und Tun bestärken und denken Sie in Chancen und Möglichkeiten, statt in Gefahren und Bedrohungen. Das ist einfacher gesagt als getan, das ist mir bewusst.
Mut.Fragen
Welche Ängste gibt es in Ihrem Unternehmen? Wie sicher fühlen Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz? Wie motiviert und engagiert sind Sie und Ihre Mitarbeitenden?
Unsicherheit statt Freude am Arbeitsplatz
Digitaler Wandel, künstliche Intelligenz, Robotik, VUKA-Welt, Blockchain und Disruption sind nur einige Schlagwörter, welchen wir täglich in den Wirtschaftsmedien begegnen. Ganze Branchen verschwinden, neue Berufe entstehen, und 60% bis 70% aller Berufe, welche die Kinder der Millennials – die Generation Alpha (zwischen 2010 und 2025 Geborene) – einmal ausüben werden, gibt es noch gar nicht. Wie gehen wir alle mit diesem schnellen Wirtschafts-Wandel um? Wie setzen Unternehmen den Mut zum Wandel frei und wie reagieren Mitarbeitende darauf? Welche Rolle spielt dabei die Mut-Mentalität jedes Einzelnen von uns? In vielen Unternehmen herrscht große Unsicherheit oder sogar Angst. Nach der Reorganisation bedeutet vor der Reorganisation, und immer wieder müssen sich Führungskräfte erneuten Bewerbungsrunden, Assessments und neuen Organisationsstrukturen stellen. Was gestern noch mit Organigrammen organisiert wurde, geschieht heute projektbasiert, holokratisch, agil und in Sprints.
In meiner Arbeit mit Unternehmen, Organisationen sowie mit Fach- und Führungskräften stelle ich immer wieder fest, dass in der Businesswelt Ängste alltäglich, wenn auch oft diffus sind. Man spricht nicht darüber oder gesteht sich selbst nicht ein, Angst zu haben. Dabei muss es sich nicht immer um die nackte Angst im Nacken handeln. Es können unliebsame Gedanken innerhalb des Teams sein, aber auch bedrückende Situationen mit dem Chef, fehlende Identifikation mit strategischen Entscheidungen oder eine schleichend auftauchende Unzufriedenheit. Oder die einfache Angst, eine klare Entscheidung für sich selbst und seine persönliche Karriere zu treffen. Dazu gesellt sich oft die allgemeine Unsicherheit gegenüber der wirtschaftlichen Zukunft und um den eigenen Arbeitsplatz. Ein gedanklicher Nährboden, der kumuliert zu diffusen, aber nicht minder bedrückenden Ängsten führen kann.
Patienten sterben, Flugzeuge stürzen ab, Finanzinstitute erleiden Imageverluste, Dieselskandale werden jahrelang vertuscht, weil Mitarbeitende Angst haben, sich einzubringen, ihre Stimme zu erheben, ihre Meinung zu äußern oder Bedenken anzubringen. Zu groß scheint das Risiko, sich zu exponieren, sich dabei lächerlich zu machen, abgekanzelt, ignoriert, gedemütigt oder beschuldigt zu werden. Die Angst vor Gesichtsverlust und Aberkennung ist meist so groß, dass viele Mitarbeitende lieber klein beigeben, schweigen und Dienst nach Vorschrift verrichten. Den meisten Führungskräften ist nicht bewusst, wie stark ein angstfreier Austausch in den Firmen durch das Risiko behindert wird, eine soziale Abwertung zu erfahren. Sie ahnen daher auch nicht, wie weit verbreitet diese Angst überhaupt ist. Gemäß einer Studie der drei Managementprofessorinnen Frances J. Milliken, Elizabeth W. Morrison und Patricia F. Hewlin der New York University unterdrückten 85 Prozent der befragten Angestellten schon einmal eine Aussage gegenüber ihrer Führungskraft, obwohl sie sie für wichtig hielten. Aus Angst vor sozialer Abweisung. Abhängig vom beruflichen Kontext können die Konsequenzen fatal sein. Viele dieser diffusen und subtilen Ängste – gerade im Businesskontext – sind einfach nach wie vor tabu.
Unsicherheit am Arbeitsplatz führt zu Demotivation und leider viel zu oft sogar in Burnouts und Depressionen. Die Studie »Jobzufriedenheit 2019« der ManpowerGroup weist jeden Zweiten als unzufrieden mit seinem Job aus! Diese Gruppe leistet bestenfalls Dienst nach Vorschrift. Bestenfalls! Ein Fünftel aller Mitarbeitenden hat bereits innerlich gekündigt und handelt entsprechend unmotiviert oder sabotiert gar die eigene Firma. Innerhalb des D-A-CH-Raums (Deutschland, Österreich, Schweiz) unterscheiden sich die Ergebnisse nur marginal. Das alles kostet immens an Geld!
