Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


Скачать книгу

bereits im Begriff begründet, denn in ihm „kreuzt sich ein antiker, an den ‚Mysterien‘ orientierter Begriff mit einem modernen, der auf Entwicklungspsychologie und Gesellschaftstheorie ausgerichtet ist“.9 Insofern ist im Folgenden zwischen dem griech.-lat. Ursprung des Begriffes und dessen heutiger Verwendung als Kategoriebezeichnung innerhalb von Anthropologie, Ethnologie und den Ritualwissenschaften zu unterscheiden.

      Der heutige Fachbegriff leitet sich vom Lateinischen initia / initio bzw. initiare ab, was zunächst „Anfang / anfangen“ bedeutet, hierbei allerdings als Übersetzung für die griechischen Begriffe μύησις, μυστήρια, ὄργιον und τελεθή verwendet wird, auch wenn sich „keines dieser griech. Substantiva […] auch nur annähernd mit dem lat. Wort“ deckt.10 Die Rekonstruktionsversuche zur ursprünglichen Bedeutung von dem Wortfeld um μύησις bleiben spekulativ,11 sicher scheint allein, dass sich die griechischen Begriffe zunächst auf die Geheimkulte von Eleusis und Samothrake – später auch auf andere – beziehen,12 und seit der hellenistischen Zeit im Lateinischen durch initia oder auch das Lehnwort mysteria „jeder etwas geheimnisumwitterte Kult“13 bezeichnet werden kann.

       2. Definition(en)

      In der Moderne wird der Begriff initiation als Ritualkategorie wieder aufgegriffen bzw. neu bestimmt,14 wobei bisher – wie bereits beim Begriff „Ritual“ – keine einheitliche Definition und mit ihr eine entsprechende Abgrenzung und Beschreibung dieser Kategorie gefunden werden konnte. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die begriffliche wie inhaltliche Grundorientierung zumeist auf die von van Gennep beschriebenen Passageriten,15 welche „nahezu gleichbedeutend mit ‚Initiation‘“16 verwendet werden, zurückgeht. Drei solcher Definitionen seien im Folgenden zitiert und sollen in ihren Übereinstimmungen, aber auch in ihrer gegenseitigen Weite die Grundlage für das Begriffsverständnis in dieser Arbeit darstellen:

      Mircea Eliade: „Im allgemeinen versteht man unter Initiation eine Gesamtheit von Riten und mündlichen Unterweisungen, die die grundlegende Änderung des religiösen und gesellschaftlichen Status des Einzuweihenden zum Ziel haben. Philosophisch gesagt entspricht die Initiation einer ontologischen Veränderung der existentiellen Ordnung. Am Ende seiner Prüfungen erfreut sich der Neophyt einer ganz anderen Seinsweise als vor der Initiation: er ist ein anderer geworden.“17

      Jan A.M. Snoek: „Initiations are all those, and only those, rites de passage, limited in time, and involving at least one subject participant, which are nonrecurrent transitions in time for their individual objects (the candidates).“18

      Anders Klostergaard Petersen: „A ritual of initiation represents a sub-class of the category ritual. The class covers three different types of rituals that mutually differ from each other by the subject of doing of the ritual, as well as the state into which the ritual participant through the ritual is incorporated. Rituals of initiation effectuate an irreversible transfer of individual persons into a higher state of being than the one they had prior to the ritual act.“19

       3. Beschreibung

      Konsensfähig bestimmt die Forschung drei Grundarten von Initiationsritualen: Ini­tiation in ein bestimmtes Alter, in eine Gemeinschaft oder einen Kult und schließlich in das Schamane- bzw. Priestersein.20 Da es als nahezu unbestritten gilt, dass Initia­tionsrituale eine Unterkategorie der sog. Passagerituale darstellen,21 wird für eine erste Beschreibung zumeist auf Beobachtungen von van Gennep zurückgegriffen, welcher für sämtliche Passagerituale drei Teilrituale und damit verbunden drei Phasen postuliert:22 1) „rites de séparation“ / „Trennungsriten“ – die Phase der Trennung bzw. Ablösung, welche oft als Prozess des Sterbens beschrieben wird; 2) „rites de marge“ / „Schwellen- bzw. Umwandlungsriten“ – die Phase der Umwandlung bzw. Schwelle, welcher zumeist ein Status der Heiligkeit zuerkannt wird;23 und 3) „rites d‘agrégation“ / „Angliederungsriten“ – die Phase der Integration, welche oft als Geburt oder auch Auferstehung gedeutet wird.24 Van Gennep weist jedoch darauf hin, dass die Ausprägung der einzelnen Phasen abhängig sein kann einerseits von der jeweiligen Kultur und andererseits von der Art des Passagerituals: „Trennungsriten kommen vor allem bei Bestattungs-, Angliederungsriten bei Hochzeitszeremonien vor. Umwandlungsriten können bei Schwangerschaft, Verlobung und Initiation eine wichtige Rolle spielen oder aber auf ein Minimum reduziert sein wie im Falle der Adoption, der Geburt des zweiten Kindes, der Wiederverheiratung, dem Übergang von der zweiten zur dritten Altersklasse usw.“25

