das Wort selbstständig weitergeben lernen. Es kann auch als Ziel vereinbart werden, dass während eines Gesprächs alle einmal den Gesprächsstab halten und einen Beitrag liefern sollen.
Ablauf eines philosophischen Gesprächs
Ein philosophisches Gespräch umfasst drei Phasen: eine präreflexiv-vorbereitende, eine reflexive und eine postreflexiv-nachbereitende Phase.[90] Als Grundlage dient der Fragenkatalog, der zuvor zur philosophischen Frage erstellt worden ist. Die Fragen werden jedoch keineswegs in der erarbeiteten Reihenfolge «abgearbeitet». Vielmehr bringt man jene Fragen ein, die sich gut in den Gesprächsverlauf einfügen.
Die fettgedruckten Titel entsprechen den Typen von Hebammenfragen, wie sie oben beschrieben worden sind.
1. Phase: Vorbereitungsphase
Philosophische Frage: Klare Grundfrage, philosophisches Problem oder Grundaussage formulieren | «Heute möchte ich mit euch über folgende Frage nachdenken: ...?»«Wir sind im NMG-Unterricht auf folgendes Problem gestossen: ... Darüber möchten wir uns unterhalten.» |
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Arbeitsweisen festlegen | «Wir machen zwei Gruppen.»«Nina und Stefan schreiben Argumente auf.»«Ich führe / Sarina führt durch das Gespräch.» |
Gesprächsregeln aufstellen | «Zuhören. Ausreden lassen. Es spricht immer nur einer. Beim Thema bleiben. Einander anschauen.» |
2. Phase: Philosophisches Gespräch
«Eisbrecher»: Erfahrungen der Lernenden aktivieren | «Habt ihr schon mal darüber nachgedacht?»«Ist es euch auch schon so ergangen?»«Welche Erfahrung habt ihr mit ...?» |
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Schwerpunkte setzen | «Was fandet ihr besonders interessant?»«Ich möchte gerne auf folgende Frage eingehen: ...» |
Bearbeitung des philosophischen Problems | Die einzelnen Fragekategorien werden nicht in einer bestimmten Reihenfolge «abgearbeitet», sondern dem Gesprächsverlauf entsprechend gestellt.•Sachverhalte beschreiben und Begriffe klären•Unterschiede und Ähnlichkeiten herausarbeiten•Meinungen begründen und Wertungen reflektieren•Hypothesen erstellen und Folgen überlegen (Gedankenexperimente) |
Immer wieder: Zwischenergebnis zusammenfassen | «Bis jetzt können wir sagen, dass …»«Fassen wir zusammen: Unendlich nennen wir etwas, wenn ...» |
3. Phase: Metagespräch
Ergebnisse zusammenfassen und Resultate festhalten | «Einige meinen, ..., weil …; andere meinen, ... weil…»«Xy nennen wir also einen Zustand, der ...»«Wir können also sagen, dass ...»«Alle stimmen überein, dass ...»«Wir haben eine Meinungsverschiedenheit darüber, ...» |
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Daraus evtl. neue Fragestellung formulieren | «Offen bleibt, ob ...»«Es stellt sich nun die Frage, ...» |
Auf den Gesprächsverlauf zurückblicken | «Waren die Aufgaben klar?»«Wurden die Gesprächsregeln eingehalten?»«Kamen alle zum Zug?»«Was ist gut gelaufen?»«Was müssten wir anders machen?» |
Herausforderungen bei der Gesprächsführung
Philosophische Gespräche anzuleiten benötigt etwas Übung – für die Lehrpersonen wie für die Schülerinnen und Schüler. Man darf nicht erwarten, beim ersten Mal bereits eine Sternstunde zu erleben. Bei der Beobachtung von Gesprächen lassen sich einige Muster beobachten, die man nach Möglichkeit beachten sollte.
