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Nick Francis 3


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sagte ich und setzte nach, »nichts, womit ich groß angeben könnte.«

      »Hör dir den an, Käpt’n«, sagte der Mann, der den Becher gebracht hatte, und lachte. Inzwischen waren wir umringt von Männern aus Quinns Mannschaft. Sie stimmten in das Gelächter ein, bis die Stimme des Kapitäns das Grölen übertönte.

      »Was steht ihr hier so faul rum? Zurück an eure Arbeit, oder habe ich euch etwa gestattet, eine Pause einzulegen? Ab mit euch in die Wanten, ihr verlausten Affen, oder ich hol die Peitsche aus dem Ruderraum!«

      Rasch zerstreuten sich die Männer. Keiner schien von den Beleidigungen und den Androhungen von Peitschenschlägen gekränkt zu sein. Das ist wohl der gute Ton an Bord. Würde bei uns ein Chef so mit seinen Angestellten reden, hätte der doch gleich die Jungs von der Gewerkschaft am Hals. Und hier gingen die Männer einfach an die Arbeit, anstatt ihren Chef zu verklagen.

      Mit offenem Mund stand ich da und bestaunte die Professionalität der Männer, jeder Handgriff saß. Ohne darüber nachzudenken, ließ ich mich wieder auf die Kiste nieder. Kapitän Quinn sah mich mit funkelnden Augen an.

      »Sitzt du gut?«

      »Nein, Sir!«, sagte ich zackig und sprang ebenso wieder hoch.

      »Ich weiß noch nicht so recht, was ich mit dir anstellen soll. Du gehörst nicht zu meiner Mannschaft und bist nicht mal ein Seemann. Du scheinst ein Geheimnis mit dir rumzutragen, und ich weiß nicht, wo du herkommst. Aber das geht mich auch nichts an. Du bist jetzt an Bord meines Schiffes und das bedeutet für dich, dass du tun wirst, was ich dir befehle. Und der erste Befehl lautet: Geh nach unten in die Kombüse. Dort fangen alle Seemänner an. Der Smutje wird dir schon Arbeit geben. An Deck können wir dich nicht gebrauchen und geschrubbt wird hier erst am Sonntag.« Er lachte wieder und ging. Humorvolle Leute! Ich hörte noch seine Stimme über das Deck dröhnen. »Bootsmann!« Doch anstelle eines Bernhardiners kam ein grauhaariger Seemann im Laufschritt zu ihm.

      Und jetzt lade ich euch wieder herzlich ein, meine Freunde, begeben wir uns zum dritten Mal in ein unbekanntes Land. Macht es euch wie immer bequem, bringt etwas Zeit und Ruhe mit, dimmt das Licht oder holt die Kerzen aus der Schublade, schließt einen Moment die Augen und stellt euch vor, ihr seid an Bord einer Galeere mit Kurs auf eine abenteuerliche Reise ins Ungewisse. Kommt zu mir an Deck und seht was ich gesehen habe, erlebt was ich erleben musste.

      ***

      Wie gut, dass ich noch nicht wusste, welche Schindereien und Schikanen ich in den nächsten vierundzwanzig Stunden ertragen musste, als ich die Kombüse betrat. Nichts von wegen »Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön ...« Davon war hier an Bord zumindest für mich nichts zu spüren, geschweige denn zu sehen. Schon gar nicht mit diesem Smutje, einem kleinen, versoffenen Typen, dessen langes fettiges Haar unter einem speckig-schmutzigen Kopftuch heraushing. Dieser Kerl malträtierte mich ganze zwölf Stunden ohne Pause. Er gehörte, wie sich herausstellte, nicht zu Kapitän Quinns Leuten, als Einziger an Bord war er sein eigener Herr, kein Kapitän hatte ihm was zu sagen. Dass die ursprüngliche Mannschaft der Venus, so der Name der Galeere, durch die von Kapitän Quinn ausgewechselt worden war und der frühere Kapitän nun als Gefangener mitfuhr, interessierte ihn nicht im Geringsten. Der Smutje hatte nur eine einzige Pflicht und die bestand darin, das Essen pünktlich zu servieren, egal für wen. Und angeblich hinderte ich ihn daran.

      »Schäl gefälligst die Kartoffeln schneller! Die Männer wollen schließlich heute noch was essen. Und außerdem sollst du nur die Schale abziehen und nicht die halbe Kartoffel wegschmeißen, kapiert?!«

       Wie denn ohne Sparschäler? Ich habe noch nie in meinem Leben so Kartoffeln geschält – du Idiot!

      Und der Smutje brüllte weiter. »Die Töpfe sind noch dreckig von gestern! Also halt dich gefälligst ran und mach sie sauber.«

      Leider musste ich das allein über mich ergehen lassen, denn die zwei Gehilfen, die er zuvor gehabt hatte, waren jetzt an Deck beschäftigt. Es waren die beiden, die uns die Suppe gebracht hatten, und da die Jungs zu Kapitän Quinn gehörten, waren sie nun wieder an Deck. So hatte ich mehr oder weniger alleine die Aufgabe, ein Essen für etwa sechzig Mann zu kochen, denn bei Kapitän Quinn bekamen auch die Gefangenen was zu essen und nicht nur dünnes Brühwasser.

