Daniel Decker

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Springsteen spielte die Demos der Songs zusammen mit Mike Batlan auf seinem Teac-Vierspurrekorder an einem Tag im Januar 1982 ein. Ganze 15 Stücke zeichneten die beiden bis tief in die Nacht auf. Für die meisten brauchte Springsteen nicht mehr als vier oder fünf Takes, darunter auch ein nicht ganz unbedeutender Song namens »Born in the USA«. An weiteren Tagen kamen einige wenige Overdubs hinzu, bevor die Songs abgemischt wurden.

      Springsteens Produzent und Manager Jon Landau war nach der Übergabe der Tapes sofort klar, dass die meisten Songs nur wenig Bearbeitung brauchten und im besten Falle von folkigen Arrangements getragen werden sollten. Einige Songs verlangten aber nach rockigeren Versionen. Also ging Springsteen mit seiner E STREET BAND ins Studio und nahm einige der Demos neu auf. Unter den zwölf Stücken dieser ersten Session befanden sich allerdings hauptsächlich Songs, die wir nicht von »Nebraska« kennen, sondern vom Nachfolger »Born in the USA«, neben dem Titelstück u. a. auch »Glory Days« und »Cover Me«.

      Erst in einer zweiten Session nahm die Band Stücke wie »Johnny 99«, »Mansion on the Hill«, »My Fathers House« und »Open All Night« auf. Das eigentliche Ziel, durch die Demos mit der Band effektiver im Studio zu arbeiten, erwies sich allerdings bald als Fehleinschätzung. Vielmehr vermisste Springsteen den rauen, folkigen Klang seiner ursprünglichen Aufnahmen. Mehr als einen Monat brauchte er, um sich sicher zu sein: Der Weg, den er mit Band eingeschlagen hatte, machte keinen Sinn.

      Also fragte er Tontechniker und Produzent Tobe Scott, ob es nicht möglich wäre, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen, indem man einfach die Demos mastern würde. Ein grandioser wie auch mutiger Schachzug, Nebraska wurde Blaupause für Lo-Fi-Singer-Songwriter*innen und eines der besten Alben des Bosses. Mit dem kompromisslosen Sound lief Springsteen allerdings Gefahr, Kritiker*innen wie Fans zu vergraulen. Das Album kletterte dennoch bis auf Platz 3 der Billboard Charts, und schon ein Jahr später wurde das Werk durch JOHNNY CASH geehrt, der zwei Songs der Platte coverte.

      Obwohl Springsteen gerne alte Schätze aus seinen Archiven kramt, sagte sein Manager Jon Landau 2006, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Bandaufnahmen, die Fans »Electric Nebraska« tauften, je erscheinen werden. Einzig und allein die Liveshows von 1984 und 1985 können einen Eindruck davon vermitteln, wie diese vielleicht klangen.

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      Offizielles Cover von »The Caution Horses«: Die Cowboy Junkies vor dem namensgebenden Sharon Temple.

       TECHNO POP: DER LANGSAME ZERFALL VON KRAFTWERK

      Im Februar 1982 begannen KRAFTWERK, den Nachfolger zu »Computerwelt« in ihrem eigenen Kling-Klang-Studio aufzunehmen. Nach ihrer Japan-Tour 1981 hatten sie die Idee zu einem eigenen Genre, das die Richtung für die neue Platte vorgeben sollte: »Techno Pop«. Gleich zu Beginn der Aufnahmen entstand ein gleichnamiges Stück, bei dem Kraftwerk sich von Debussy inspirieren ließen. Ralf Hütter, Karl Bartos und Florian Schneider fertigten gleich mehrere Versionen dieses Stücks an. Darunter eine mit einer Spiellänge von zehn Minuten. Dies wäre die erste Seite der neuen Platte geworden, wenn sie so wie ursprünglich geplant erschienen wäre. Zusätzlich lediglich drei weitere neue Stücke hinzu, von denen »Tour de France« als Vorabsingle veröffentlicht wurde. Bereits im April 1982 waren »Techno Pop«, »Sex Objekt« und »Tour de France« weitestgehend fertig.

