Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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zu sein.«

      »Du wirst staunen, Mutti, wie artig ich sein kann!«

      Zwei Tage vor der Abreise der Eltern traf Frau Lindberg in Dillstadt ein. Sie wurde jubelnd von den Kindern begrüßt, denn die Großmama kam nie mit leeren Händen. Auch heute brachte sie außer Süßigkeiten für jedes Kind noch ein schönes Geschenk mit. Kuno, der eine der Zwillinge, erklärte, es wäre am besten, wenn die Großmama morgen wieder abführe und übermorgen wiederkäme.

      »Sei nicht so gierig«, verwies Bärbel den Bruder, »sei froh, daß die Großmama gekommen ist. Wenn sie nächstens stirbt, kann sie überhaupt nichts mehr bringen.«

      »Warum soll ich denn sterben, Bärbel?«

      »Nun, alte Leute müssen doch immer sterben«, gab das Kind altklug zurück, »aber vorläufig kannst du noch ein Weilchen leben.«

      Beruhigt reisten Wagners ab, sie wußten die Kinder in treuer Hut. Bärbel gab sich die erdenklichste Mühe, den Wunsch der Mutter zu erfüllen und brav zu sein.

      »Um die Zwillinge brauchst du dich nicht zu kümmern, Großmama. Du hast die Wirtschaft, und ich überwache die Erziehung.«

      »Wirst du das können, Goldköpfchen?«

      »Doch, doch, Großmama, ich bin schon einmal Lehrerin gewesen.«

      »Das ist ja recht erfreulich, Kleines.«

      »Ich hab’ schon angefangen, den Kuno zu erziehen. Jetzt sitzt er im Garten und weint.«

      »Was hast du denn mit dem armen Jungen gemacht?«

      »Ich habe ihm eine Geschichte erzählt, von dem Teufel mit den grünen Augen, der ihn frißt, wenn er ins Haus kommt. Er muß ganz stille stehen. Den sind wir für die nächste Stunde los, Großmama, um den brauchen wir uns nicht zu kümmern.«

      »Aber, Bärbel! Kuno wird sich furchtbar ängstigen.«

      »Jawohl, Großmama, das tut er.«

      »Das ist aber gar nicht recht.«

      »Dann hält er wenigstens den Mund, Großmama, sonst quarrt er immerfort herum. – Ich habe ihm gesagt, wenn er laut weint, kommt noch ein Mann mit vier Hörnern, der stößt ihm die Hörner in den Bauch.«

      Aus dem Garten erscholl jetzt fürchterliches Schreien. Frau Lindberg und Bärbel eilten gemeinsam die Treppe hinunter. Da stand neben dem leise weinenden Kuno dessen Zwillingsbruder Martin.

      »Was ist denn los?« rief Frau Lindberg besorgt, denn Martin schrie, als ob er am Spieße stecke.

      Das Schreien verstummte, Martin lief der Großmutter entgegen. »Ich bin schon ganz heiser, Großmama, ich schrei’ schon immerzu. Die Bärbel hat gesagt, wenn man schreit, kommt ein Mann mit vier Hörnern. Ich schrei’ und schrei’ immerzu, aber der Mann kommt nicht, und ich möcht’ ihn doch so gern sehen.«

      Kuno hatte das Gesicht in die Hände gedrückt, er fürchtete sich.

      »Bärbel hat nur Spaß mit euch gemacht, es gibt gar keinen Mann mit vier Hörnern.«

      Es dauerte längere Zeit, ehe Frau Lindberg den aufgeregten Kuno beschwichtigt hatte. Er drängte sich ängstlich an die Großmutter und schaute noch immer scheu nach rechts und links.

      »Wenn ich ins Haus gehe, kommt auch wirklich nicht der Teufel mit den grünen Augen?«

      »Nein, mein kleiner Junge.«

      »Schade«, schrie Martin, »ich hätte gern den Teufel mit den grünen Augen gesehen.«

      Die Großmutter verwies ihrer Enkelin, den kleinen Bruder derart in Angst und Schrecken zu versetzen.

      »Es ist aber ein gutes Mittel, Großmama«, erklärte Goldköpfchen, »er war ganz still, und jetzt hat er schon wieder so ein großes Mundwerk.«

      Herr und Frau Wagner waren kaum drei Tage fort, als Frau Lindberg von heftigem Fieber befallen wurde. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als das Bett aufzusuchen. Sie beriet sich mit dem Provisor Senftleben; und beide kamen dahin überein, an Wagners nicht zu schreiben, damit jene in ihren Reiseplänen nicht gestört würden.

