hart, wenn ich nicht sofort verstehe, dass du andere Regeln möchtest, als die, die ich kenne, ok? Wenn du möchtest, dass ich mich hinlege, dann reicht es, wenn du mir mit ruhiger Stimme sagst ‚ablegen‘ und auf eine Stelle zeigst, die du dir für mich ausgesucht hast. Schrei nicht, schimpfe nicht, das bin ich nicht gewohnt. Und habe bitte Geduld. Unter uns gesagt: du weißt nicht, was du verpasst. Es gibt nichts Schöneres für mich, als Kontaktliegen, und es ist ein ganz besonderes Zeichen von Zuneigung, wenn ich den Körperkontakt zu dir suche. Wenn ich versuche, zu dir ins Bett zu krabbeln, dann habe ich dich in mein Herz geschlossen.“
Ganz egal, was in diesem Buch stand, der Hund würde nicht im Bett schlafen. Punkt.
Skeptisch betrachtete Norbert den schlafenden Vierbeiner im Flur. Würde der überhaupt den Weg nach oben finden, wenn er heute Nacht wach würde? Würde er vielleicht doch jaulen? Wie würde er darauf aufmerksam machen, dass er raus müsste? Sollte er ihn wecken und ihm einen Gutenacht-Baum anbieten?
„Nobbi?“, fragte Norbert leise. „Musst du nochmal raus?“ Augenblicklich öffnete der Hund die Augen und sah ihn an. Dann stand er auf, reckte und streckte sich und schaute zur Tür. Da! Das bedeutete garantiert „Ja, gerne!“
Norbert stand auf, suchte die Leine und befestigte sie an seinem Halsband. Dann wickelte er den Hausmantel enger um sich, sagte „Aber nur kurz!“ und ging nach draußen. Der erste Baum stand nur ein paar Meter weiter rechts, und Nobbi ging zielstrebig dorthin, hob das Bein und pinkelte. Und pinkelte. Und pinkelte.
‚Meine Güte, was hast du denn eben im Garten gemacht, wenn du noch so einen Druck hast?‘, fragte sich Norbert und schüttelte den Kopf. So genau hatte er nicht darauf geachtet, was der Hund getrunken hatte. Wahrscheinlich war die Schüssel in der Küche leer. Ihm wurde allmählich kalt, und die unglaubliche Stille draußen dröhnte geradezu in seinen Ohren. Die Nacht war vollkommen windstill. Der Regen hatte aufgehört. Es war kalt. Ein fantastischer Wintersternenhimmel entfaltete sich über ihnen. Irgendwo in dem nahen Wald brüllte ein Rehbock. Was für eine atemberaubende Atmosphäre! Wieso wirkte das nie so, wenn er abends spät hier ankam? Norbert musste zugeben, dass er selten bewusst schweigend ein paar Minuten in der Nacht gestanden, gelauscht und geschaut hatte. ‚Draußen‘ war für ihn eigentlich nur die Strecke, die man überwinden musste, um von einem Gebäude ins nächste zu kommen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie ein Penthouse in der Stadt gehabt. Bettina war diejenige gewesen, die für Natur in jeder Form schwärmte. Sie hatte stundenlang auf der Terrasse sitzen wollen, um die Stille zu genießen. Sie war es, die Sterne beobachtete und Sternschnuppen entdeckte. Gerettet hatte sie das aber auch nicht, dachte Norbert bitter. Dennoch blickte er in den funkelnden Himmel und wünschte sich, sie könne ihn jetzt sehen.
Nach einer kleinen Ewigkeit war der Hund fertig, drehte sich auf dem Absatz um und zog ihn zurück ins Haus.
„Gut gemacht“, lobte Norbert, als er die Leine an die Garderobe hängte. Er musste gähnen. Egal, was in dem Buch stand, der Hund kam nicht ins Bett.
Das Feuer im Kamin war bis auf eine schwache Glut abgebrannt. Er löschte das Licht. Dann entschied er sich, den Hundekorb mit hinauf zu nehmen und dem Hund einen Platz in der Nähe des Bettes anzubieten.
Nur, dass der Hund ihm nicht nach oben folgte. Konnte er etwa keine Treppen steigen?
„Komm rauf, Nobbi!“, lockte Norbert, aber der Hund blieb mit eingekniffenem Schwanz am Fuß der Treppe stehen.
Er rührte sich auch nicht, als sein neues Herrchen zum zweiten Mal an ihm vorbei ging und die Schüssel mit Wasser nach oben trug. Erst als er beim dritten Mal mit angewidertem Gesicht das Wildschweinspielzeug aus der Tüte zog, es ihm hinhielt und dann langsam damit nach oben ging, schien der Hund überredet.
Vorsichtig erklomm er Stufe für Stufe und ließ sich so bis ins Schlafzimmer locken. Dort stand der Korb am Kopfende des großen Bettes, daneben ein Napf mit frischem Wasser. Norbert bettete vorsichtig die zerzauste Sau.
