Lernschritten.
Schülerinnen und Schüler von heute sind gleichzeitig mit diversen anspruchsvollen Schulfächern konfrontiert und viele sehen im Sprachenlernen mehr Last als Lust. Die Fremdsprache nebenbei und ohne zusätzlichen Zeitaufwand zu lernen (in anderen Fächern, während der Busfahrt zur Schule, bei den Hausaufgaben oder in der Freizeit), ist auch für die Lernenden ein verlockendes Angebot. Die Birkenbihl-Methode setzt gerade dort ein, wo wir mit dem traditionellen Schullernen an Grenzen stoßen. Sie ist eine wunderbare Ergänzung und bewirkt, dass diejenigen Aktivitäten, welche in den Schulzimmern bereits ausgeübt werden, auch zu nachhaltigem Lernerfolg führen. Es braucht keine großen Veränderungen, um diese Wirkung zu erzielen. Die Lehrperson braucht nur genau zu wissen, was sie wann wie tut und warum sie es so und nicht anders tut.
Die Birkenbihl-Methode beruht auf vier Lernschritten. Ich gebe im Folgenden einen Überblick über die einzelnen Schritte. Später werde ich selbstverständlich wesentlich tiefer darauf eingehen und Ihnen für jeden Schritt erprobte Praxistipps anbieten.
Erster Schritt: Dekodierung
Einsteiger: Ein Text, der auch als Hörtext vorhanden ist, wird fertig dekodiert (wortwörtlich übersetzt) abgegeben. Die Lernenden markieren die für sie neuen Wörter. Fortgeschrittene: Der fremdsprachliche Text wird selbstständig wortwörtlich übersetzt.
Zweiter Schritt: Aktives Hören
Die Lernenden haben die Dekodierung vor sich. Sie hören den Text in der Zielsprache und lesen gleichzeitig die Zeile in ihrer Muttersprache, in unserem Fall also die deutschsprachige Zeile. So können die Lernenden den Klang der Wörter mit deren Bedeutung verbinden. Einziges Ziel dieses Lernschrittes ist das Verstehen des Textes auch ohne Dekodierung. Um dies zu erreichen, hören die Lernenden den Text mehrmals. Am Ende dieses Lernschrittes macht es für sie keinen Unterschied mehr, ob der Text in der Zielsprache oder in der Muttersprache gehört wird. Beides wird gleich gut verstanden.
Dritter Schritt: Passives Hören
Der Hörtext, den die Lernenden schon verstehen, wird nun passiv gehört. Der Hörtext läuft in einer Endlosschleife leise im Hintergrund. Bewusst sind die Lernenden mit etwas ganz anderem beschäftigt. In dieser Phase werden die Nervenbahnen gefestigt. Durch die vielen unbewussten Wiederholungen verinnerlichen die Lernenden den Wortschatz, die Aussprache, die Satzmelodie und abstrahieren ganz nebenbei die Grammatikregeln.
Vierter Schritt: Aktivitäten
Jetzt sind im Gehirn die erforderlichen Nervenbahnen für die Aktivitäten bereit. In diesen letzten Lernschritt fallen alle Aktivitäten, also Lesen, Schreiben, Sprechen. Zu den Aktivitäten gehören auch Übungen aus dem Schulbuch (Texte, Arbeitsblätter, Übungen etc.).
Wenn Sie die Birkenbihl-Methode im Unterricht (oder zu Hause) ergänzend einsetzen, leisten Sie Vor- statt Nachhilfe. Sie durchlaufen Schritt eins bis drei, bevor der Text mit dem dazugehörigen Wortschatz im Lehrmittel auftaucht. Zu diesem Zeitpunkt sind die Lernenden bereits beim vierten Schritt angelangt und haben garantiert ein Erfolgserlebnis. Die Übungen im Schullehrmittel fallen ihnen leicht, sie können sich aktiv an der Lektion beteiligen und werden von ihrem eigenen Erfolg stets aufs Neue motiviert. Erreicht haben Sie dies als Lehrperson durch die Kombination der Inhalte des Schullehrmittels mit dem strukturierten Vorgehen nach der Birkenbihl-Methode.
