E. S. Schmidt

Welt der Schwerter


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einmal, obwohl sie es wusste.

      In der Stimme der Frau lag nicht einmal mehr Resignation.

      »Ich bin seine Mutter.«

      ***

      Siluren ließ Kira in seine eigenen Räume im Rathaus von Bethelgard bringen. Hier hatten die Ärzte ausreichend Platz, um sie zu untersuchen.

      Der unnatürliche Schlaf, der sie gefangenhielt, ließ sie aussehen wie eine Tote. Die beiden Ärzte flößten ihr scharf riechende Elixiere ein, rieben ihr Salben in die Haut, rüttelten sie und schrien ihr in die Ohren. Einer hielt sogar ihre Hand über eine Flamme, und Siluren musste an sich halten, um ihm die Kerze nicht aus der Hand zu schlagen.

      Nichts zeigte Wirkung. Es war schrecklich, Kira so daliegen zu sehen, still und bewegungslos, die Decke bis ans Kinn gezogen. Es passte so gar nicht zu ihr.

      Die Ärzte absentierten sich, um sich in einem Nebenraum zu beraten. Das Hausmädchen Finny setzte sich neben das Bett und flößte Kira löffelweise Wasser ein. Zumindest schluckte sie.

      Siluren lief zur Tür, zurück zum Fenster und wieder zur Tür. Die Ärzte hatten hilflos gewirkt, und ihre Beratung war vermutlich eine Farce. Sie hatten keine Ahnung, was Kira zugestoßen war.

      Finnys Blick folgte ihm, und schließlich murmelte sie: »Ich glaube nicht, dass die Ärzte ihr helfen können.«

      Das war nur allzu offensichtlich. Aber Finny war schüchtern. Sie hätte das Wort nicht ohne Not an ihn gerichtet. »Du hast einen Vorschlag?«

      Sie zögerte. »Wenn jemand helfen kann, dann Magus Inselm.«

      »Ach!« Siluren machte eine unwillige Handbewegung und bereute es sofort, als Finny den Kopf einzog. Er zwang sich zu einem ruhigeren Ton. »Ich glaube nicht an diese Dinge.«

      Aber sie tat es, Kira, und wer wusste schon, welche Kräfte der menschliche Geist entwickelte, wenn er an etwas glaubte? Einen Moment lang stand Siluren unschlüssig mitten im Zimmer. Inselm. Das war der Magus, den er am Kanal so unfreundlich abgekanzelt hatte. Gerade ihn um Hilfe zu bitten war misslich. Aber weder sein Stolz noch sein Miusstrauen durften zwischen Kira und ihrer Rettung stehen. Er öffnete die Tür, vor der Leron Posten bezogen hatte. »Mache einen gewissen Magus Inselm ausfindig und bring ihn her. Zur Not mit Waffengewalt!«

      Leron salutierte und machte sich davon.

      Wieder nahm Siluren seinen unruhigen Gang auf. So ein schwarzgewandeter Scharlatan würde sicher nicht helfen können, aber er durfte nichts unversucht lassen. Schaden würde der Magus Kira jedenfalls nicht. Dafür würde er sorgen.

      Trotzdem wehrte sich alles in ihm dagegen, einem solchen Mann Kiras Schicksal anzuvertrauen. Zu oft hatte er gesehen, wie diese Magoi Angst verbreiteten, wie sie die Menschen um ihres eigenen Vorteils willen einschüchterten. Das einfache Volk glaubte ihnen, weil es nichts wusste von Wissenschaft und Technik. Das Wissen machte einen Gewittersturm nicht harmlos, und doch war er weitaus erschreckender, wenn man glaubte, die Geister rüttelten gerade am Himmelsrund und versuchten, in die Welt einzudringen. Nur das Licht des Wissens würde solchen Aberglauben vertreiben, doch die Magoi zogen es vor, die Menschen im Dunkeln zu lassen.

      Irgendwann klopfte es, und Magus Inselm trat ein, den schwarzen Mantel um sich geschlungen. Es war der gleiche Mann, den Siluren vor ein paar Tagen am Bootssteg so unwirsch abgefertigt hatte. Er hatte die Schultern gereckt und den Kopf erhoben. »Ich lege Wert auf die Feststellung, dass Ihr mich habt rufen lassen, Hoheit.«

      »Das habe ich.« Siluren wies auf das Bett. »Man sagte mir, Ihr könntet helfen.«

      »Mir sagte man, ich solle Euch nicht belästigen.«

      »Dann solltet Ihr das auch vermeiden. Könnt Ihr helfen?«

      Inselm sah noch immer nicht zum Bett hinüber. »Hoheit, es gibt Menschen, die dankbar sind für meine Unterstützung. Ich dränge mich niemandem auf. Aber ich helfe auch nicht aus reiner Freundlichkeit.«

      »Dann nennt Euren Preis. Wenn Ihr erreicht, was die Ärzte nicht vermochten, werde ich ihn bezahlen.«

      »Mein Preis«, sagte Inselm kühl, »sind die Erlaubnis, frei von Einschränkungen in Eurem Reich praktizieren zu dürfen, und der Titel eines königlichen Hof-Magus.«

      »Unmöglich!«

      »Dann, Hoheit, empfehle ich mich.« Inselm verneigte sich und schickte sich an, zu gehen.

