Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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alt und sitzt immer noch in der fünften Klasse. Die Lise Holler ist auch dreizehn, und sie ist in der dritten Klasse.«

      »Ich wende meine Aufmerksamkeit mehr der Tanzstunde zu«, erwiderte Anita schnippisch. »Kannst du eigentlich tanzen?«

      Die Kinder verneinten.

      Anita lachte spöttisch. »Darum seid ihr auch so wenig graziös. Meine Mutter hat gesagt, daß ich nächstens noch rhythmischen Unterricht erhalte.«

      »Du bist ja meschugge«, sagte Georg, drehte sich um und ließ Anita stehen.

      Von nun an gab es jeden Tag in der Schule etwas Neues. Anita wußte stets etwas zu erzählen, was von ihren Mitschülerinnen mit Staunen entgegengenommen wurde. Die Kinder fühlten sich recht geschmeichelt, als die Holzhändlerstochter eines Tages die Einladungen zu ihrer Geburtstagsfeier überbrachte.

      »Ich darf mir einladen, wen ich will. Es wird eine große Gesellschaft. Es gibt Bowle und Konfekt, soviel ihr essen wollt. Beim Konditor sind Torten bestellt. Ihr werdet über meinen Geburtstagstisch staunen. Ich bekomme ein rosa Kleid aus Seide, ein blaues aus Samt, und einen Mantel mit weißem Pelz besetzt. – Hast du auch ein rosa Seidenkleid, Bärbel?«

      »Nein.«

      »Was wirst du denn anziehen, wenn du zu meinem Geburtstag kommst?«

      »Das wird mir die Mutti sagen.«

      »Hübsch müßt ihr euch machen, denn es sind auch junge Herren da. Meine Wünsche wißt ihr ja. Ein paar Glacéhandschuhe, Parfüm, ein Manikurkasten, dann hätte ich gern noch altdeutschen Schmuck gehabt. Eine Perlenkette bekomme ich von Mama. Aber für das rosa Kleid würde vielleicht ein antiker Schmuck noch passender sein. – Nun, ihr könnt es euch überlegen.«

      »Willst du keine Schokolade haben?« fragte Hanna schüchtern.

      Anita lachte auf. »Willst du mir vielleicht eine Tafel Schokolade schenken, die ich mir täglich von meinem Taschengeld kaufen kann? Dann iß die Tafel nur selbst und komm’ ohne etwas. Wenn du mir nicht etwas anderes bringst als Schokolade – na – gelacht!«

      Je näher der Geburtstag kam, um so erregter wurden die Kinder. Anita sprach von fabelhaften Überraschungen und von einer Feier, wie man sie hier in Dillstadt noch nicht erlebt habe.

      »Was schenkst du denn?« fragte Bärbel ihre Mitschülerin Hanna.

      »Meine Mutti hat gesagt, ich solle ein Buch mitnehmen.«

      Bärbel berichtete den Eltern von den Wünschen der schönen Anita. »Du mußt mir eine Kette kaufen, Mutti, eine sehr schöne Kette, denn die Anita hat viel Geld und will nur schöne Sachen haben.«

      »Nichts da, Goldköpfchen. Anita bekommt ein Kästchen mit Konfekt, weiter nichts.«

      »Aber, Mutti«, rief Bärbel erschreckt, »sie sagt, Schokolade kann sie sich allein von ihrem Taschengelde kaufen.«

      »Das ist einerlei, du nimmst einen Kasten Konfekt mit, und wenn es Anita nicht paßt, braucht sie dich nicht mehr einzuladen.«

      Bärbel war recht niedergeschlagen. Sie fürchtete den Hohn der Schulkameradin, aber sie wußte doch keinen anderen Ausweg. In der Apotheke gab es so schöne Kästen mit Seife und Parfüm. Ob ihr der Onkel Provisor da nicht helfen konnte?

      Sie stellte ihm die Sache vor; aber Senftleben schüttelte den Kopf. »Konfekt ist immer etwas sehr Schönes, liebes Goldköpfchen, und wenn deine Mutti gesagt hat, daß Anita Konfekt bekommt, ist das ganz richtig.«

      Der Geburtstag kam heran. Am Vormittag fehlte Anita in der Schule. Frau Schleifer hatte eine Entschuldigung geschickt, die Tochter bedürfe dringend der Ruhe, da sie heute nachmittag eine Festlichkeit vorhabe. Unter den Kindern herrschte begreifliche Erregung. Bärbel, die sich früher niemals um ihre Kleider gekümmert hatte, forschte ängstlich bei Hanna und Maria, was jene anzögen. Sie war mit ihrem weißen Sonntagskleide durchaus nicht einverstanden, obwohl sie es bisher sehr geliebt hatte.

