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Nick Francis 3


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und von hier verschwinden. Ihre stolze Galeere lassen wir im Hafen für sie zurück.«

      »Sie wollen sie also wirklich am Leben lassen, Käpt’n?«, fragte der Bootsmann.

      »Wieso denn nicht, Mr. Donovan, was meinen Sie, wie langweilig es uns wird, wenn diese Bande nicht ab und an hinter uns her ist. Und das werden sie sicherlich sein, wenn sie erst mal ihr Schiff wiederhaben. Außerdem sind wir ehrenhafte Piraten und keine Meuchelmörder.« Dann schaute er sich um, als suche er jemanden, und rief »Küchenjunge!«

      Ich schaute nach allen Seiten, keiner antwortete. »He, du Landratte, wo hast du dich verkrochen?«, brüllte der Kapitän.

      Erst jetzt begriff ich – ich war gemeint. Zaghaft hob ich den Arm und stotterte »Hi...hier!«.

      »Hier, Sir«, grollte Quinn, »und nächstes Mal meldest du dich sofort!«

      »Jawohl, Sir«, erwiderte ich und trat aus der Menge heraus.

      »Geh und hol alles Essbare, was du finden kannst. Brot, Zwieback, und wenn noch was da ist, auch Obst. Mach schon!«

      »Jawohl, Sir!«

      »Und ihr anderen macht, dass ihr an die Arbeit kommt!«

      »Aye, aye, Käpt’n«, hallte es im Chor.

      Alles war so neu für mich und interessant obendrein. Die kurzen Kommandos, die Lieder, die Quinns Männer bei der Arbeit sangen, das Ausrichten der Segel, das Quietschen der gewaltigen Flaschenzüge beim Bewegen von Lasten, das Knacken und Knarren in jedem Winkel der Galeere, der Geruch nach feuchtem Holz und Stoff, dem Meer und die vielen anderen fremden Gerüche und Geräusche.

      Ich sah, wie Quinns Männer kleinen Äffchen ähnlich in den Wanten hin und her sprangen und wie der Wind die Segel füllte, doch leider konnte ich mir das Schauspiel nicht länger ansehen. Zwar sträubte sich alles in mir dagegen, nach unten in die Kombüse zu gehen, aber ich überwand mich – immerhin waren es nur noch ein paar Stunden, dann würde ich das Schiff verlassen.

      In der Kombüse saß der Smutje am Tisch und pulte sich mit einem Messer den Dreck unter den Nägeln heraus. Na lecker! Neben ihm stand sein treuer Begleiter, die Flasche Rum.

      »Da bist du ja, du fauler Hund!«, war sein netter Gutenmorgengruß. »Ihnen auch einen schönen guten Morgen«, antwortete ich freundlich. In wenigen Stunden würde ich diesen Schmierlappen los sein, an Land war ich frei und würde nichts mehr mit ihm zu schaffen haben. Diese Aussicht half, höflich zu sein, denn in ein paar Stunden würde es nur noch heißen: und tschüss ...

      »Der Käpt’n hat mir aufgetragen, Brot und Zwieback an Deck zu bringen und Obst, wenn noch welches da ist. Wir sind bald im Hafen von Kordina.«

      »Tu, was du nicht lassen kannst. Äpfel sind hinten im Lager.« Das war alles, was wir miteinander sprachen. Ich ging ins Lager und entdeckte die etwas angefaulten Äpfel in einem Fass. Zwei Kisten mit Zwieback standen so da, als warteten sie nur auf mich, ebenso die acht harten Brote, die in Leinentücher eingewickelt waren. Als Krönung fand ich noch einen fußballgroßen Schinken. Nach und nach schleppte ich alles an Deck, wo die Mannschaft wie eine Horde hungriger Löwen über das Zeug herfiel.

      Zwei Stunden später wurden drei Beiboote zu Wasser gelassen. Darin befanden sich bereits die letzten Essensreste, die ich zusammengekratzt und in den Booten verstaut hatte. Als die Boote im ruhigen Wasser schaukelten, ließen wir die Gefangenen nacheinander an einer Strickleiter runterklettern.

      »Wenn Sie sich beeilen, haben Sie in drei Tagen Ihre Venus wieder, Kapitän Loco. Sie wird im Hafen von Kordina auf Sie warten!«, rief Kapitän Quinn nach unten, und auf ein Zeichen von ihm wurde ein Seesack zu den Männern herunter gelassen. »Hier, noch ein kleines Abschiedsgeschenk von mir, damit Sie für Ihren Fußmarsch ein bisschen besser gerüstet sind.«

      Kapitän Loco riss den Sack auf und zum Vorschein kamen ein paar Messer und drei Pistolen.