      »Wartet!« Siluren war unschlüssig. Er wollte diesen ganzen Lug und Trug, den Aberglauben und die geheimen Lehren über die Geister aus seinem Reich vertreiben. Nur dann würden die Menschen frei sein von Furcht, nur dann würden sie ganz im hier und jetzt leben können.

      Aber was, wenn Inselms Wissen Kira tatsächlich retten konnte? Durfte er das ganz ausschließen?

      »Berater«, sagte Siluren schließlich widerstrebend. »Ihr dürft Euch Berater der Krone nennen.«

      Inselm dachte darüber nach. Dann nickte er. »Einverstanden. Ich verlange darüber einen schriftlichen Bescheid.«

      »Den werdet Ihr erhalten, wenn es Euch gelingt, sie aufzuwecken. Ich gebe Euch mein Wort.«

      »Das genügt mir, Hoheit.«

      Inselm trat ans Bett, und Finny erhob sich voll Ehrerbietung. Oder war es Furcht?

      »Dachte ich’s mir.« Inselm warf einen Blick auf die Decke, unter der sich Kiras Leib abzeichnete. »Der Page ist eine Frau.«

      Kira lag noch immer regungslos da. Nur ihre Augen bewegten sich unter den Lidern. Siluren wies Inselm darauf hin.

      »Sie träumt«, bestätigte der Magus. »Mehr als das, sie ist gefangen in einem Traum.«

      »Könnt Ihr sie befreien?«

      »Nicht von dieser Seite aus.«

      »Von der anderen?«

      Inselm seufzte. »Die körperlosen Gefilde sind weitläufig und in ständiger Veränderung begriffen. Ich bräuchte viele Versuche, um sie dort zu finden. Ich fürchte, so viel Zeit steht ihr nicht zur Verfügung.«

      »Wieso?«

      »Es gibt nur wenige Gründe, einen Menschen in einen Traum einzusperren. Ist sie im Traum eines Sterbenden gebunden, ist dessen Tod auch der ihre.«

      »Sie ist seit Stunden in diesem Zustand. Man hätte diesen ominösen Sterbenden längst töten können.«

      »Das hätte man. Womöglich will ihr Feind das nicht, um sie leiden zu lassen. Oder er hat zum jetzigen Zeitpunkt keinen Zugriff auf den Leib des Sterbenden.«

      »Also könnt Ihr ihr nicht helfen.«

      »Das habe ich nicht gesagt.« Inselm richtete sich auf. »Ich könnte einen anderen begleiten. Jemanden, dessen Gefühle sich nach dieser Frau ausstrecken, dessen Geist eine Verbindung zu ihr hat. Ein Verwandter zum Beispiel oder ein guter Freund.«

      Siluren blickte auf sie hinunter. »Sie hat niemanden.« Kira Idrastochter, stolz und stark, die niemanden brauchte und ihren Weg ganz alleine ging. »Außer mir.« Jetzt sah er Inselm an. »Ich bin bereit, es zu versuchen.«

      »Hoheit!« Leron trat einen Schritt vor. »Ihr dürft Euch nicht in solche Gefahr begeben!«

      Der Magus nickte. »Er hat recht. Der Hauch des Todes könnte Euch streifen.«

      Da war sie wieder, die Neigung, Angst und Furcht zu säen. Es ging nur um Träume, verdammt! Aber wenn Kira viele Tage in diesem Zustand blieb, konnte sie durchaus verhungern. »Sagt mir, was ich tun soll.«

      »Nun, Hoheit, zuerst müssen wir uns auf einen Ort einigen, an dem wir uns wiederfinden können.« Inselm griff in seine Robe und förderte ein Säckchen zu Tage. »Außerdem benötige ich einen Tropfen Eures und ihres Blutes«, er nickte zu Kira hinüber, »und schließlich werde ich einen Tee bereiten, der Euch hilft, zu dieser frühen Stunde in den Schlaf zu finden.«

      ***

      Schloss