E. S. Schmidt

Welt der Schwerter


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rüttelte den Prinzen an der Schulter, und tatsächlich schreckte der auf und sah sich verwirrt um.

      Inselm nickte Leron zu. »Ich erwarte den schriftlichen Bescheid, mit Namen und Siegel des Prinzen. Als Zeuge des Handels ist es Eure Pflicht, ihn inmitten all seiner wichtigen Geschäfte daran zu erinnern.«

      »Eure Mahnung ist eine Beleidigung, Magus. Das Wort der Krone ist über jeden Zweifel erhaben.«

      »Ich bitte um Vergebung.« Inselm verneigte sich und wandte sich zur Tür.

      »Magus!« Kira sprang aus dem Bett und störte sich nicht daran, dass sie nur ein Unterkleid trug. »Kann es wieder geschehen? Kann er mich wieder in einen Traum sperren?«

      Der Magus überlegte. »Er ließ Euch zum Sterben zurück, und wir entkamen nur knapp. Falls er Euch für tot hält, wird er Euch in den Strudeln nicht mehr suchen. Womöglich vernichtet er sogar Euer Blut.«

      Inselm ging, und der Prinz, dessen Blick sich inzwischen geklärt hatte, schickte auch Leron und Finny fort. Als sie beide allein waren, sagte er: »Ich erinnere mich an eine Mühle und einen Baum.«

      Die alte Mühle. Hatte sie tatsächlich ausgerechnet davon geträumt?

      »Außerdem an dich, in einem zerschlissenen Leinenkleid. Woran erinnerst du dich?«

      Sie schüttelte frustriert den Kopf, versuchte noch einmal, das diffuse Gefühl in ihrer Brust zum Bild zu verdichten. Tatsächlich kam eine Erinnerung. Die Erinnerung an einen hohen Giebelsaal. Aber sie hätte nicht zu sagen gewusst, ob es die Erinnerung an den eben verlassenen Traum war, oder an einen ganz anderen, älteren. Dann kam noch ein Bild.

      »Eine Frau, mager wie ein Gerippe. In einem Käfig.«

      Der Prinz schnaubte verächtlich. »Also waren wir gar nicht im gleichen Traum. Inselm ist nur ein Schwindler, und du bist nur aus reinem Zufall in seinem Beisein erwacht.«

      »Sagt das nicht.« Sie setzte sich auf die andere Seite des Bettes. »Dieser Baum an der Mühle, hat einer seiner Äste bis an das Dach gereicht?«

      »Also erinnerst du dich doch daran?«

      »Ja, aber nicht aus einem Traum. Ich habe in dieser Mühle gelebt.«

      Das Dach war ihr Zufluchtsort gewesen. Von dort hatte sie so oft beobachtet, wie die Müllerin nach ihr suchte, es schließlich fluchend aufgab und ins Haus zurückkehrte. Dann hatte sie sich auf die Schindeln gelegt und in den Tag geträumt.

      Nachdenklich sah der Prinz sie an. »Du glaubst also tatsächlich, Krolan habe dich in einen Traum eingesperrt und Inselm habe dich gerettet.«

      Inselm und er, Prinz Siluren. Gegen alles, was er für wahr hielt, hatte er sich in Magus Inselms Hand begeben. Die Hand eines Mannes, dem er misstraute. »Wenn Ihr nicht daran glaubt, warum habt Ihr Euch ebenfalls in den Schlaf versetzen lassen?«

      »Er behauptete, es sei nötig, um dich zu finden. Außerdem: Auch wenn ich nicht daran glaube, kann es wahr sein.« Er lächelte. »Falls dies Wirklich eine Gelegenheit gewesen wäre, Krolan selbst zu begegnen, hatte ich sie nutzen wollen.«

      Sie senkte den Blick. »Ich wünschte, ich könnte Euch versichern, dass ich Krolan nichts verraten habe.«

      »Aber du erinnerst dich nicht.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Man kann wohl üben, sich zu erinnern. Das tun die Magoi. Aber es ist schwer.«

      Er sah sie nachdenklich an. »Angenommen, das alles wäre tatsächlich wahr. Dann spräche Krolans Versuch, dich zu töten, nicht gerade für deine Kooperation.«

      Wie gern wollte sie das glauben! Wollte glauben, sie sei stark geblieben und wüsste selbst im Traum noch, wo ihre Loyalität lag. Aber es war zu riskant. Sie war eine undichte Stelle, eine mögliche Verräterin.

