Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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Kunde erfahren. Er hatte gesehen, wie seine Frau das fassungslose Kind ins Haus gebracht hatte, und ließ die beiden zunächst allein. Keine andere als seine Gattin fand hier so tröstende und zarte Worte, in ihren Armen würde Pommerle seinen ersten Schmerz ausweinen. Für ihn stand es sogleich fest, daß er dieses Kind unter keinen Umständen hier unter fremden Leuten zurücklassen würde, in dem behaglichen Professorenhause sollte Pommerle von nun an eine neue Heimat haben.

      Fräulein Berta war völlig kopflos geworden. Sie war mit Freunden mitgegangen und weinte nun in einem fremden Hause ihr Leid aus. So kam es, daß schließlich Professor Bender auf einen Wink seiner Frau hin in der kleinen, rauchgeschwärzten Küche stand und für sich, seine Frau und Pommerle den Morgenimbiß bereitete. Es war für ihn freilich eine ungewohnte Arbeit, aber heute wollte er seine Gattin nicht von dem Kinde wegrufen.

      Was wohl dem Pommerle am besten schmeckte? Milchkakao? Man hatte ja alles mitgebracht. Und so quirlte der Herr Professor, der sonst nur die Feder in den Händen hielt, einen dicken Kakao ein, dem er viel zu reichlich Zucker hinzusetzte, aber schließlich war das Werk beendet, und eigenhändig brachte er den braunen Trank ins Zimmer.

      Pommerle hatte beide Fäuste an die Augen gedrückt und schluchzte noch immer leise vor sich hin. Aber als es von Frau Bender die Tasse an den Mund gehalten bekam, trank es doch.

      Während Frau Bender sich weiterhin um das Kind bemühte, wanderte der Professor ins Dorf und kaufte in dem einzigen Laden, der sich hier befand, verschiedenes Spielzeug ein. Pommerle mußte ein wenig auf andere Gedanken kommen, sollte das Furchtbare ein wenig vergessen.

      Aber das Kind hatte für die schönen Sachen gar wenig Interesse. Es hatte den Kopf aufgerichtet, schaute durch das kleine Fenster auf die See hinaus, und um die frischen Kinderlippen grub sich ein gramvoller Zug ein.

      Dann barg die Kleine wieder den Kopf in den Kissen und begann erneut zu weinen.

      Pommerle sieht und hört allerlei Neues

       Inhaltsverzeichnis

      Trotz eifrigen Suchens hatte man die Leiche des ertrunkenen Fischers nicht gefunden. Professor Bender und seine Gattin waren übereingekommen, möglichst bald aus dem kleinen Ostseebade abzureisen, um in ihre schlesische Heimat zurückzukehren. Für beide stand es fest, das verwaiste Pommerle mitzunehmen. Man würde ihnen von keiner Seite Steine in den Weg legen, und besonders Fräulein Berta war über diese Lösung erfreut. Daß es Pommerle bei Benders gut haben würde, bezweifelte sie keinen Augenblick, und die Fischerfamilien des Ortes hielten es geradezu für ein Glück, daß Benders sich der Kleinen annehmen wollten.

      Als Frau Bender zum ersten Male Pommerle davon Mitteilung machte, daß es mit ihr kommen sollte, schaute das Kind erst gänzlich verständnislos drein. Dann aber erklärte es, es wolle gern mitkommen. Das kleine Mädchen fühlte, daß man es gut mit ihm meinte, und in seiner Verlassenheit suchte es nach einem treuen Herzen, an dem es seinen Schmerz ausweinen konnte.

      Die Uebersiedlung ging natürlich nicht so rasch vor sich. Es war allerlei zu erledigen. Außerdem hoffte der Professor nach wie vor, daß die Leiche Strödes angeschwemmt werde, um dem Manne ein würdiges Begräbnis zu bereiten.

      Auch Pommerle wartete von Tag zu Tag darauf, den Vater nochmals zu sehen. Immer fester nistete sich in dem Hinterköpfchen der Gedanke ein, daß der Vater gar nicht ertrunken sei, daß ihn ein vorüberkommendes Schiff, weit draußen im Meere, aufgefischt und mitgenommen habe. Und als eines Tages Frau Bender erklärte, daß man in den nächsten Tagen von hier fortreise, rief Pommerle erregt:

      »Wenn aber der Vater wiederkommt und ich bin nicht da, was wird er dann sagen?«

      »Der Vater ist beim lieben Gott, Pommerle.«

      »Wenn er aber doch zurückkommt?«

      »So wissen die Nachbarn, wo wir wohnen. Dann wird er an uns schreiben.«

      »Wir wollen ihm doch lieber einen Zettel hinlegen, und darauf schreibst du dann, wohin wir gefahren sind.«

      Diesen Gedanken hielt Pommerle fest. Auf dem großen Tisch des Wohnzimmers sollte der Zettel niedergelegt werden, auf dem alles genau stand, damit der heimkehrende Vater wisse, wo sein Pommerle zu finden sei.

