beschrieben sowie versucht, dessen Bedeutung für die Organisationsentwicklung und das Lernen aufzuzeigen. Ein zentraler Bestandteil dieser Philosophie ist ein Regelsatz aus zehn Prinzipien, von denen bereits fünf identifiziert und diskutiert wurden:
1. Versuche stets zu helfen.
2. Verliere nie den Bezug zu der aktuellen Realität.
3. Setze dein Nichtwissen ein.
4. Alles, was du tust, ist eine Intervention.
5. Das Problem und seine Lösung gehören dem Klienten.
Arbeitet der Berater beständig nach diesen Prinzipien, ergibt es sich auf natürliche Weise, wann er Informationen liefert, die Arztrolle übernimmt oder in der Rolle des Prozessberaters bleibt. Allerdings ist es nicht einfach, das eigene Nichtwissen einzusetzen und sich mit der Realität auseinander zu setzen. Dabei handelt es sich um Fertigkeiten, die man einüben muss und für die konzeptionelle Modelle und auf Erfahrung basierende Einsichten unabdingbar sind. In den restlichen Kapiteln konzentriere ich mich besonders auf einige vereinfachende konzeptionelle Modelle, die den Berater/Helfer dabei unterstützen, mit den verschiedenen Facetten der Wirklichkeit umzugehen, auf die er trifft.
Fallbeispiele und Übung
Fallbeispiele werden das ganze Buch hindurch auf verschiedene Weise eingesetzt. Wo konkrete Beispiele benötigt werden, werden Illustrationen und auch längere Fallbeispiele direkt in den Text eingefügt. An anderen Stellen wiederum finden sich diese Beispiele am Kapitelende, um dem praxisorientierteren Leser eine Gelegenheit zu geben, sich ausführlicher mit den Fällen zu beschäftigen. Falls keine Unklarheiten mehr vorhanden sind, müssen diese Fallbeispiele nicht durchgearbeitet werden.
Fallbeispiel 1.1
Jahrestreffen der International Oil (Planung und Teilnahme)
Dieses Fallbeispiel soll aufzeigen, welche taktischen Feinheiten das Verbleiben im Prozessberatungsmodus mit sich bringt, und gleichzeitig den Kontrast zwischen den einzelnen Modi verdeutlichen. Dem Leser wird nicht entgehen, dass dieser Fall beschreibt, was genau mit »Prozess« gemeint ist – es ging bei den Interventionen fast ausschließlich darum, wie gearbeitet wurde, statt um die Inhalte, mit denen die Gruppe sich beschäftigte.
Bei dem Unternehmen handelt es sich um einen großen multinationalen Ölund Chemiekonzern, dessen Hauptquartier sich in Europa befindet. Ich kannte einige Mitglieder in der Managemententwicklungsgruppe des Unternehmens und hatte vor Jahren in einem MIT-Kurs für Führungskräfte einen ihrer leitenden Manager, Steven Sprague, getroffen. Dass man mich ins Unternehmen holte, entsprang dem Wunsch einiger leitender Manager, die Kultur ihres Unternehmens genauer daraufhin unter die Lupe zu nehmen, ob sie den strategischen Gegebenheiten des nächsten Jahrzehnts Genüge tun würde. Einigen Mitgliedern der Managemententwicklungsgruppe war bekannt, dass ich vor kurzem einige Artikel und ein Buch über Organisationskultur veröffentlicht hatte.
Ich erhielt einen Anruf von einem Mitarbeiter des Stabs, der gerade mit anderen das jährlich stattfindende Treffen der 40 hochrangigsten Manager des Unternehmens plante. Der Vorschlag lautete, ich solle zwei Tage an diesem Treffen teilnehmen, die internen Diskussionen verfolgen und anschließend einen Vortrag über Unternehmenskultur halten, in den ich Beispiele aus ihrer eigenen Diskussion einflechten sollte, um ihnen Feedback zu ihrer eigenen Unternehmenskultur zu geben. Bei Veranstaltungsbeginn und -ende sollte ich nicht aktiv werden, das Ganze war also anfangs geplant als eine am zweiten Tag der Veranstaltung stattfindende weiterbildende Intervention. Obwohl es nach außen hin hieß, bei dieser weiterbildenden Intervention solle den Direktoren nur aufbereitetes Material präsentiert werden, ging es insgeheim auch darum, sie dazu zu bringen, sich realistischer mit ihrer eigenen Kultur und den damit verbundenen Konsequenzen auseinander zu setzen.
Mich interessierte dieses Unternehmen, außerdem wollte ich mehr über verschiedene Unternehmenskulturen lernen, die Abmachung erschien mir daher ideal. Ich erklärte mich mit den Vereinbarungen einverstanden und erfuhr dann, ich würde von Steven Sprague Näheres über das Meeting erfahren. Dieser war Vizepräsident geworden und unterstand direkt dem Chairman6 des Unternehmens. Wir vereinbarten für seine nächste Reise in die USA ein Treffen in New York. Sprague stimmte zu, ab diesem Zeitpunkt meine Spesen zu begleichen und mich nach meinen üblichen Stundensätzen zu bezahlen.
