Daniel Decker

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diesem Zeitpunkt noch und sowohl McCartney als auch Lennon gaben Johns den Auftrag, ein fertiges Album zusammenzustellen und zu mischen. Johns griff dabei vor allem auf die Takes zurück, die er bereits Ende Januar auf Acetat presste. Damit ignorierte er die letzten Aufnahmetage, an denen oft bessere Takes entstanden. Er griff also kaum auf die Aufnahmen zurück, die beim Rooftop-Konzert bzw. einen Tag später im Studio entstanden waren. Mehrere Wochen mischte er das Material in den Olympic-Studios, während die Beatles selbst bereits am neuen Album arbeiteten. Anfang Mai präsentierte er seine erste Fassung, die er »Get Back with Don’t Let Me Down and 9 Other Songs« nannte, in Anlehnung an die erste LP der Beatles »Please Please Me (with Love Me Do and 12 other Songs)«. Als Opener wählte er das bisher unveröffentlichte McCartney/Lennon-Frühwerk »One After 909«, um die musikalische Rückkehr zu den Wurzeln deutlich zu machen. Während er bei »Get Back« auf seinen Single-Mix (ohne Coda) zurückgriff, präferierte er bei »Don’t Let Me Down« einen anderen Take für das Album. Außerdem mischte er Gesprächsfetzen und Songfragmente zwischen die vollwertigen Stücke. So waren neben den elf »offiziellen« Songs auch die Fragmente »Rocker«, »Save the Last Dance for Me«, das Traditional »Maggie Mae« und eine Reprise von »Get Back« enthalten. Für den ausgewählten Take von »Let It Be« wurde nachträglich ein neues Gitarrensolo von Harrison eingespielt. Die Band war allerdings wenig begeistert und gab Johns den Auftrag, die Aufnahmen noch mal nachzubessern. Also remixte er die Stücke, griff nun komplett auf die Single-Version von »Get Back« zurück und kürzte »Dig It«. Diesmal schien die Band zufrieden zu sein, denn mit dem Fotografen Angus McBean, der sie bereits für das Cover ihres Debüts »Please Please Me« ablichtete, wurden im EMI-Gebäude Aufnahmen für ein Cover geschossen. Das Bild sollte später Bekanntheit als Cover für das Blaue Album der Beatles erlangen, einer Compilation, die die Jahre 1967 bis 1970 abdeckte. Im Juni verkündete Lennon dann, dass das neue Album bereits im Juli erscheinen sollte.

      Da Lindsay-Hoggs erste Filmfassung nicht auf Gegenliebe der Fab Four stieß, wurde das Album allerdings abermals verschoben. Viel zu viel Streit und ein zu großer Fokus auf Lennon und Ono, lautete das Urteil. Am 25. August 1969 schlossen die Beatles dann die Aufnahmen zu »Abbey Road« ab und favorisierten dessen Veröffentlichung. Sechs Tage, bevor die Platte erscheinen sollte, verkündete Lennon bei einer Geschäftsbesprechungen seinen Ausstieg aus der Band, ließ sich jedoch von McCartney und Manager Allen Klein überreden, dies geheim zu halten, nicht zuletzt wegen der Verkaufszahlen. Außerdem war Klein zu dem Zeitpunkt in Vertragsverhandlungen mit der EMI und eine solche Nachricht hätte seine Position stark geschwächt. »Get Back« wurde daraufhin in den Dezember verschoben, ebenfalls um die Verkaufszahlen von »Abbey Road« nicht zu gefährden. Dennoch zirkulierten im September 1969 erste Bootlegs von »Get Back«. Dabei handelte es sich um Kopien der Acetate, die Johns Ende Januar und Anfang Mai erstellte. Nicht nur zwei durchaus verschiedene Versionen, sondern vor allem die Versionen, die die Beatles selbst ablehnten. Teilweise wurde die ganze Platte in Radiostationen gespielt, die die Raubkopien für Promoexemplare hielten. Dies sorgte wiederum für noch minderwertigere Mitschnitte, die dann nochmals als Bootlegs auf den Markt kamen.

      Im Dezember stellte Lindsay-Hogg seinen Film fertig und es ergab sich ein neues Problem. Zwei Songs, die im Film vorkamen, waren nicht auf der Zusammenstellung von Glyn Johns. Vielmehr gab es noch gar keine vernünftigen Tonaufnahmen, da die Stücke nur in Twickenham gespielt wurden. Bei »Across the Universe« wusste Johns sich zu helfen. Schließlich erschien im Oktober 1969 bereits eine Aufnahme vom Februar 1968 auf dem WWF-Benefizsampler »No One’s Gonna Change Our World«. Johns mischte neu ab und entledigte sich einiger Studiospielereien wie Vogelgezwitscher und einem Chor, um den Sound den rougheren »Get Back«-Aufnahmen anzugleichen. Problematischer war die Harrison-Komposition »I Me Mine«. Hierfür kamen die restlichen Beatles, Lennon war ja bereits ausgestiegen, am 3. Januar 1970 im Studio zusammen und nahmen das Stück unter Regie von George Martin auf. Am darauffolgenden Tag fanden dann die letzten Beatles-Aufnahmen statt. Für »Let It Be« spielten McCartney, Starr und Harrison neue Overdubs ein und am 5. Januar war »Get Back« endlich fertig. Da »Teddy Boy« nicht im Film vorkam, flog der Song aus der Zusammenstellung raus, und die neuen Stücke wurden von Johns mit Gesprächsfetzen versehen, um einen Livecharakter vorzutäuschen.