      »Wann komme ich denn wieder hierher zurück?« fragte das kleine Mädchen.

      »Vielleicht im nächsten Jahre, mein liebes Kind, aber über den Winter bleibst du bei uns. Nimm nur alle die Sachen, die dir lieb sind, mit, packe alle in einen großen Korb, damit du deine Spielsachen bei uns in Hirschberg wiederfindest.«

      »Was soll ich denn alles mitnehmen?«

      »Alles das, was du gerne behalten möchtest und was dir lieb ist.«

      »Das alles darf ich einpacken?«

      »Ja, mein Kind.«

      Frau Bender besorgte für Pommerle einen mittelgroßen Reisekorb, stellte ihn in die Wohnstube des Fischers und redete Pommerle freundlich zu, nun da hinein die Kleider, Wäsche, die Schuhe und all ihr Spielzeug zu legen.

      Als Pommerle sah, daß auch Frau Bender ans Einpacken ging, machte es sich an die Arbeit, von den Spielgefährten hatte es gehört, daß es sehr lange fortbleiben werde, daß es im Winter nicht mehr den Strand und die weite See sehen werde, daß dort, wo es von nun an wohnen sollte, hohe Häuser ständen und daß von nun an alles ganz anders werden würde.

      Solche Worte stimmten die Kleine natürlich nachdenklich. Immer wieder glitten die blauen Kinderaugen hinaus auf die See, die es bald nicht mehr rauschen hören sollte. Aber dann erinnerte es sich der guten Tante Bender, und nun ging es ans Einpacken.

      Der Korb faßte die Habseligkeiten Pommerles nicht. Ratlos stand Hanna zwischen dem ins Zimmer getragenen Kram, und als Frau Bender das Zimmer betrat, schaute sie erstaunt umher.

      »Was machst du denn da, kleines Pommerle?«

      Das Kind wies auf die Gießkanne, auf das einfache Futterhäuschen, das der Vater aus Brettern für die Vögel zusammengestellt hatte.

      »Das muß auch noch mit.«

      Im Korbe aber lag gar manches Kleidungsstück des Vaters. Die alten, hohen Fischerstiefel, die alte Lederjoppe, dazwischen das Garn, das zum Ausbessern der Netze diente, Küchengerät, Tassen, Töpfe, Teller und schließlich das Spielzeug.

      Frau Bender ging daran, das Zusammengetragene zu sichten.

      »Das Futterhäuschen lassen wir hier, Pommerle, auch die Gießkanne und die Sachen vom Vater.«

      »Gibt es dort, wohin wir fahren, keine Vögel?«

      »Natürlich gibt es welche, Pommerle, und du wirst während des Winters die Tierchen füttern. Ein neues Futterhäuschen besorgen wir uns auch.«

      Pommerle schloß den Holzkasten fest in die Arme.

      »Liebe Tante Bender, ich will kein anderes Futterhäuschen haben,« sagte sie mit verschleierter Stimme, »ich möchte mein Futterhäuschen behalten.«

      Es bedurfte großer Ueberredungskunst, um das Kind schließlich von seinem Plane abzubringen. Aber als nun auch Frau Bender erklärte, daß man die Hühner zurücklassen müsse, brach Pommerle in Tränen aus.

      »Ich will auch nicht fort, ich will dort bleiben, wo meine Hühner sind, wenn der Vater zurückkommt, findet er mich nicht.«

      »Hühner wirst du bei uns auch haben, liebes Kind, im Garten des Nachbars laufen schöne weiße Hühner umher.«

      Das gleiche Herzweh gab es bei den Blumen. Pommerle schleppte eine Menge Blumentöpfe herbei, die es durchaus mitnehmen wollte. Und wieder flossen die Tränen, als Frau Bender erklärte, daß auch die Blumen hier zurückbleiben müßten.

      »Wir haben bei uns auch viele schöne Blumen, Pommerle. Im Garten und auf den Fensterbrettern findest du allerhand, und du wirst die Blumen auch selbst pflegen und begießen. Ganz die