Interessant in diesem Zusammenhang ist die folgende Erkenntnis aus meiner Coaching-Praxis. In Einzelcoachings sprechen meine Klienten selten von expliziten Ängsten und Unsicherheiten. Sie erzählen vielmehr von all den Dingen, die nicht zu ihrer Zufriedenheit sind oder sie sogar frustrieren. Sie berichten von all den vermeintlich schlechten Situationen, Mitarbeitenden, Vorgesetzten, Bedingungen, Projekten und Teams. Sie zählen all die unliebsamen Dinge auf, um die ihre Gedanken ständig kreisen, und ihr Kopfkino läuft und läuft. Solange jedoch unsere angsterfüllten Gedanken zu viel Raum einnehmen, vernebeln sie unsere Sicht auf machbare Lösungen, Möglichkeiten und Chancen. Die passende Frage hierzu lautet also: Was möchten man denn stattdessen? Was wäre ein Idealzustand? Was genau stört, was ist unangenehm, was bedrückt eine Person konkret? Wo genau sitzen die Schmerzpunkte, die all diese Unsicherheiten und diffusen Ängste auslösen?
»Life is a Dive« – Warum man nicht alle Barrakudas zeigen sollte
Sogenannte Confined Water Sessions – Tauchgänge im Flachwasser bis maximal 5 Meter Tiefe – können langweilig sein oder viel Spaß machen. Das ist stark abhängig von den Studenten, die man als Tauchlehrer ausbilden und begleiten darf. Gemeinsam trainiert man unter Wasser Dinge wie »vollgelaufene Maske entleeren«, »Atemgerät wiedererlangen«, »Bleigurt aus- und wieder anziehen«, »Atmung aus alternativer Luftversorgung«, »Atmen aus abblasendem Atemgerät« usw. An diesem Tag war es alles andere als langweilig. Das lag nicht an den Teilnehmern des Kurses, zwei Gästen aus Köln. Sondern an etwas, das ich sah, meine Schüler jedoch nicht wahrnahmen. Und das war in diesem Moment sehr hilfreich.
Während meine beiden Studenten auf drei Meter Tiefe im Halbkreis auf dem Sandboden der Bucht kniend vor mir sitzen und ich die Übung »Atemgerät wiedererlangen« demonstriere, erblicke ich genau in jenem Moment, in dem ich den Lungenautomaten1 aus dem Mund nehme, hinter meinen Schülern einen riesigen Barrakuda! Hier, in ungewohnt flachem Wasser, unweit des Sandstrandes, scheint er uns unter direkte Beobachtung zu nehmen. Ich sehe seine kullernden Augen auf uns starren, so nahe schwebt er vor mir. Zwischen dem Raubfisch und mir befinden sich meine Schüler – mit dem Rücken zu ihm. Ich stelle fest, dass ich nicht mehr bei der Sache bin, sondern immer wieder den Barrakuda fixiere. Barrakudas sind fleischfressende Raubfische, können die Größe eines ausgewachsenen Menschen und bis zu 25 kg Gewicht erreichen und gehören normalerweise zu den wünschenswerten Begegnungen unter Wasser. Normalerweise! Doch ganz sicher nicht auf drei Meter Tiefe, während der ersten Confined Water Session mit Schülern, die das erste Mal unter Wasser sind! Ich habe tiefsten Respekt vor diesen majestätisch anmutenden Raubtieren, zumal sie in manchen Gegenden mehr als Haie gefürchtet sind. In diesem Moment kommt mir dieser silbrig schimmernde Zuschauer jedoch ziemlich ungelegen. Barrakudas gelten als unberechenbare, blitzschnelle Jäger, die insbesondere dann angreifen, wenn sie sich gestört fühlen. Auch von blinkenden und blitzenden Gegenständen fühlen sie sich angeblich irritiert und sollen dadurch zu Angriffen verleitet werden. Unfälle kommen zwar äußerst selten vor, doch ein Biss kann verheerende Folgen haben, da der Barrakuda über ausgeprägte Unterkieferzähne verfügt, die tiefe Wunden hinterlassen können. Während sich in meinem Kopfkino die blutigsten Szenarien und deren Konsequenzen abspielen, versuche ich zeitgleich, nach potenziell blinkenden Gegenständen an meinen Studenten und am Tauchmaterial Ausschau zu halten und ruckartige, schnelle Bewegungen zu vermeiden. Zudem bin ich fokussiert, das mögliche Risiko abzuschätzen und mir dabei keinesfalls etwas anmerken zu lassen! Ich bewege mich noch langsamer, weicher und geschmeidiger, als ich das in üblicher Vorbild-Manier und in Confined Water Sessions ohnehin schon tue. Mit Handzeichen gebe ich meinen Schützlingen zu verstehen, dass die Beschaffenheit des Sandbodens zu wellig und nicht optimal für unsere Übung ist. Dieses Ablenkungsmanöver soll dazu dienen, uns ohne Panikmache in größere Distanz des Raubtiers zu bewegen. Während ich rückwärts schwimme und meinen Schülern ein weiteres Handzeichen gebe, mir zu folgen, schweift mein Blick – hinter der Maske getarnt – zwischen meinen Schülern und dem Barrakuda hin und her. Da es sich für meine Schüler um die erste Unterwasser-Erfahrung handelt und sie dadurch in ihren Bewegungen noch nicht wirklich sicher sind, kann ich nicht beurteilen, wie sie reagieren, wenn ich mein Geheimnis, welches sich direkt hinter ihnen befindet, verraten würde. Ebenso wenig kann ich abschätzen, wie der Kollege mit dem