      Schicksalsschwer wogen die Aufnahmen zur Lennon-Solosingle »Instant Karma« Ende Januar 1970. Lennon, Harrison, der ebenfalls an den Aufnahmen beteiligt war, und Geschäftsführer Allen Klein waren so angetan von PHIL SPECTORs Produktion, dass sie ihm die Führung beim »Get Back«-Projekt überließen. Dieser griff im Gegensatz zu Johns vor allem auf die Aufnahmen des Dachkonzerts und der letzten Studiotage zurück und versah die Stücke »Across the Universe«, »I Me Mine«, »Let It Be« und »The Long and Winding Road« mit seinen üppigen Wall-of-Sound-Arrangements. Der ursprüngliche Charakter ging dadurch vollkommen verloren. Auch wenn Spector bei »One After 909«, »Get Back« und »For You Blue« auf dieselben Takes wie Johns zurückgriff und ebenfalls Gesprächsschnipsel zumischte. Mit Starr nahm Spector für einige Stücke sogar eigens neue Schlagzeugparts auf. Lennon und Harrison waren im Gegensatz zu Johns und McCartney zufrieden. Für diesen war das mittlerweile als »Let It Be« betitelte Album nahezu eine Kriegserklärung. McCartneys neues Soloalbum sollte nun am 10. April veröffentlicht werden, nur zwei Wochen vor der geplanten Veröffentlichung von »Let It Be«. Apple teilte ihm daraufhin mit, dass sein Album erst im Juli erscheinen würde, da am 28. April die Filmpremiere von »Let It Be« anstehe und es sich dabei um ein multimediales Projekt handle. McCartney insistierte und bestand weiterhin auf eine Veröffentlichung im April. Nachdem Harrison in seiner Funktion als Apple-Leiter ihm den 17. April als VÖ-Termin zusicherte, rief er Lennon an, um seinen Ausstieg zu verkünden. Am 9. April veröffentlichte McCartney eine Pressemitteilung, in der er verkündete, dass er nicht wüsste, ob seine Pause bei den Beatles dauerhaft wäre. Als Gründe nannte er persönliche, musikalische und geschäftliche Differenzen. Einen Tag später war dann in der Presse zu lesen, dass er die Beatles verlassen habe. Sehr zum Ärger von Lennon, der seinen Ausstieg geheim halten musste. Insbesondere zwischen ihm und McCartney war das Band damit gerissen. Aber auch Starr und Harrison nahmen McCartney seinen Zug übel, da er seinen Ausstieg nutzte, um sein Soloalbum zu promoten.

       ALLEN KLEIN

      Nicht nur Lennon war im Januar 1969 liebestoll. Auch McCartney war frisch in Linda Eastman verliebt und lernte im Dezember 1968 ihren Vater kennen. Lee Eastman war als Anwalt in der Musikbranche tätig und in den Augen McCartneys genau der richtige, um Apple geschäftlich auf Kurs zu bringen. Trotz erfolgreicher Platten verloren die Beatles durch ihre Firma Geld, etwas, das Lennon in einem Interview im Januar 1969 offen zugab. Wenn es so weitergehe, wären sie in sechs Monaten pleite. Dieses Interview wiederum rief Allen Klein auf den Plan, der sich Lennon anbot, die Geschäfte Apples zu führen. Neben all dem zwischenmenschlichen und musikalischen Zwist verhärteten sich auch hier schnell die Fronten. Lennon konnte Harrison und Starr schnell auf seine Seite ziehen, da diese befürchteten, dass Eastman als McCartneys zukünftiger Schwiegervater zu sehr in seinem Sinne agieren würde. McCartney versuchte mit Hilfe von Mick Jagger, der bereits einschlägige Erfahrungen mit Klein gemacht hatte, Lennon umzustimmen. Aber beim gemeinsamen Gespräch tauchte Lennon mit Klein im Schlepptau auf, woraufhin Jagger einen Rückzieher machte. Im Mai 1969 bekam Klein einen Dreijahresvertrag als neuer Geschäftsmanager der Beatles. Dieser strukturierte Apple rigoros um und setzte seine eigenen Leute auf wichtigen Posten ein. Apple Electronics wurde geschlossen und die Kündigung von Neil Aspinall konnte nur auf Einspruch der Beatles abgewendet werden. Mit der Beauftragung von Spector als Produzent von »Let It Be« war die Beziehung zu Klein für McCartney gelaufen. Auf Anregung von Lee Eastman klagte er gegen die restlichen Beatles auf Vertragsauflösung. Im Dezember 1970 bekam McCartney vor Gericht Recht und Klein konnte daraufhin keine Entscheidungen mehr im Namen der Band treffen. Aber auch die restlichen Beatles überwarfen sich in der Folge mit Klein. Harrison war unzufrieden, wie Klein mit den Geldern der Benefizshow »Concert for Bangladesh« umging. Dieser hatte vergessen, das Event als wohltätig anzumelden, weswegen die Einnahmen jahrelang aus steuerrechtlichen Gründen eingefroren wurden. Auch wurde Klein beschuldigt, sich selbst an den Verkäufen der Platte zum Konzert bereichert zu haben. Lennon wiederum fühlte sich und Ono zu wenig durch Klein unterstützt. Sein Vertrag wurde daraufhin nicht verlängert, woraufhin Lennon zähneknirschend zugab, dass McCartney wohl recht mit seinen Bedenken gehabt hätte.

      Klein