      »Sie sind ja mächtig um unser Wohl bemüht, Kapitän Quinn. Hoffentlich werden Sie das nicht eines Tages bereuen, denn eines verspreche ich Ihnen, wenn wir uns wiedersehen, hat Ihr letztes Stündlein geschlagen. Dann gehört die nächste Planke Ihnen!«

      »Wir werden sehen … vielleicht lasse ich Sie dann nicht noch mal davonkommen, und nun gute Reise, meine Herren!« Mit diesen Worten wurden die Seile gekappt, mit denen die Boote an der Venus vertäut waren. Kapitän Loco gab den Befehl zum Rudern, er wollte so schnell wie möglich an Land. Das wollte auch unser Kapitän, und da seit einer Stunde nur noch eine leichte Brise wehte, gab er uns denselben Befehl. Es sollte dieses Mal eine angenehmere Ruderpartie werden. Keiner brüllte uns an und drohte mit Peitschenschlägen. So zu rudern – und selbst wenn ich es einen Tag lang tun müsste – war mir tausendmal lieber als auch nur eine weitere Stunde in der Kombüse zu verbringen. Der Trommler, der sich uns als Fredo vorgestellt hatte, war nicht mit ausgesetzt worden. Das hatte man wohl vergessen oder er gehörte mit zum Inventar, genau wie der Smutje. Fredo gab also weiter den Rhythmus vor und die Männer sangen ein paar Seemannslieder, die ich alle nicht kannte. Einmal stimmte ich »Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste« an, aber den Text kannten wiederum diese Kerle nicht und dabei ist es doch das Seeräuberlied schlechthin. Das zweite Lied, das ich im Repertoire hatte, war das vom Seeräuberopa Fabian, das sie aber auch nicht hören wollten, darum summte ich es nur leise vor mich hin, während die anderen ihre Lieder schmetterten.

      ***

      Der Anker klatschte ins Wasser und versank. Wir lagen auf Reede, einige Meter vor dem Hafenbecken neben vier weiteren Schiffen, da die Anlegestellen am Pier besetzt waren. Der Kapitän kam aus der Kajüte und trug eine Holzkiste voller kleiner Säckchen. Er ließ die Kiste vor seine Füße fallen und griff zwei heraus.

      »Männer, als kleine Entschädigung für die anfänglichen Unannehmlichkeiten an Bord überreiche ich jedem von euch im Namen von Kapitän Loco, der uns bedauerlicherweise schon verlassen hat« – alle lachten – »zehn Goldstücke.« Mit diesen Worten warf er die beiden Säckchen den zwei Männern zu, die ihm am nächsten standen.

       Ja, ist denn heut schon Weihnachten?

      »So«, fuhr Quinn fort, »und nun kommt her, jeder nimmt sich einen Sack, aber wehe, einer von euch Ratten wagt es, mehr zu nehmen, dem hacke ich persönlich die Hand ab, die danach greift!« Er drohte mit erhobenem Säbel. Als ich in die Kiste greifen wollte, schlug er mir mit dem Säbel auf die Finger. Aua! Zu eurer Beruhigung: Es war die flache Seite.

      »Was, du auch?«

      »Ja, Sir!«

      »Hast du dir das denn auch verdient? Ich hab dich nur beim Kistenhocken und Seilschlafen an Deck gesehen, aber nicht beim Arbeiten!«

      Einmal mehr war ich der Anlass, dass alle anfingen zu lachen, doch ich ließ mich nicht unterkriegen.

      »Unter Deck hab ich gearbeitet, Sir. Mir habt ihr es zu verdanken, dass ihr auf unserer Kreuzfahrt nicht verhungert seid. Denn von diesem versoffenen Schiffskoch hättet ihr bestimmt nichts bekommen!«

      »Was?! Für den Fraß willst du noch einen Lohn?«

      »Für die gekochten Kartoffeln und das Gemüse mit Schinkenspeck und dafür, dass ich gerudert habe, und dafür, dass ich die meiste Zeit in dieser stinkenden, stickigen Kombüse verbringen musste, und dafür ...«

      Der Kapitän hob die freie Hand und ich schwieg. Nachdenklich sah er mich an und zog den Säbel von meiner Hand.

      »Ganz schön mutig, unser Schiffsjunge, findet ihr nicht auch?«

      Wie die Mannschaft auf die Worte reagierte, brauche ich euch wohl nicht zu sagen, auf jeden Fall sollte es das letzte Mal sein, dass sich diese Kerle über mich kaputtlachten.

      Nachdem jeder, mich eingeschlossen, sein verfrühtes Weihnachtsgeschenk an sich genommen hatte, gab der Kapitän den Befehl, das verbliebene Beiboot zu Wasser zu lassen, und wählte einige Männer aus, die als Erste an Land rudern durften. Zwei von ihnen sollten dann wieder zurückschippern und weitere Männer aufnehmen, bis alle von Bord waren. Ich gehörte zur ersten Ruderpartie