      Zur selben Zeit befiel eine neue Leidenschaft die Musiker. Um zwischen den anstrengenden Touren auch körperlich fit zu bleiben, begeisterten sich Hütter und Schneider immer mehr für den Radsport. Vor allem Hütter wurde ein fanatischer Radfahrer. Bartos und Schlagzeuger Wolfgang Flür teilten diese Leidenschaft jedoch nicht. Während sich Bartos immerhin ab und an mal für eine Tour aufs Rad schwang, war Flür weniger begeistert. Es begann im Bandgefüge zu kriseln und Flür hatte den Eindruck, dass sich Hütter und Schneider mehr für Fahrräder als für Musik interessierten. Im Studio sammelten sich Fahrradketten, Reifen und nach Schweiß riechende Radlerklamotten.

      Im Frühsommer 1982 kam es dann zu einem Unfall. Bei einem Ausflug stieß Hütter mit einem anderen Radfahrer zusammen und stürzte. Er hatte sich eine Schädelfraktur zugezogen. Nach dem Unfall lag er vier Tage im Koma und musste den Aufnahmen einige Monate lang fernbleiben. Aus Hütters Sicht wurde die ganze Geschichte allerdings künstlich aufgebauscht: Für ihn war es nur ein kleiner Unfall mit wenigen Tagen im Krankenhaus!

      Bereits im Spätsommer fanden sich Hütter und Bartos wieder in den Kling-Klang-Studios zusammen und arbeiteten an »Der Telefon Anruf«. Das Stück, bei dem Bartos den Gesang übernahm, basierte auf einem von ihm daheim produzierten Demo mit dem Titel »Italo-Disco«. Kurz vor Weihnachten traf sich die Band am Rhein, um Coveraufnahmen zu machen, auf denen sie als Radfahrer abgelichtet wurden. Hütter versuchte seine Kollegen davon zu überzeugen, die Platte komplett dem Radsport zu widmen. Eine Idee, die Kraftwerk später mit den »Tour de France Soundtracks« wieder aufgreifen sollten. Allerdings wurde das Shooting wegen der Eiseskälte abgebrochen.

      Anfang 1983 finalisierte die Band »Tour de France« und setzte erstmals verstärkt auf Sampling. Das Freilaufen eines Rennrads und Atemgeräusche landeten im Sampler und wurden auch im finalen Song verwendet. Etwa zur selben Zeit trafen Hütter und Bartos sich mit Parlophone, um den Veröffentlichungstermin der neuen Platte zu besprechen. Nachdem schnell klar wurde, dass der ursprüngliche Titel »Technicolor« aus markenrechtlichen Gründen nicht möglich sein würde, fiel die Entscheidung, die Platte »Techno Pop« zu nennen. Wenig später entdeckte Hütter eine ungarische Briefmarke aus dem Jahr 1953 mit zwei Rennradfahrern und beschloss, dass dies das perfekte Cover sei. Er selbst fertigte eine Skizze an, auf der er die Anzahl der Rennradfahrer verdoppelte und in einer an Art Deco erinnernden Schrift »Techno Pop« als Titel hinzufügte. Finalisiert wurde das Cover mit den Gesichtern der Bandmitglieder im Profil, bei dem die Reihenfolge der Bühnenaufstellung entsprach. Das Cover des neuen Albums stand und auch die Aufnahmen neigten sich dem Ende zu. Im März begann die Band im Studio Rudas, in dem bereits »Computerwelt« den letzten Schliff bekam, die Platte erstmals abzumischen. Über eine Woche wurde an »Der Telefon Anruf« gearbeitet – ohne Erfolg. Also beschlossen sie, die Stücke in den Kling-Klang-Studios selbst zu mixen und in lokalen Diskotheken in Düsseldorf und Umland, wie z. B. dem Morocco in Köln, zu testen.

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      Ideenvorlage für das erste »Techno Pop«-Cover: ein ungarische Briefmarke von 1953

       KRAFTWERK: TECHNO POP (1984)

      01. Techno Pop [Das Stück hätte die gesamte A-Seite