Stefan Hahn

Gestalttherapie mit Gruppen


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served« erfüllt diese Kriterien sehr gut. Nun schauen wir mal, ob mir dasselbe gelingt und ich Ihnen dieses sehr genießbare, lesenswerte Buch schmackhaft machen kann.

      Welche Speisen erwarten uns?

      Ein Buch über Gestalt-Gruppenpsychotherapie, wie sie in Deutschland in niedergelassener Praxis durchgeführt wird und – was weniger bekannt ist –auch in psychiatrischen Kliniken. Gerade deswegen sollte dieses Buch eine willkommene Ergänzung in der Bibliothek des Psychotherapeuten sein. Aber bevor wir zu einem voreiligen Schluss kommen, lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die Speisekarte werfen – um im Bild zu bleiben.

      Wie wir vermutlich alle wissen, ist die Einzeltherapie für den Therapeuten eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Sie fordert ihn immer wieder heraus, sich sowohl als Wissenschaftler als auch als Künstler zu bewähren und darüber hinaus sehr menschlich zu sein. Ich nehme an, Sie alle wissen aus eigener Erfahrung, hoffentlich sowohl als Klient als auch als Therapeut, was ich meine. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist Gruppentherapie noch anspruchsvoller. Statt eine Beziehung nur zu einer Person aufzubauen, für die man verantwortlich ist, die man zu verstehen, zu begleiten, zu konfrontieren sucht – und vor der man sich in einigen Fällen auch schützen muss –, hat man in der Gruppentherapie vielleicht fünf, sechs, zehn oder sogar fünfzehn solcher Menschen. Und darüber hinaus interagieren sie alle nicht nur mit Ihnen, sondern auch untereinander, wobei letztendlich nur Sie allein (oder auch zusammen mit einem Co-Leiter) verantwortlich sind.

      Welch ein Glück also, dass so ein Buch existiert, das viele Lichter in die dunklen Ecken dieses besonderen Universums bringt und es voll und ganz ausleuchtet.

      Beim ersten und größeren Teil des Buches geht es hauptsächlich um Gestalt-Gruppenarbeit niedergelassener Therapeuten und um Ausbildungsprogramme für angehende Berater, Therapeuten, Supervisoren, Erzieher und Gruppenleiter. Die Autoren geben zunächst einen Überblick, um dann die Thematik in ihren Einzelheiten und Nuancen zu vertiefen. Nun, ich denke –in aller Bescheidenheit –, dass ich mich in den verschiedenen Aspekten der Gestalt-Gruppentherapie gut auskenne. Und doch fällt mir kein Aspekt ein, der nicht schon in diesem Buch behandelt worden ist. Vom »inneren Supervisor« bis zu Beispielen »für die Abschlussphase« wird alles abgedeckt: Was sind allgemeine Prinzipien der Gruppenarbeit? Wie schafft man eine therapeutische Umgebung? Was sind die verschiedenen Ebenen, auf die man das Augenmerk richten muss? Wie nutzt man Feedback und das Hier-und-Jetzt in der Gruppe? Welche Bedeutung hat Awareness? Was sind Themen in der mittleren Phase einer Gruppe? Und … und … und – alle Aspekte sind behandelt. Und dabei sind die zusätzlichen praktischen Kapitel zu Gruppenexperimenten, zur Entwicklung der Kontaktfunktionen usw. noch nicht erwähnt.

      Ganz sicherlich ein Festmahl.

      Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit Gruppentherapie in akutpsychiatrischen Kliniken. Er möchte die Entwicklung von Gruppentherapie in diesen Settings unterstützen und voranbringen. Gleichzeitig zeigt er die ihnen innewohnenden Beschränkungen auf: die Besonderheiten der Klientel, die zeitlichen Rahmenbedingungen, die heutzutage immer enger werden usw. … Trotz dieser Einschränkungen – oder eher von ihnen ausgehend – stellt dieser Teil des Buches auf eine sehr persönliche, menschliche Art eine vitale und wirkungsvolle Herangehensweise dar. Alle, die in solchen Institutionen arbeiten, können auf der Grundlage der im ersten Teil gegebenen Anregungen und Leitlinien von diesem gut durchdachten, humanistischen Ansatz profitieren.

      Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei diesem Festmahl für Feinschmecker!

       Bud Feder,

      Winter 2009/2010

       Einleitung

      Dieses Buch ist an Leser gerichtet, die lernen wollen, Gruppen im Sinne der Gestaltphilosophie zu leiten. Modellhaft werden wir unsere eigenen Erfahrungen und Vorgehensweisen beschreiben sowie transparent machen, welche theoretischen Überlegungen unseren Interventionen zugrunde lagen, aber auch Situationen schildern, in denen wir ins Schwimmen gekommen sind, wenig Orientierung hatten, Wichtiges übersehen und Fehler gemacht haben.