Keine Antworten vorgeben | Die Vorstellungen von Erwachsenen entsprechen nicht immer den Vorstellungen von Kindern. Sie sollten ihnen daher nicht aufgezwungen werden. Kinder merken schnell, wenn ein Gespräch auf ein bestimmtes Ziel hinführen soll: «Sie wissen die Antwort ja schon.» |
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Übersicht gewinnen | Zuweilen stellen die Schülerinnen und Schüler selbst eine ganze Anzahl von Fragen. Dabei kann es schwierig werden, den Überblick zu wahren. Man muss sich gut überlegen, wie man zu einer Auswahl oder Reihenfolge kommt. Wenig sinnvoll ist, wenn einfach die Fragen jener Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden, die sich am lautesten melden oder besonders eloquent sind. Es empfiehlt sich, die Fragen zu notieren und gemeinsam zu entscheiden, welche nun sachlich angezeigt sind. |
Stille aushalten | Wenn Gespräche stocken, neigt man gerne dazu, rasch aufeinander folgend weitere Fragen zu stellen und sich auf jene Schülerinnen und Schüler zu konzentrieren, die gesprächig sind. Dabei liegt in Gesprächspausen durchaus Potenzial: Zeit zum Nachdenken geben, alle zum Denken motivieren (nicht nur die schnellen). Man kann das auch als «Power of Silence» bezeichnen. |
Ping-Pong vermeiden | Kinder sollten miteinander ins Gespräch gebracht werden. Wenn das Gespräch immer zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern hin und her geht, entsteht kein richtiges Gespräch. Dies kann man mit wenigen Übungen korrigieren: kurze Murmelrunden zu zweit oder zu dritt einbauen, in Kleingruppen philosophieren, einander einen Gesprächsball zuwerfen. Hilfreich ist auch, wenn die Schülerinnen und Schüler sich je eine Frage überlegen und diese einbringen. |
Weniger gesprächige Schüler einbeziehen | Kinder, die sich nicht gerne oder sprachlich unsicher ausdrücken, gehen häufig vergessen oder werden übergangen, wenn sie keine Antwort wissen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er oder sie nicht mitdenkt. Solche Schülerinnen und Schüler dürfen nicht im Regen stehen gelassen, sondern ihnen sollte eine Hilfe angeboten werden: «Kannst du es beschreiben?», «Weiss jemand anders weiter?» Auch andere Ausdrucksmöglichkeiten helfen in diesem Fall wie Murmelrunden, Pause einlegen, pantomimisch ausdrücken. |
Mit reisserischen Themen umgehen | Schülerinnen und Schüler bleiben gerne an einem «krassen» Thema hängen (Dinosaurier, Unfälle), zum Teil, weil sie sie beschäftigen, zum Teil, weil sie Sensationswert haben. Es empfiehlt sich, diesen Themen Zeit zu geben. Die Frage ist nur, welches der richtige Zeitpunkt ist. Grundsätzlich sollte das Gespräch immer auf die Ausgangsfrage fokussiert bleiben. Nimmt ein Thema zu viel Raum ein, gibt es zwei Möglichkeiten: den Plan ändern, sich dem neuen Thema widmen und das ursprüngliche auf den nächsten Tag verschieben oder umgekehrt das Thema, das die Kinder beschäftigt, in einen Themenspeicher notieren und zu einem späteren Zeitpunkt aufgreifen. |
4 Ertrag: Nachdenken fördern
Der didaktische Ansatz des Philosophierens mit Kindern ermöglicht es, die Schülerinnen und Schüler im NMG-Unterricht an Denkprozessen zu beteiligen, die über die fachlichen Perspektiven hinausgehen. Dadurch fördern wir kritisches Nachdenken über eine Welt, in der vieles vermeintlich klar und durch Erwachsene definiert erscheint. Damit wird ein Unterrichtsgeschehen, das vom Motto «Es gibt auf alles eine Antwort und die Lehrperson weiss sie» lebt, aufgegeben zugunsten eines Unterrichts, der dem Leitsatz «Es ist alles fragwürdig und wir denken gemeinsam darüber nach» folgt. Auf diese Weise erlernen Kinder, Fragen zu stellen und Dinge infrage zu stellen.
Die Aufgabensets, die in diesem Studienbuch dargestellt werden, enthalten einen Vorschlag für ein philosophisches Gespräch in Form eines Fragenkatalogs, wie er in diesem Beitrag beschrieben wurde. Sie sollen eine Starthilfe sein, damit das Philosophieren zu ganz unterschiedlichen Themen im NMG-Unterricht gelingen mag.
Literaturverzeichnis
Baumert, Jürgen: Deutschland im internationalen Bildungsvergleich. In: Killius, Nelson; Kluge, Jürgen & Reisch, Linda (Hrsg.): Die Zukunft der Bildung. Frankfurt a. M. 2002, S. 100–150.
Brüning, Barbara: Philosophieren in der Sekundarstufe. Methoden und Medien. Weinheim, Basel, Berlin 2003.
Brüning, Barbara: Philosophieren in der Grundschule. 2. Auflage. Berlin 2010.
D-EDK, Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (Hrsg.): Lehrplan 21. Grundlagen. Luzern 2016.
D-EDK, Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (Hrsg.): Lehrplan 21. Natur, Mensch, Gesellschaft. Kompetenzaufbau. Luzern 2016.
Freudenberger-Lötz, Petra: Theologische Gespräche mit Kindern. Untersuchung zur Professionalisierung Studierender und Anstösse zu forschendem Lernen im Religionsunterricht. Stuttgart 2007.
Gorard, Stephan; Siddiqui, Nadia & Huat See, Beng: Philosophy for Children. Evaluation report and Executive summary. Durham 2015.
Jung,