      Sie stand auf. »Tut mir leid, Hoheit. Ich hätte Euch schon viel früher von meiner Anwesenheit befreien müssen. Lebt wohl.«

      Seine Augen wurden groß. »Ich habe nicht verlangt, dass du gehst.«

      »Ich muss aber. Wenn ich bleibe, seid Ihr in Gefahr.«

      »Wenn du gehst, bist du in Gefahr.«

      Sie lächelte matt. »Ich bin ein großes Mädchen.«

      »Was, wenn Krolan dich noch einmal in den Schlaf zwingt? Nach Inselms Worten ist es nicht leicht, einen Menschen in jener Welt aufzuspüren. Dazu ist eine …«, er suchte nach dem richtigen Wort, »gefühlsmäßige Verbindung nötig. Du solltest also in meiner Nähe bleiben.«

      Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Hoheit, Ihr seid kein Magus. Ihr könnt nicht einmal erkennen, wenn Ihr träumt.«

      »Da magst du recht haben, aber es gibt mehr Magoi in Galathräa als nur Inselm.«

      Sie verschränkte die Arme. »Ihr wollt also sagen, es lässt sich in Galathräa leichter ein weiterer Magus finden als ein weiterer Freund Kira Idrastochters.«

      »Das fürchte ich, ja.«

      Ehe Kira antworten konnte, klopfte es, und auf Silurens Aufforderung hin trat Finny ein und knickste. »Vergebung, Hoheit, aber der Herzog von Etharold verlangt, Euch zu sprechen.«

      Der Prinz zögerte, unschlüssig. Offenbar wollte er das Gespräch so nicht beenden. Doch einen Herzog und Onkel ließ auch ein Prinz nicht warten, und so stand er auf und zog die Jacke straff. Mit strengem Blick zeigte er auf Kira. »Du wirst in diesem Haus bleiben, bis wir unser Gespräch beendet haben. Befehl der Krone!«

      Kapitel 3

      Man sagt mir, mein Gemahl liebe mich. Doch welch eine Liebe ist das, die mich einsperrt in dieses Schloss, die mir Tat und Rede verbietet? Auf die gleiche Weise liebt er auch seinen Hund!

      – 12. Akh’Eldash, 11. Eintrag, Vers 6

      Onkel Elim wünschte ihn zu sprechen – das war eine gute Nachricht. Offenbar ging es ihm besser. Siluren folgte Finny, die ihn nicht etwa zu Elims Gemach führte, sondern zum Ratssaal.

      Im Vorzimmer standen fünf Offiziere, und Siluren versuchte erfolglos, in ihren verschlossenen Gesichtern zu lesen. Offenbar wollte Elim zuerst mit ihm allein sprechen, bevor er seine Offiziere hinzu bat. Bald würden sie Silurens Offiziere sein.

      Diese Vorstellung war seltsam.

      Elim saß in einem Lehnstuhl am Feuer. Er war noch immer blass, seine Augen dunkel umrändert. Ein Pfeil hatte sich in den Knochen seiner Hüfte gebohrt, das war keine leichte Verwundung.

      »Du hättest noch nicht aufstehen sollen, Onkel. Wir hätten in deinem Gemach reden können.«

      »Damit meine Offiziere mich im Bett liegen sehen wie eine kranke Wöchnerin?«

      »Sie hätten sicher Verständnis dafür.«

      »Ach!« Elim machte eine unwirsche Geste. Falls er von den Vorgängen um Kira und den Magus gehört hatte, erwähnte er sie mit keinem Wort. Stattdessen fragte er: »Was tust du noch hier?«

      »Ich verstehe nicht …«

      »Dein Vater braucht meine Truppen in Adelmund. Er braucht dich

      Als hätte Ruothgar ihn jemals gebraucht! Als wäre Siluren für seinen Vater jemals etwas anderes gewesen als eine Enttäuschung und Last! »Ich werde sie ihm bringen. Darüber hatten wir bereits gesprochen.«

      »Du müssest längst unterwegs sein!«

      »Wir haben gestern erst eine Schlacht gewonnen.« Hatte die Medizin ihn das etwa vergessen lassen? »Die Männer haben bis tief in die Nacht gefeiert.«

      »Marschieren können sie auch mit Brummschädel. Krolan steht vor Adelmund, und sobald Trenkar ihm seine fehlenden Männer zuführt, wird er zum Angriff blasen. Denkst du, er wird sich darum scheren, ob seine Soldaten erschöpft sind vom Marschieren oder vom Feiern? Denkst du wirklich, er wird dir auch nur die kleinste Verschnaufpause gönnen?«

      Siluren