Dann schloss er sicherheitshalber die Tür. Das fehlte ihm gerade noch, dass der Hund heute Nacht durchs Haus streifte und Claudia bejammerte. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und eigentlich gefiel es ihm gut, Gesellschaft zu haben.
Er deutete auf den Hundekorb, sagte ‚Ablegen‘, und der Hund legte sich hin. Norbert setzte sich auf die Bettkante, zog seine Hausschuhe aus und sah auf das Foto auf dem Nachttisch. Er drehte es ein wenig. „Bettina, darf ich vorstellen? Mein Hund Nobert, genannt Nobbi, niemals aber Pupsi.“ Der Hund hatte ihn aufmerksam beobachtet und den Kopf ein wenig schräg gelegt. Bei dem Wort ‚Pupsi‘ hatte Norbert den Eindruck, als hätten sich seine Augen ein wenig geweitet, als hätten sie reagiert auf etwas, das für den Hund wie eine Stimme aus der Vergangenheit geklungen hatte, eine Ahnung von Liebe und Vertrautheit. Norbert stutzte.
„Niemals Pupsi“, wiederholte er, und wieder meinte er, Überraschung im Blick des Hundes zu erkennen.
Norbert beugte sich vor, nahm vorsichtig den Kopf des Hundes zwischen die Hände und streichelte ihn sanft. Dann flüsterte er: „Niemals Pupsi, verstanden?“
Das leichte, nur angedeutete Stupsen der kalten Hundenase gegen seine eigene deutete er als Nicken.
Norbert ließ den Hundekopf vorsichtig los, legte sich hin, deckte sich gemütlich zu und schaute von Bettinas Bild noch einmal zu dem Tier, das sich wieder zusammengerollt hatte. Als er das Licht ausknipste, meinte er kurz darauf einen tiefen Seufzer zu hören, dem er sich nur zu gerne anschloss.
Kapitel 12
Von jungen Eltern ist bekannt, dass sie einen sehr leichten Schlaf haben, wenn der Nachwuchs anfangs mit im elterlichen Schlafzimmer schläft. Man steht bei jedem Geräusch senkrecht im Bett. Erst mit der Zeit lernt man wieder, entspannt durchzuschlafen.
Wer mit mehr als fünfzig Jahren einen wildfremden Hund in der ersten Nacht mit ins Schlafzimmer nimmt, geht durch eine ähnliche Hölle.
Norbert und Bettina hatten keine Kinder, und so wusste er nur aus der Theorie, dass es klug war, sich schlafend zu stellen, bis man entschieden hatte, ob das, was einen weckte, ein Notfall oder nur normale Geräusche eines unruhigen Zimmergenossen waren.
In ihrer ersten gemeinsamen Nacht, die schlaftechnisch in überschaubare Halbstundenabschnitte zerstückelt wurde, lernte Norbert leise Laufgeräusche auf Parkett von lauten Saufgeräuschen unterscheiden. Er lernte anhaltendes Scharren und Rumoren im Körbchen von langgezogenem Schnarchen und atemlosem Japsen unterscheiden, und nur beim ersten Mal erschrak er über das Grunzen des Wildschwein-Kuscheltiers.
Als er irgendwann endlich einschlief und nach gefühlten Sekunden schon wieder aufwachte, wusste er nicht, was ihn dieses Mal geweckt hatte. Er fühlte sich mehr als nur gerädert. Das dumpfe Pochen einer durchzechten Nacht hämmerte in den Schläfen. So hatte er sich vor Monaten das letzte Mal gefühlt, als er und sein Star-Autor Mike dessen astronomische Auflagenhöhe bis in die Morgenstunden mit Whisky begossen hatten.
Mit einem Stöhnen drehte er sich auf die Seite. Er vermisste Bettinas gleichmäßigen Atem neben sich. Ach, Bettina! Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er schwören können, sie läge neben ihm und hauchte ihm ins Gesicht. Wie albern.
Wie spät war es wohl? Schien schon die Sonne oder noch der Mond? Vorsichtig zwang er seine Lider hoch. Und ließ sie sofort wieder fallen. Vier Augen starrten ihn an. Zwei große braune und zwei gebrochene, tote.
Vorsichtig lugte er zwischen seinen Wimpern hervor und hoffte, keiner der beiden Eindringlinge würde etwas bemerken.
Die tote Sau, die Nobbi ihm liebevoll direkt vors Gesicht gelegt hatte, blieb völlig unbeteiligt. Nobbi dagegen konnte die Fassade vornehmer Zurückhaltung nicht aufrechterhalten. Das vorsichtige Tock-Tock-Tock seines verhalten wedelnden Schwanzes verriet nicht nur seine Sitzhaltung, sondern auch sein zufriedenes Schmunzeln. Wie lange lag der Kopf dieses Hundes wohl schon bewegungslos auf dem Matratzenrand? War es möglich, dass Hunde einen wachstarren konnten? Na, wenigstens war er in der Nacht nicht ins Bett geklettert. Oder doch?
Während Norbert sich im angrenzenden Bad frisch machte, gab der neue Mitbewohner keinen