Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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Lehrerin.«

      Bärbel trat rasch einen Schritt zurück. Eine Falte erschien auf der Stirn des Kindes, und wieder fielen ihm die Worte des Bruders ein: »erst sind sie freundlich, und dann zanken sie einen aus.«

      Schließlich mußten die Kleinen in den Bänken ihre Plätze einnehmen. Bärbel saß neben Maria Koch, einem kleinen, kecken Mädchen, das gar keine Furcht zu haben schien. Dann sprach Fräulein Greger noch einige Worte, ging schließlich davon und ließ die andere Lehrerin mit den vier Kleinen zurück, nachdem sie den Kindern gesagt hatte, daß sie bei Fräulein Fiebiger recht brav lernen und gut aufpassen sollten.

      Vom Unterricht merkte man zuerst gar nichts. Fräulein Fiebiger unterhielt sich mit den Kindern freundlich und fragte nach den Namen.

      »Ich schreibe euch alle in mein Buch ein, damit ich genau weiß, wie ihr heißt.«

      So ging es der Reihe nach. Als die Lehrerin den Namen von Georg Schenk wissen wollte, nannte ihn der Knabe mit lauter Stimme und setzte hinzu: »Wie heißt denn du?«

      »Ich bin Fräulein Fiebiger, aber ihr könnt mich einfach ›Fräulein‹ nennen.«

      Das Gespräch kam nun auf Fleiß und Folgsamkeit. Da Fräulein Fiebiger mit Maria Koch eine längere Auseinandersetzung hatte, nahm Bärbel die Schulmappe, zog daraus ein Brötchen und begann zu essen.

      »Hast du jetzt schon Hunger, Bärbel? Du sollst erst nachher in der Pause essen.«

      »Ich möchte aber jetzt essen.«

      »Nein, mein Kind, während der Schulstunde wird nicht gegessen. Stecke das Brötchen wieder ein.«

      Bärbel rührte sich nicht.

      »Hast du nicht gehört, Bärbel?«

      Die Kleine saß unbeweglich.

      »Wer von euch kann mir sagen«, rief Fräulein Fiebiger, »was die kleine Bärbel jetzt ist?«

      »Semmel«, piepste Hanna.

      »Das meine ich nicht.«

      »Hungrig«, rief Goldköpfchen erbost.

      »Ich habe zu Bärbel gesagt, sie soll das Brötchen fortlegen, sie tut es nicht. – Wie nennt man das?«

      »Sie ist ein Dickschädel«, rief Georg Schenk.

      Bärbel erhob sich. »Ich möchte jetzt nach Hause gehen, – es gefällt mir hier nicht.«

      »Du bist eben erst hergekommen, mein liebes Kind. – Du bleibst, bis ich dich heim schicke.«

      Tapfer schluckte die Kleine die aufsteigenden Tränen herunter, steckte die angebissene Semmel energisch zwischen die Hefte und warf die Schultasche auf den Fußboden.

      Fräulein Fiebiger tat, als merke sie das Verhalten nicht, sie fragte vielmehr die Kinder über Haustiere und Vögel aus, wollte wissen, wer daheim einen Kanarienvogel hatte oder wo Haustiere wären.

      Die drei anderen beteiligten sich recht lebhaft, nur Bärbel blieb stumm.

      »Nun, Bärbel, weißt du nicht auch ein Haustier? Hund und Katze sind schon genannt. – Wer von euch kennt noch ein Tier, das viel in der Nähe der Menschen lebt?«

      »Ein Esel!«

      »Gut, – und weiter?«

      Die Abcschützen schwiegen.

      »Ich denke an ein Tier«, fuhr Fräulein Fiebiger fort, »das immer unsauber ist, das häßliche Laute ausstößt und das sich sehr oft aus seiner Behausung entfernt und, wenn es ihm möglich ist, auf dem Grundstück des Nachbars umherläuft. – Nun, Kinder, was ist das?«

      »Ich weiß«, rief Bärbel wie elektrisiert.