      Daneben finden sich bei verschiedenen Forschern Beschreibungs- und Eigenschaftenkataloge, welche angesichts der Fülle und Vielfalt an Initiationsritualen das Verbindende und darin auch das Spezifische gegenüber anderen Ritualen herauszustellen:

      Arnold van Gennep weist darauf hin, dass Passagerituale normalerweise ein Erkennungszeichen haben, welches allerdings nicht von permanenter Qualität sein muss, sondern z.B. auch in Kleidung, Masken oder Körperbemalung bestehen kann.26

      Jan A.M. Snoek bietet eine Aufzählung von Eigenschaften, die Initationsritualen zueigen sind: „Initiations may be preceded by preparatory rites. […] The object of a rite de passage, and thus of an initiation, must fulfill certain predefined conditions in order to qualify for its role in the ritual. […] the object of an initiation is an individual person: the candidate.”27 Ein Ritual kann nicht lebenslang andauern und „one initiator should take part in the ritual, which renders ‚self-initiation‘ a contradiction in terms.”28 „Initiations are first-time-rituals which cannot be repeated (are nonrecurrent) for the same candidate. […] Through an initiation, one usually becomes a member of a group. In that case it is also the only means to become a member. […] As a rule, a candidate cannot have a stand-in, but must go through the ritual him/herself. […] Usually, taboos or instructions are supposed to help a candidate to avoid dangerous influences of the sacred during the liminal phase of ritual. […] Usually, the candidate is conducted by one or two guides or instructors. […] Usually, the initiated can be recognized by (permanent or removable) badges, obtained during their initiation.”29

      Anders Klostergaard Petersen ergänzt diese Beobachtungen: „The ritual participants in the ritual of initiation consist of one or, at the very maximum, a few individuals. It never includes an entire community or society. […] The qualitative changes acquired by the ritual participants through the completion of the ritual are of an irreversible nature, i.e. they cannot be lost unless, and very seldom, a new narratively staged ritual process is initiated.“30

      Mircea Eliade listet in ihren elaborierten Werk „Rites and Symbols of Initiation“31 eine Vielzahl an Elementen und Charakteristika auf, welche häufig bei Initiationsritualen anzutreffen sind: Bezugnahme auf frühere und kommende Zeiten und eine Verhältnisbestimmung zum Moment der Initiation, Bezugnahme auf mythische Gründungserzählungen, ggf. mit Wiederholung derer während der Initiation, Thematisierung der Gemeinschaft und der Stellung der Neophyten in ihr, dazu sind Prüfungen zu bestehen und sehr oft ein ritueller Tod zu erleiden, um danach ganz neu zu den Lebenden zurückzukehren oder auch ganz neu geboren zu werden.32

      Aus dieser Fülle an Elementen und Deutungen stechen Eliade zufolge bei religiösen Initiationen zwei Motive heraus:

      1) Religiöse (Initiations-)Rituale stellen die Wiederholung des Schicksals einer Gottheit oder aber der Schöpfung als Ganzes dar,33 „[d]enn die symbolische Wiederholung der Schöpfung impliziert eine Reaktualisierung des ursprünglichen Ereignisses und damit die Gegenwart der Götter und ihrer schöpferischen Energien.“34 Dabei kommt es zu einer Vereinigung zwischen der Gottheit und demjenigen, der im Ritual ihre Rolle spielt bzw. nachahmt.35

      2) Doch „[j]eder rituellen Wiederholung der Kosmogonie geht eine symbolische Regression zum ‚Chaos‘ voraus. Damit die alte Welt von neuem erschaffen werden kann, muß sie zuerst vernichtet werden. […] Im Szenarium der Initiationsriten entspricht der ‚Tod‘ der vorübergehenden Rückkehr zum ‚Chaos‘“.36 Dies zeige sich in folgender Weise: „Die meisten Initiationsprüfungen enthalten in mehr oder weniger erkennbarer Form einen rituellen Tod, dem eine Auferstehung oder eine Wiedergeburt folgt. Das zentrale Moment jeder Initiation wird durch die Zeremonie dargestellt, die den Tod