      Das Buch ist so geschrieben, dass Sie beliebig, je nach Interesse, mit dem Lesen anfangen können. Es gibt zwar einige etwas theoretischer gehaltene Abschnitte, aber ansonsten haben wir (Josta Bernstädt als Autorin von Teil 1 und 3 und Stefan Hahn von Teil 2) unsere Ausführungen so konkret und anschaulich wie möglich gehalten. Einige Fachbegriffe setzen wir als bekannt voraus, haben allerdings in Anmerkungen auf Quellen verwiesen, in denen der Leser sie nachschlagen kann.

       Zu Teil 1

      Ich begann vor knapp 20 Jahren, angehende Gestaltberater und Gestaltpädagogen in Gruppenleitung auszubilden und ein grundlegendes Verständnis der wesentlichen gruppendynamischen Prozesse zu vermitteln. Eine immerwährende Herausforderung war und ist dabei ein gelungenes Ineinandergreifen von Theorie und Praxis.

      So sind Sie, lieber Leser, eingeladen, die in diesem Buch dargestellte Theorie immer wieder mit Ihrer eigenen Erfahrung abzugleichen, zu überprüfen und kritisch in Frage zu stellen. Zu groß ist die Neigung, jede angebotene Theorie als einzig wahre Handlungsorientierung zu introjizieren in der Hoffnung, damit die Plagegeister Unsicherheit und Angst loswerden.

      Man kann noch so viel Theorie anderer erfahrener Gruppenleiter gelesen und gehört haben, entscheidend ist ihre sinnvolle Umsetzung, wie es die jeweilige Situation erfordert. Dieses Buch kann Ihnen helfen, ein Gespür dafür zu bekommen, wann welche Gruppenintervention im Sinne der Gestaltphilosophie hilfreich ist.

      Eingangs ist es wichtig, dass der Leser sich vergegenwärtigt, welche Erfahrungen er bereits im Leiten von Gruppen hat.

      Auch verfügen Sie bereits über einen reichen Erfahrungsschatz, was Ihre eigene Mitgliedschaft in Gruppen betrifft , der Ihnen helfen kann, sich in die möglichen Empfindungen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen von Gruppenmitgliedern hineinzuversetzen.

      Zu guter Letzt können Sie, lieber Leser, bereits auf eine lebenslange Erfahrung, eine Gruppe zu leiten, zurückblicken, nämlich die eigene innerpsychische. Hier können Sie sofort Bestand aufnehmen, was Ihr Führungsstil ist, ob Sie alle inneren Stimmen und die des Körpers, der Bilder und Gefühle zu Worte kommen lassen, wie Sie ordnen, strukturieren, Konflikte aufgreifen und handlungsfähig werden. Oder andererseits, wie Sie unterdrücken, manipulieren, vermeiden, sich quälen, leugnen, diktatorisch regieren oder eher im Laissez–faire-Stil sich aus der existenziellen Verantwortung für die Gestaltung Ihres eigenen Lebens schleichen. Hier siedelt sich der innere Supervisor an, wie im gleichnamigen Kapitel beschrieben.

      In meinen Ausbildungsgruppen zum Gestaltgruppenleiter erhalten die Teilnehmer gleich von Anfang an die Möglichkeit, sich im Gruppenleiten zu üben, wobei ich als Coach zur Verfügung stehe. Ich bin immer wieder betroffen, wie viel Angst diese Einladung auslöst. Die Teilnehmer scheinen vor einer schier unlösbaren Aufgabe zu stehen, wie im Märchen »Rumpelstilzchen«, als die arme Müllerstochter aus Stroh Gold spinnen muss, weil ihr Vater dem König gegenüber behauptet hat, dass sie es könne.

      Nun, ich behaupte auch, dass jeder Erwachsene bereits die Fähigkeit hat, Gruppen zu leiten, wenn er nur nicht so viel Angst vor dem König hätte. Die Angst etwas falsch zu machen, sich lächerlich zu machen oder als inkompetent enttarnt zu werden, erzeugt bei vielen akuten Stress, gepaart mit der Überzeugung, weder Wissen noch Können zur Verfügung zu haben, um eine Gruppe anzuleiten. Hiervon handelt das erste Kapitel: »Gruppenleiten – von der Angst zu mehr Sicherheit«.

      Was den Teilnehmern dann hilft, sich aus dieser Erstarrung zu lösen, sind klare Strukturen, konkrete und spezifische Handlungsanweisungen, an denen sie sich zunächst festhalten können. Hiermit erklärt sich die Popularität von strukturierten Übungen, auf die sich einige Autoren spezialisiert haben (z.B. Klaus Vopel 1997) aber auch die in Gestaltgruppen üblichen Rituale (z.B. Befindlichkeitsrunde, Feedback geben usw.)

      Auch für Gruppenteilnehmer gibt es Zeiten, in denen strukturierte Übungen hilfreich sind.