mischt sich in alles ein.«
»Wenn es dir auch heute noch nicht gefallen hat, mein Kind, wird es dir morgen schon besser behagen. Nimm die Tüte, und nun dürft ihr heimgehen.«
Zögernd nahm Bärbel die Gabe wieder zurück. Sie freute sich nicht darüber, denn der Gedanke, daß sie morgen wiederkommen müßte, daß sie alle Tage auf der Schulbank sitzen solle, verleidete ihr den Genuß an den Süßigkeiten.
Zögernd folgte sie den davoneilenden Kindern. Draußen, vor der Schule, stand Frau Wagner, die ihr Kind lächelnd in Empfang nahm.
»Nun, mein liebes Goldköpfchen, wie hat es dir denn gefallen?«
»In der Pause war es ganz hübsch«, erwiderte das Kind. Und froh eilte es zu seinen Spielsachen.
Der kleine Faulpelz
Obwohl Bärbel schon seit mehreren Wochen die Gregersche Schule besuchte, fand sie keinen Gefallen an dem Unterricht. Vergeblich versuchten die Eltern, Bärbel anzufeuern; die Kleine setzte allen Ermahnungen eigensinnigen Widerstand entgegen. Zwar hatte sie kaum Schularbeiten zu machen, dennoch wurde ihr das Wenige schon zu viel, und in den Schulstunden dachte die Kleine an hundert andere Dinge, nur nicht an das, was Fräulein Fiebiger vortrug.
Am interessantesten war es für Goldköpfchen, wenn irgendeine Stunde gemeinsam mit den größeren Schülerinnen abgehalten wurde. Da Fräulein Greger nicht genügend Lehrkräfte anstellen konnte, da ja auch die einzelnen Klassen sehr klein waren, wurden manche Stunden doppelt belegt. Während die Großen zeichneten oder Klassenaufsätze schrieben, auch französische oder englische Übersetzungen machten, wurden die Abcschützen im Rechnen, Lesen oder Schreiben unterwiesen, und wenn die Kleinsten schrieben, hatten wieder die Größeren irgendeinen mündlichen Unterricht.
Da gab es für Bärbel mancherlei zu erlauschen, und sie vergaß dann ganz, daß sie selbst Zahlen oder Buchstaben zu schreiben hatte. Das Kind kehrte oft mit den merkwürdigsten Anliegen heim, und erst gestern hatte sich Herr Wagner wieder das Lachen verbeißen müssen, als er von Bärbel erfuhr, daß eine der älteren Schülerinnen an die Lehrerin die Frage gestellt habe, was ein Autodidakt sei.
»Vati, das Fräulein hat gesagt, ein Autodidakt sei jemand, der sich selbst unterrichte. Ich möchte auch ein Autodidakt sein und nicht mehr in die Schule gehen. Ich unterrichte mich selbst!«
»Da würde etwas Nettes herauskommen«, sagte Herr Wagner, »im übrigen ist es viel besser, du wirst unterrichtet. Du bist ohnehin ein kleiner Faulpelz. Wie ich gehört habe, sitzest du als Letzte. – Kannst du denn nicht auf den ersten Platz kommen?«
»Nein, Vati«, entgegnete Bärbel treuherzig, »das kann ich nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Da sitzt doch schon eine!«
»Dann mußt du eben so fleißig sein, daß du über diese eine kommst.«
»Das geht auch nicht, Vati, da ist doch keine Bank mehr.«
»Du sollst eben so fleißig lernen, daß dich die Lehrerin zur Ersten der Klasse macht.«
Bärbel senkte das Köpfchen und sagte nichts mehr.
»Nun, Goldköpfchen, willst du mir versprechen, einmal zu versuchen, die Erste zu werden?«
»Nein, Vati, – das Fräulein hat gesagt, wir sollen immer bescheiden sein und uns nicht verdrängen. Ich bin bescheiden.«
»Aber beim Lernen brauchst du es nicht zu sein.«
»Ach, Vati, wir wollen es doch lieber bei dem lassen, was das Fräulein sagt.«
Lächelnd drohte der Apothekenbesitzer seinem Töchterchen mit dem Finger, er hoffte, daß Bärbel bald Gefallen am Schulunterricht finden werde. Bis jetzt war freilich nicht viel davon zu spüren.