1. Frage: | Gibt es Studien, welche belegen, dass die Birkenbihl-Methode funktioniert? |
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2. Frage: | Wer hat eigentlich die herkömmliche Art des Sprachenlernens erfunden? |
Schlagen Sie die Antworten hinten im Buch nach (ab hier) |
Wissen und Können
Wissen und Können
Sprachenlernen wird im Laufe der obligatorischen Schuljahre zur »Pflicht«, leider schnell zu einer »lästigen Pflicht«. Doch woher kommt es, dass so viele Schülerinnen und Schüler nach einigen hundert Lektionen voller Vokabeln und Grammatikregeln die Zielsprache in der Praxis kaum anwenden können? Die Antwort ist einfach und kurz: (Auswendig) gelerntes Wissen hat mit Können direkt nichts zu tun. Unser Gehirn verarbeitet die Lernbereiche des Wissens und Könnens völlig unterschiedlich. Ich erkläre Ihnen wie:
Wissen
Wissen heißt, im Gehirn zu einem Thema oder Fachgebiet spezifische Informationen gespeichert zu haben. Zum Bereich des Wissens gehört alles, was Sie in folgenden Satz einfügen können: »Ich weiß Bescheid über …«. Zum Beispiel: Ich weiß Bescheid über ein Volk, ein Land, eine Tierart, eine Theorie oder über ein geschichtliches Ereignis. Wissen eignen Sie sich mit Büchern, Zeitschriften, Internet und an Vorträgen an. Dabei spinnen Sie ein »Wissensnetz«. Je mehr Fäden Sie zu einem Thema bereits im Netz haben, desto leichter fällt es Ihnen, neue Fäden daran anzuknüpfen. Je mehr Sie also bereits wissen, umso einfacher ist es, neues Wissen damit zu verbinden.
Deshalb ist der Lernkurvenverlauf hier exponentiell. Zu Beginn (dort, wo die Kurve noch flach ist) ist das Lernen ganz neuer Inhalte noch schwer, denn Sie haben erst wenige Fäden zum Thema in Ihrem Wissensnetz. Je mehr Sie aber zum Thema wissen, desto leichter fällt es Ihnen, an das bestehende Wissen anzuknüpfen. Länger an einem Thema dranzubleiben, lässt die Lernenden erfahren, dass eben nur der Anfang schwer ist und das Lernen schon bald leichter wird!
Können
Können heißt, eine Tätigkeit gut ausüben zu können. In den Lernbereich des Könnens gehören all jene Tätigkeiten, die Sie in den folgenden Satz einfügen können: »Ich kann …«. Zum Beispiel: Ich kann Klavier spielen, Fußball spielen, Haare schneiden … und ich kann Texte mit dem Zehnfingersystem tippen. Auch zu diesem Bereich gibt es eine schöne Metapher. Sie stammt von Manfred Spitzer, Hirnforscher am Universitätsklinikum in Ulm. Er spricht von Trampelpfad und Autobahn. Wenn Sie auf einem beliebigen Musikinstrument zum ersten Mal einige neue Takte eines Musikstückes üben, dann sind Sie noch langsam und haben erst einen Trampelpfad zur Verfügung. Im Gehirn existiert erst eine sehr schmale neuronale Verbindung. Üben Sie nun weiter, dann wird dieser Pfad immer breiter. Wenn die eingeübte Sequenz dann ganz automatisch läuft, haben Sie sinnbildlich eine Autobahn gebaut.
Die Lernkurve des Könnens unterscheidet sich von jener des Wissens maßgeblich. Beim Zuwachs von Können haben wir jeweils einen steilen Anstieg, dann einen kleinen Abfall und schließlich eine längere Plateau-Phase. Georg Leonard rät uns, das Plateau – also genau die Phase, in der wir den Eindruck haben, dass es nicht weitergeht und dass das Lernen stillzustehen scheint – zu lieben (Leonard 2006, S. 47). Eines Tages wird kontinuierliches Training mit einem weiteren steilen Anstieg belohnt.
Wie kommt es zu diesen Plateau-Phasen? Wenn Sie eine Tätigkeit trainieren, werden die bestehenden neuronalen Verbindungen im Gehirn immer stärker gefordert. Irgendwann sind die Trampelpfade aber für den Verkehr, der hier durch soll, zu schmal. Wenn dies über einen größeren Zeitraum der Fall ist (konsequentes und wiederholtes Training), wird gewissermaßen eine Baustelle