      Der Smutje lag die meiste Zeit in seiner Hängematte und trank. Und wenn er sich gerade nicht den Rum eintrichterte, beschimpfte er mich und scheuchte mich durch die Kombüse. Auch wenn Kapitän Quinn mich und seine Männer etwas ruppig anging, lag in seiner Stimme nicht diese Grausamkeit und Brutalität wie bei diesem Küchenschwein.

      Die einzige Gelegenheit für mich, an Deck zu kommen, war bei der Essensausgabe. Wie gerne wäre ich bei den Männern draußen an der frischen Luft gewesen, hätte das Schiff erkundet und wäre ihnen zur Hand gegangen. Auch wenn ich keine Ahnung von der Seefahrerei hatte, würde ich doch schnell lernen und zwei linke Hände hatte ich auch nicht. Doch stattdessen musste ich in der schmierigen, stinkenden Kombüse schuften, wo einem der Appetit verging. Wenn ich hier wieder raus bin, gehe ich als Erstes zum Gesundheitsamt und dann kommt der Mann mit dem weißen Kittel und macht den Laden hier dicht, kannste aber Gift drauf nehmen – du Möchtegernfünfsternekoch!

      Irgendwann, nachdem ich die letzten Blechteller gespült und alles einigermaßen an seinen Platz geräumt hatte, neigte sich mein erster Tag an Bord dem Ende zu. Schon eine ganze Weile hatte ich kein Geschrei mehr aus der Hängematte gehört, ich wunderte mich so lange, bis mir ein lautes Schnarchen das Ende meines Arbeitstages anzeigte. Der rechte Arm des Smutjes baumelte aus der Hängematte heraus, mit der linken hielt er die leere Rumbuddel umklammert. Sein dichter Bart war vollkommen verkrustet. Ich ließ ihn liegen und hoffte, dass ich nicht noch einmal so einen Tag erleben musste. Da hänge ich doch lieber kopfüber an einem Baum vor einem Banditen des Wilden Westens!

      Die frische Seeluft draußen an Deck war die reinste Wohltat. Mit dem Wind glitt die Venus sanft durchs Wasser. Sonne und Mond hatten gerade ihren Millionen Jahre alten Schichtwechsel vollzogen. Ein Teil der Besatzung lag an Deck, andere kletterten in den Wanten herum. Der Steuermann stand am Ruder. Von Kapitän Quinn keine Spur. Es war ruhig geworden. Jetzt hatte ich endlich Gelegenheit, das Schiff zu erkunden. Obwohl ich in Norddeutschland zu Hause bin und die See nicht weit ist, bin ich doch nur einige Male auf einem Schiff gewesen. Trotzdem wurde ich nicht seekrank, das Schaukeln machte mir nichts aus. Ganz im Gegenteil, ich werde gerne durch die Gegend geworfen. Keine Achterbahn oder Schiffsschaukel auf dem Hamburger Dom oder irgendeinem anderen Jahrmarkt ist vor mir sicher, und als Kind stand kein Karussell still, wenn ich in der Nähe war.

      Meine Erkundungstour führte mich auch in den Mannschaftsraum unter Deck. Einige lagen in den, wie sagt man hier, Kojen? Wobei die Kojen eher Regalfächern glichen, die sich bis zur Decke stapelten. In so einem Regal wollte ich nicht schlafen. Ich beschloss, nach draußen zu gehen und mir da einen Schlafplatz zu suchen. Nur eine herrenlose Decke nahm ich aus einem der Schlafregale mit.

      ***

      Zwischen zwei Seilhaufen schlief ich wie ein Stein, bis mich ein schriller Pfeifton aus dem Schlaf riss.

      »Aaalle Mann an Deck!«, brüllte der grauhaarige Bootsmann.

      Während ich mich in meinem Seilnest noch gemütlich streckte, ging das Gepolter los. Schwere Stiefel rannten über die Planken, aus allen Ecken kam die Mannschaft zum Vorschein. Um nicht gleich wieder Ärger zu bekommen, rappelte ich mich hoch und rannte den anderen hinterher zur Kapitänskajüte. Hier versammelten sich die Männer und unterhielten sich murmelnd, bis Kapitän Quinn die Kajütentür öffnete und in die ersten Sonnenstrahlen trat.

      »Was seid ihr nur für eine trübe Bagage? Mit so einer verschlafenen Bande ist wohl kein großer Fischfang zu machen!«

      Die Männer grummelten, doch Kapitän Quinn brachte sie mit einer wegwischenden Handbewegung zum Schweigen.

      »Ist ja gut, Leute, wir haben es bald geschafft. In Kordina könnt ihr euch von den Mädchen in den Schlaf kraulen lassen.« Bei diesen Worten machte sich Zufriedenheit auf den verknautschten Visagen der Seeleute breit, und der Kapitän sprach weiter. »In zwei Stunden werden wir das Hinterland von Kordina erreichen.