      »Der Arzt sagt selbst, daß es nur eine leichte Unpäßlichkeit ist. Die Mädchen sind gut, ich denke, es wird für die wenigen Tage auch so gehen.«

      Bärbel stand am Bett der Großmutter und legte die Hand auf deren Kopf. »Hab’ keine Sorge, Großmama, ich mach’ dir einen Umschlag um den Hals, dann wirst du schnell wieder gesund.«

      »Einen Umschlag brauche ich nicht, Bärbel, paß du nur gut auf die Brüderchen auf, und seid recht vorsichtig beim Spielen, daß euch nichts geschieht.«

      Bärbel nahm darauf einen Stock, ging zu den Zwillingsbrüdern, schwang den Stock drohend und sagte: »Wenn ihr Krach macht oder wenn ihr unartig seid, hau’ ich euch so lange, bis ihr kaputt seid.«

      Scheu schauten die Kleinen die energische Schwester an. »Jetzt setzt euch hin und macht eure Schularbeiten.«

      »Wir haben keine auf.«

      »Das sagt jeder, der faul ist. Schularbeiten hat man immer zu machen. Rasch – jetzt wird geschrieben!«

      »Wir haben heute keine Schularbeiten zu machen«, schrie Kuno erbost.

      Bärbel nahm die Hefte und legte vor jeden Knaben eines hin. »Jetzt zeichnet ihr die kranke Großmama im Bett. – Fertig! – Und wenn ihr dabei nicht ganz stille sitzt, schicke ich euch die Giraffe aus dem Zoologischen Garten her, die frißt euch auf.«

      »Du schwindelst ja wieder«, rief Martin.

      Bärbel nahm den Stock und drohte dem Verwegenen. »Ruhe, – ihr zeichnet, ich muß inzwischen zur kranken Großmama gehen und ihr Medizin geben.«

      Goldköpfchen eilte hinunter zum Onkel Provisor. »Die Großmama muß Medizin haben«, sagte sie wichtig. »Bitte, gib mir was.«

      »Die Medizin hat die Großmama schon oben, Goldköpfchen.«

      »Kannst du ihr nicht noch was geben, damit sie schneller gesund wird? Vielleicht Lebertran?«

      »Wir dürfen ihr doch nur das geben, was der Arzt verordnet hat. Nun laß mich aber wieder in Ruhe, denn ich habe noch viel zu arbeiten.«

      Das Kind lief hinauf ins Krankenzimmer. Frau Lindberg lächelte ihm entgegen. »Ich denke, wenn ich zwei Tage im Bett liege, ist alles wieder gut, Bärbel.«

      »Nur nicht so rasch wieder aufstehen, Großmama. Bettruhe ist gut. Hab’ nur keine Sorge, ich mache die Wirtschaft.«

      »Du kannst mir nachher die Köchin heraufschicken.«

      »Rege dich nur nicht auf, liebe Großmama, ich kann doch auch mit der Köchin reden.«

      Frau Lindberg lachte belustigt. »Nun gut, mein kleines Mädchen, Wanda will wissen, was sie morgen kochen soll.«

      Goldköpfchen machte ein altkluges Gesicht. »Schlagsahnenspeise wird für dich sehr gut sein, Großmama.«

      »Wir müssen doch auch Fleisch essen.«

      »Nun freilich, aber jetzt mußt du erst deine Medizin nehmen, Großmama; und einen Umschlag hast du auch nicht.«

      Ehe Frau Lindberg etwas erwidern konnte, war das Kind davongeeilt, holte ein Handtuch aus dem Kinderzimmer, tauchte es in den Wasserkrug und kam mit dem tropfenden Umschlag zurück.

      »So – nun halte schön still.«

      »Aber, Bärbel, du machst ja das Bett naß! Geh fort!«

      »Ich hab’ auch immer einen Umschlag bekommen, als ich krank war«, sagte das Kind, »du mußt dich nicht weigern, Großmama, wenn du stirbst, gefällt es dir auch nicht.«

      Um Bärbel zufrieden zu stellen, wurde das ausgewundene Handtuch schließlich der Großmutter auf den Kopf gelegt.

      »Na, Großmama, ob es da oben was nützen wird,