»Wer ist denn die Faulste in deiner Klasse, Goldköpfchen?«
»Ich weiß es nicht, Vati.«
»Gib mir einmal ganz ehrlich Antwort, mein Kind. – Wenn alle anderen fleißig schreiben, wer sitzt dann da und guckt in die Luft und tut nichts?«
»Unser Fräulein«, erwiderte das Kind strahlend.
»Das Fräulein hat aufzupassen. Ich glaube viel eher, daß du der kleine Faulpelz bist, aber ich hoffe, daß du dich bald besserst und deinen Eltern Freude machen wirst. Du hast uns doch versprochen, ein braves Mädchen zu werden?«
»Jawohl, Vati – aber wenn eben immer was dazwischenkommt, kann ich doch nichts dafür.«
»Hast du heute schon Schularbeiten gemacht, Kind?«
»Ja, Vati.«
Damit ließ Herr Wagner sein Töchterchen gehen, in der Hoffnung, daß aus dem bisher recht trägen, kleinen Mädchen doch noch ein fleißiges Kind werden würde.
Frau Wagner sah das Verhalten ihrer Tochter schon mit mehr Sorge an. Es gefiel ihr gar nicht, daß Bärbel auch nicht den geringsten Lerneifer entwickelte. Goldköpfchen hatte schon in den ersten Tagen seine Schulhefte den Zwillingen zum Spielen gegeben und war mit glänzenden Augen zur Mutter gekommen, als die kleinen Brüder die Hefte zum Teil zerrissen, zum Teil bekritzelt hatten.
»Nun kann ich nicht mehr in die Schule gehen, Mutti!«
Es hatte einen strengen Verweis gegeben, man hatte der Kleinen verboten, die Brüderchen mit den Schulsachen spielen zu lassen. Da war es für Bärbel abermals eine große Freude gewesen, als die Feder, mit der es daheim üben sollte, zerbrach. Beglückt hatte das Kind in der Schule berichtet, daß es nicht habe weiterschreiben können, weil die Feder entzweigegangen sei. Man hatte Goldköpfchen zu seinem großen Leidwesen eine neue Feder gegeben und ihm dann ernsthaft verwiesen, die Federn weiter so rasch zu zerbrechen, da es sonst Strafe geben werde.
Alle diese sanften Tadel der Lehrerin trugen natürlich nicht dazu bei, Goldköpfchens Liebe zur Schule zu erhöhen. An jedem Morgen gab es daheim denselben kleinen Kampf. Goldköpfchen suchte nach Ausreden, um der Schule fernbleiben zu können.
Auch am heutigen Morgen hatte Frau Wagner wieder die größte Mühe, Bärbel zum Aufstehen zu bewegen.
»Jetzt stehst du auf, Kind, mache mich nicht böse. Wer wird denn so faul sein!«
»Ich möcht’ noch ein bißchen liegenbleiben.«
»Du stehst jetzt sofort auf. – Schäme dich, Bärbel!«
»Mutti? – Kann ich mich nicht lieber im Bett schämen und noch liegenbleiben?«
»Willst du mich ernstlich erzürnen, Bärbel?«
»Mutti? – Ich glaube, ich kann heute nicht in die Schule gehen, ich fühle mich nicht wohl.«
»Wo denn, Kind?«
»In der Schule, Mutti, dort fühle ich mich gar nicht wohl.«
»Ich rufe sofort den Vater, wenn du nicht sofort das Bett verläßt; da gibt es Schläge.«
Bärbel sah ein, daß es die Mutter nicht noch mehr erzürnen durfte, und erhob sich seufzend. Wenn nur erst die Schule wieder aus wäre, es war gar zu schrecklich! Es wäre viel netter, wenn sie ein wenig mit Hektor, ihrem geliebten Hunde, gespielt hätte oder mit den Zwillingen.
»Mutti, – der Hektor braucht wohl in keine Schule zu gehen?«
»Nein.«
»Lernt er gar nichts?«
»Beim Hektor hilft der Instinkt nach.«
»Hilft bei mir auch der Stinkt nach?«
»Nein, Menschen müssen lernen.«
»Darum stinkt wohl der Hektor, weil ihm der Stinkt hilft?«
»Jetzt laß das Spielen mit dem Hunde sein, Kind, und mache dich fertig.«
»Mutti, ich habe aber den Hektor viel lieber als das Fräulein.«
»Ich