      Dann kam die Frage der Geschenke an die Reihe, und kleinlaut berichtete Bärbel, daß sie einen Kasten Konfekt bringe.

      »Und ich eine Tafel Schokolade«, rief Georg. »Ich habe der Mutter gesagt, wir wollen Schokolade schenken. Die Anita hat ja gesagt, sie will sie nicht haben, da kriegt sie sie erst gar nicht.«

      »Das ist doch Schwindel«, meinte Bärbel.

      »Deinen Konfektkasten schmeißt sie dir auch vor die Füße, das alte Großmaul. Wollen mal sehen, ob es so fein ist wie beim Schuster Peters. Au – dort haben wir aber Ulk gemacht!«

      Als sich Bärbel nachmittags für die Geburtstagsfeier ankleidete, hing die Unterlippe des Kindes weit herab.

      »Was machst du denn für ein Gesicht, Bärbel?« rügte die Mutter.

      »Das olle weiße Kleid, und der Kasten mit Schokolade.«

      »Wenn du nur noch einen Ton sagst, ziehst du das dunkle Wollkleid an.«

      Die Laune, mit der sich Goldköpfchen auf den Weg machte, war nicht gerade gut. Sie schlenkerte den Konfektkasten hin und her, daß sich der Bindfaden löste, in weitem Bogen flog der Kasten davon, hinein in die Gosse.

      Voller Entsetzen betrachtete das Kind das beschmutzte Geschenk. Es nahm das Taschentuch, wischte den Kasten schnell ab; aber die Schmutzspuren ließen sich nicht mehr vertilgen.

      »Jetzt wird sie mich furchtbar auslachen«, philosophierte sie vor sich hin, »jetzt denkt sie, ich habe einen alten, dreckigen Kasten genommen.« Mit gesenktem Köpfchen schritt sie weiter. Sollte sie umkehren und dem Vati ihr Unglück schildern, um vielleicht doch einen Kasten mit Seife zu bekommen?

      Immer wieder betrachtete Bärbel den unsauberen Karton. Das war doch kein Geschenk für die reiche, schöne Anita. Aber der Vater würde ihr nun erst recht keine Seife geben, weil sie so unachtsam gewesen war.

      Mißmutig wanderte das Kind weiter. Plötzlich erblickte es auf dem Straßenpflaster ein in weißes Seidenpapier eingewickeltes Päckchen. Neugierig, wie Bärbel war, hob es das Paketchen auf und wickelte es auf. Ein glänzender Pappkasten kam zum Vorschein, der, als ihn Bärbel öffnete, auf rosa Atlas eine Perlenkette zeigte.

      Soviel war Goldköpfchen klar, daß hier irgend jemand dieses kostbare Stück verloren hatte. Eine Perlenkette! – Vielleicht war das ein geeignetes Geschenk für Anita.

      Bärbels Herz wurde plötzlich froh und leicht. Den schmutzigen Konfektkasten brauchte sie nun nicht zu schenken, sie würde Anita die gefundene Kette überreichen und damit den Vogel abschießen. Wie würde man im Schleiferschen Hause staunen, wenn sie solch ein Geschenk präsentierte.

      Für Augenblicke kamen Goldköpfchen allerdings Bedenken. Die Kette war gefunden, war also nicht ihr Eigentum. Die Mutter würde es niemals erlauben, daß sie die Kette weiterschenkte. Da Bärbel aber das Unglück mit dem Konfektkasten gehabt hatte, konnte man ihr Verhalten entschuldigen.

      Sie wickelte den Schmuckkarton wieder sorgfältig ein, bohrte mit dem Finger ein Loch in den Konfektkasten und nahm ein Stück heraus. Jetzt brauchte sie den Karton nicht mehr, denn jetzt hatte sie ein viel schöneres Geschenk.

      Strahlend vor Stolz erreichte sie das Haus, in dem Schleifers wohnten. Hinter der Haustür stand Georg Schenk. Er war dabei, eine ausgewickelte Tafel Schokolade zu verspeisen.

      Bärbel lachte.

      »Nachher kriegt sie die Pappe«, meinte der Knabe, »sie will ja keine Schokolade. – Was hast du denn da?«

      »Was Feines«, erwiderte das Kind stolz und wickelte den Schmuckkarton aus.

      Verächtlich schaute Georg auf die Kette. »So ein Quatsch! Mir wäre Schokolade lieber.«

      Dann stiegen beide die Treppe empor. Schon im Korridor herrschte Stimmengewirr. Anita hatte etwa zwanzig Einladungen ergehen lassen. Die meisten der Geladenen waren bereits eingetroffen.

      Plötzlich merkte Bärbel, daß Georg sich an ihrem Röckchen zu schaffen machte. »Was tust du denn da?«

      Georg