      »Das ist nett, daß du auch etwas weißt. – Nun?«

      »Der Emil!«

      »Nicht doch, Bärbel, – der Emil ist doch kein Tier. – Ich meine das Schwein.«

      »Der Emil ist ein Schwein«, beharrte die Kleine, »das sagt unser Felix immer.«

      »Ein Mensch kann niemals ein Schwein sein, Bärbel. Der Emil kann wohl einmal sehr schmutzig aussehen, aber ein Schwein ist er deshalb nicht, und wenn das dein Felix sagt, hat er unrecht.«

      »Der Felix hat aber nicht unrecht«, sagte Bärbel, »der Felix ist groß und weiß alles.«

      Fräulein Fiebiger warf einen verzweifelten Blick auf das kleine Mädchen, das solch einen störrischen Eindruck machte; aber sie hoffte durch Nachsicht und Güte auch diese kleine Widerspenstige zu zähmen.

      Während sich die anderen drei an den Fragen ziemlich lebhaft beteiligten, saß Bärbel gelangweilt auf ihrem Platze und untersuchte das Tintenfaß. Der klappende Deckel bereitete ihr recht große Freude, und schließlich ging es dauernd: klapp, klapp.

      »Halte deine kleinen Finger still, Bärbel, und laß das Tintenfaß in Ruhe.«

      »Dir paßt auch gar nichts«, platzte Goldköpfchen ärgerlich heraus, »ich spiele doch!«

      »Du hast aber gut aufzupassen und nicht zu spielen.«

      »Mir gefällt es aber nicht«, klang es zurück.

      »Sitze jetzt ruhig und gib acht.«

      Endlich läutete es. Fräulein Fiebiger war froh, daß diese erste und anstrengende Stunde nun glücklich vorüber war.

      In der Pause taute Bärbel auf. Als es dann aber wieder an den Unterricht ging, zeigte sich erneut die Falte auf der Stirn des Kindes.

      Wieder erschien Fräulein Fiebiger, und Bärbel machte ein recht enttäuschtes Gesicht.

      »Kommst du schon wieder?«

      »Natürlich, mein Kind, ihr sollt doch allerlei bei mir lernen und klug werden.«

      Da man sich in der zweiten Stunde mit Zeichnen beschäftigte, wurde nicht gar zu viel gefragt, weil jedes Kind eifrig mit dem Bleistift beschäftigt war. So verging auch diese Zeit rascher. Es läutete, Bärbel packte hastig zusammen, wurde aber von Fräulein Fiebiger zurückgehalten.

      »Einen kleinen Augenblick müßt ihr noch warten. Weil ihr heute so brav gewesen seid, sollt ihr noch eine Extrafreude haben.«

      Die Kleinen horchten gespannt auf.

      »Nun, wer kann sich wohl denken, was euch jetzt für eine Freude bereitet wird?«

      »Willst du uns die Freude machen?« fragte Bärbel.

      »Fräulein Greger, eure Schulvorsteherin.«

      Bärbel strahlte. »Sie soll die Schule zumachen, und du sollst uns nicht weiter unterrichten.«

      »Du wirst die Schule noch sehr liebgewinnen, Bärbel. – Nun aber gebt schön acht, da kommt Fräulein Greger.«

      Die Schulvorsteherin betrat das Zimmer, sie trug vier große, bunte Tüten im Arm.

      »O«, rief Hanna begeistert, »ich kriege von meiner Tante eine noch viel größere Tüte!«

      Fräulein Greger sprach einige Worte zu den Kleinen, sie wurde dabei von Georg unterbrochen.

      »Schenkst du uns nun jeden Tag eine solche Tüte, wenn wir herkommen?«

      »Du mußt ›Sie‹ sagen, Georg.«

      »Schenkst du uns jeden Tag eine Tüte, wenn wir hierherkommen, – sie?«

      »Nein, nur heute zum ersten Schultage, damit ihr die Schule liebbekommt, gern hineingeht und ein liebes Andenken habt.«

      Dann reichte Fräulein Greger jedem Kinde eine Tüte.

      Bärbel stand ein Weilchen nachdenklich vor der Schulvorsteherin, betrachtete die Tüte, sann einige Augenblicke angestrengt nach, dann streckte sie beide Arme, die das Geschenk hielten, der Vorsteherin entgegen.

      »Nimm sie, ich geb’ sie dir wieder, ich