Bei dem Treffen sprach Sprague ausführlich über die strategische Situation, in der sich das Unternehmen befand, und meinte, es sei von entscheidender Bedeutung, bei diesem Jahrestreffen einen Blick darauf zu werfen, ob der Kurs, den das Unternehmen eingeschlagen habe, noch Sinn mache oder ob er schneller verfolgt oder Geschwindigkeit weggenommen werden sollte; und wie die Gruppe der Topmanager auf die Entscheidung, egal wie diese ausfalle, eingeschworen werden konnte. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich auch, dass die Planung des gesamten dreitägigen Treffens Sprague unterstellt war und dass er mich nicht nur kurz unterrichten, sondern das gesamte Design mit mir durchgehen wollte.
Bei dem ursprünglichen Anruf war es darum gegangen, dass ich einen Vortrag über Unternehmenskultur halten sollte, doch nun bat Sprague mich, als Experte bei der Planung des Jahrestreffens zu helfen, und erklärte sich zu meinem primären Klienten. Ich sah, wie ich die Rolle des Prozessberaters gegen die des Planungsexperten eintauschte, da wir die Planung des Meetings besprachen, ein Thema, über das ich offensichtlich mehr wusste als er. Diese Veränderung in meiner Rolle war uns beiden klar und wir machten sie explizit.
Wir klopften die einzelnen Elemente des Meetings hinsichtlich der von Sprague angesprochenen Ziele ab und die Idee tauchte auf, es könne weiterhelfen, wenn ich während des gesamten Meetings als Prozessberater anwesend wäre. Da mein Terminkalender dies zuließ, entschied Sprague mit meinem Einverständnis, ich solle während des gesamten Treffens verschiedene Rollen übernehmen. Ganz zu Beginn des Meetings sollte ich mich kurz zu Kultur und Strategie äußern und meine Rolle erläutern. Diese Rolle sah vor, dass ich zu beobachten versuchen sollte, wie sich diese Themen im Verlauf des Meetings zu einander verhalten. Am zweiten Tag sollte ich meinen Vortrag über Unternehmenskultur halten und, ein entscheidender Punkt, die Sitzungen am dritten Tag leiten, also an dem Tag, an dem die Gruppen ihren Konsens hinsichtlich zukünftiger Strategieoptionen umreißen wollten.
Bei diesen Konsensbereichen sollte es um Unternehmensstrategien gehen, doch es wäre für mich einfacher als für einen Insider, diesen Konsens zu überprüfen. Außerdem konnte der Chairman so eine beratende Funktion einnehmen. Daher erschien es uns beiden zweckmäßig, dass ich die Rolle des Konsensüberprüfers übernahm. Zudem war ich der Meinung, Sprague kenne den Chairman gut genug, um beurteilen zu können, ob er es für akzeptabel hielt, dass ein Außenseiter eine solche Rolle annimmt. Nach Spragues Verhalten während des Gesprächs zu urteilen, war er mit den Themen vertraut und kannte das Unternehmensklima gut. Ohnehin bot sich nicht mehr die Gelegenheit, den Chairman zu sprechen, ich musste diese Rolle also annehmen.
Meine Teilnahme an diesen drei Tagen entwickelte sich wie geplant. Der Chairman fand es von Vorteil, auf jemand von außen Kommenden zurückgreifen zu können. Er hatte so das Gefühl, sich stärker auf den Inhalt konzentrieren zu können, auf die strategischen Probleme, mit denen sich die Gruppe herumschlug. Es erlaubte ihm ein Ausmaß an Freiheit, das er so nicht kannte, da er in den Meetings bisher immer sowohl den Berater als auch den Chairman gespielt hatte. Er erklärte den anderen leitenden Managern meine Rolle und übernahm die Verantwortung für die Entscheidung, mich in diesen verschiedenen Rollen dabeizuhaben.
Meine aktiven Interventionen konzentrierten sich vor allem auf den Aufgabenprozess. Zum Beispiel versuchte ich gelegentlich einen Punkt zu verdeutlichen, indem ich wiederholte, was ich gehört zu haben glaubte, klärende Fragen stellte, Ziele wiederholte, den Konsens überprüfte, wenn man sich auf Übereinkünfte geeinigt zu haben schien, und die Bereiche protokollierte, in denen bereits Konsens erreicht worden war, um mich darauf in meiner Input-Sitzung zu beziehen. Als der Zeitpunkt für mein Feedback zur Unternehmenskultur gekommen war, beschränkte ich mich einleitend auf einige Definitionen und Beschreibungen der Unternehmenskultur als einer