.
2.1Klassenführung: Begriff und Konzepte
ORIENTIERUNGSPUNKTE FÜR DIE REISE | |
Techniken der Klassenführung bei Kounin – Techniken der Klassenführung bei Evertson – Merkmale guten Unterrichts bei Meyer und Helmke – Strategien nach Nolting und Lohmann – Linzer Modell der Klassenführung von Mayr – Die Hattie-Studie – Basisdimensionen guten Unterrichts – Das Angebots-Nutzungs-Modell von Helmke |
Der Begriff «Klassenführung» unterliegt seit seinem Aufkommen in den 1950er-Jahren im angloamerikanischen Raum (dort als classroom management) einem steten Bedeutungswandel. Abwechselnd standen und stehen unterschiedliche Aspekte von Unterricht und Lehrerhandeln im Fokus. Aus der gesamtheitlichen Betrachtung der Entwicklungen ergibt sich ein umfassendes Bild.
Bis in die 1970er-Jahre wurde Klassenführung vorwiegend als Auseinandersetzung mit Unterrichtsstörungen verstanden. In diesem Sinne geben Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern erwartetes Verhalten vor und sorgen dafür – manchmal durch Belohnung, häufig jedoch durch Strafen –, dass die Vorgaben eingehalten werden. Dabei geht es ausschließlich um Belohnung oder Sanktionierung als Reaktion auf Schülerverhalten. Die Gestaltungsmacht der Lehrkraft begrenzt sich auf die Art der Disziplinierung im Nachgang zur Aktion der Schülerin oder des Schülers. Die Lehrkraft versucht, die Gestaltungsmacht der Schülerin, des Schülers durch eine Art Dressurakt zu beherrschen: Auf «gutes» Verhalten folgt keine Reaktion oder Belohnung, auf «schlechtes» Einschüchterung oder Bestrafung.
Techniken der Klassenführung bei Kounin
Der amerikanische Psychologe Jacob S. Kounin widmete sich in seiner Forschung der Wirkung von Disziplinierungsmaßnahmen auf die gesamte Schulklasse. Er erkannte zwar einen «Welleneffekt», also eine Ausbreitung der Wirkung von einzelnen auf alle Schülerinnen und Schüler der Klasse. Der Effekt ist allerdings schwer absehbar und beeinflusst die Beziehung von Lehrenden und Lernenden eher negativ. «For respect is a more desirable motor of behavior than fear», begründete Kounin seine Abkehr von Disziplinierungsmaßnahmen.[2] In der Folge lag sein Fokus auf der präventiven Gestaltungsmacht der Lehrkraft. Kounin formulierte 1970 die bis heute gültigen sechs Unterrichtskompetenzen («Lehrerstil-Dimensionen» oder «Klassenführungstechniken»[3]), die Voraussetzung für guten Unterricht sind:
•withitness Allgegenwärtigkeit, mit der Klasse sein
•overlapping Überlappen
•momentum Reibungslosigkeit und Schwung
•smoothness Geschmeidigkeit
•group focus Wahrung eines Gruppenfokus und Gruppenmobilisierung
•managing transition Übergangs-Management
•avoid mock participation Vermeiden vorgetäuschter Teilnahme
Diese Techniken entspringen Beobachtungen aus einem lehrerzentrierten Unterricht, sind aber, wie die weitere Forschung zeigt, ebenfalls für den schülerzentrierten Unterricht von hoher Bedeutung. «Der Besitz von Fertigkeiten zur Führung einer Gruppe erlaubt es dem Lehrer, seine Lehrziele zu erreichen – mangelnde Führungskunst schafft Barrieren.»[4]
Techniken der Klassenführung bei Evertson
Seit den 1990er-Jahren definiert eine Gruppe um Carolyn M. Evertson, Professorin für pädagogische Psychologie in den USA, handlungsorientierte Dimensionen für einen störungsarmen Unterricht.[5] Diese Liste der Techniken der Klassenführung nach Evertson wurde 2017 letztmals ergänzt. Entscheidend für den Ansatz ist, dass die Lehrkräfte sich auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler konzentrieren und dieses steuern. Auch wenn hier ursprünglich vom Unterricht in Grundschulen ausgegangen wurde, sind die Dimensionen für alle Stufen bedeutsam, die Techniken überall anwendbar.[6] Im Mittelpunkt steht die zwischen Lehrenden und Lernenden geteilte Verantwortung. Der schülerzentrierte Unterricht erfolgt nach demokratischen Prinzipien. Die Lehrkraft sorgt für gute Bedingungen und moderiert den Lernprozess. Dafür braucht es eine vorausschauende Planung. Evertsons Dimensionen guten Unterrichts bieten hierfür wichtige Anhaltspunkte. Sie liefern viele konkrete Handlungsideen, Techniken und Aspekte, die für die eigene Klassenführung anregend und förderlich sind.[7]
TECHNIK DER KLASSENFÜHRUNG | RELEVANTE ASPEKTE |
Den Klassenraum und das Material vorbereiten | –Vier bzw. fünf Schlüssel für eine gute Raumanordnung–Vorschläge für das Lernarrangement im Klassenzimmer |
Regeln und Verfahrensweisen im Klassenzimmer aufstellen | –Klassenregeln ausarbeiten–Verfahrensweisen in der Klasse ausarbeiten |
Verfahrensweisen für die Steuerung der Schülerarbeitsphasen | –Klare Kommunikation der Arbeitsaufträge und Arbeitsvorgaben–Überwachen/Monitoring des Arbeitsfortschritts und der Erledigung von Arbeitsaufträgen–Rückmeldung/Feedback an Schülerinnen und Schüler |
Einen gelungenen Start bereiten | –Ein positives Klassenklima schaffen–Regeln und Verfahrensweisen unterrichten (mit dem Untertitel «Autorität der Lehrkraft»)–Planungen für einen guten Beginn (die ersten Schultage, typische Aktivitäten, Kommunikation mit Eltern und Vormund usw.) |
Unterricht planen und durchführen | –Planung des Unterrichtsangebots–Kounins Ideen/Begriffe für die Unterrichtsführung in der Großgruppe–Häufige Probleme bei der Unterrichtsdurchführung–Übergänge–Klarheit |
Führen von kooperativen Lerngruppen | –Strategien und Routinen für kooperatives Lernen entwickeln–Schülerarbeitsphasen und -verhalten überwachen–Gruppeninterventionen–Fertigkeiten für effektive Gruppenarbeit–Kooperatives Lernen einführen |
Angemessenes Schülerverhalten aufrechterhalten | –Überwachen/Monitoring von Schülerverhalten–Konsequenz–Umgang mit unangemessenem Verhalten–Schaffung eines positiven Klimas durch Anreize und Belohnungen–Vorsicht im Umgang mit Belohnungen |
Kommunikationsfähigkeiten für das Unterrichten | –Konstruktive Bestimmtheit–Empathisches Reagieren–Problemlösendes Agieren–Mit Eltern sprechen |
Mit Verhaltensproblemen umgehen | –Kategorisierung von problematischem Verhalten–Ziele für den Umgang mit Verhaltensproblemen–Strategien für den Umgang mit Verhaltensproblemen–Spezifische Probleme (Mobbing, Tuscheln, chronische Arbeitsverweigerung, Schlägereien, Machtkämpfe)–Erinnerung zum Schluss: positiv denken
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