Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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Bender, aber lagen in allen Zimmern solche Teppiche, und Hanna nahm sich vor, genau so artig zu sein wie daheim.

      Als jetzt Frau Bender nach dem Kinde rief, setzte sich das kleine Mädchen rasch draußen im Flur auf die Treppe nieder, zog sich die schwarzen Schnürstiefelchen aus, um dann, nur in Strümpfen, das Zimmer zu betreten.

      Erstaunt schaute Frau Bender das eintretende Kind an.

      »Aber, Pommerle, wo hast du denn deine Schuhe gelassen?«

      »Die habe ich rasch ausgezogen.«

      »Warum denn?«

      »Weil ich in die Stube kommen sollte.«

      »Du kannst doch mit Schuhen ins Zimmer kommen, wir haben auch alle Schuhe an.«

      »Hier liegen doch aber Teppiche, und auf die darf man doch nicht treten.«

      Frau Bender lachte. »Das darfst du in der Stadt tun. Sieh einmal, wenn du dir draußen im Hausflur immer die Schuhe tüchtig abputzest, darfst du auch mit den Schuhen auf den Teppichen umhergehen.«

      Aber Pommerle schien doch großen Respekt vor diesem weichen Fußbodenbelag zu haben, denn als es das nächste Mal ins Zimmer kam, blieb es zunächst vor dem Teppich stehen, dann ging es auf den Zehenspitzen darüber hin, drehte sich um, kniete nieder und wischte mit der Hand über die betretenen Stellen hinweg.

      »Was machst du denn, Kind?«

      »Ich habe die schönen Borsten auf dem Teppich zertreten.«

      »Du brauchst aber nicht mit den Händchen darüber zu wischen, Pommerle. Sieh einmal, der Teppich wird an jedem Morgen gesäubert, damit aller Schmutz wieder heruntergeht. Das macht Anna.«

      In diesem Augenblicke klingelte es im Nebenzimmer.

      »Es kommt jemand,« rief das Kind erregt.

      »Nein, Kleines, es ist das Telephon. Wahrscheinlich sagt uns der Onkel Bescheid, daß er etwas später heimkommt. Komm einmal mit, denn ein Telephon wirst du noch nicht kennen.«

      Die Kleine ging mit der Tante hinüber ins Herrenzimmer. Auf dem Schreibtisch stand ein kleiner brauner Kasten mit zwei silbernen Hörnern. Auf diesen lag eine gebogene Stange mit einer schwarzen Muschel. Die nahm die Tante jetzt zur Hand und hielt sie ans Ohr. Das kam Pommerle nicht sonderlich merkwürdig vor, es hatte bereits manche Muschel ans Ohr gehalten, weil es darin so schön rauschte.

      »Rauscht es auch, Tante?«

      Frau Bender sprach etwas und sagte dann lachend zu der Kleinen: »Nun horche auch mal, jetzt spricht der Onkel mit dir.« Frau Bender gab dem Kinde den Hörer in die Hand, »halte die schwarze Scheibe ans Ohr.«

      Im nächsten Augenblick warf Pommerle den Hörer erschreckt auf den Schreibtisch. Es flüchtete sich zur Tante und klammerte sich fest an deren Rock.

      »Aber, Pommerle, es ist doch der Onkel, der mit dir spricht. – Komm und horche noch einmal.«

      Das Kind blickte zwar ängstlich drein, ließ sich aber doch den Hörer erneut ans Ohr halten. Richtig, da sprach jemand. Es vernahm deutlich seinen Namen.

      »Ich habe Angst,« sagte die Kleine.

      So hing denn Frau Bender den Hörer wieder an.

      »Du brauchst keine Angst zu haben, Kleines, das ist das Telephon. Durch diese Drähte, die in den kleinen Kasten hineingehen und die du auf der Straße stehst, kannst du den Onkel reden hören.«

      Pommerle starrte den Kasten an. »Wie ist denn der Onkel in den kleinen Kasten gekommen, Tante?«

      In diesem Augenblick betrat das Hausmädchen das Zimmer und rief Frau Bender. Sie eilte hinaus, und Pommerle blieb allein zurück. Noch immer starrte es auf den Kasten, dann klopfte es mit dem Fingerchen daran.

      »Komm doch raus, Onkel!«

      Keine Antwort erfolgte.

      »Onkel,« rief das Kind ängstlich, »du mußt dich ja ganz zerknicken, wenn du in dem kleinen Kasten sitzt. Soll ich dir aufmachen?«

      Wieder kam keine Antwort. Es wurde Pommerle ordentlich angst. Der Onkel mußte doch in dem kleinen Kasten ersticken. Wenn es nur wüßte, wie es den Kasten öffnen könnte. So lief es aus dem Zimmer, hin zur Tante.

      »Du mußt eine Zange und einen Hammer holen, Tante, wir müssen doch die kleine Kiste öffnen, damit der Onkel endlich wieder heraus kann.«

      »Was denn für eine Kiste?«

      Nun erklärte die Kleine, daß der Onkel doch nicht noch länger in dem kleinen Kasten bleiben dürfe.

      »Liebes Pommerle, der Onkel sitzt doch nicht in dem Kasten. Der Onkel sitzt in einem großen Zimmer mit vielen Leuten zusammen. Dort hat er auch genau solch einen Hörer, wie wir ihn haben, in den spricht er, genau so, wie ich es tat. Dann geht die Sprache an Drähten weiter und kommt bei uns wieder heraus. Paß auf, in wenigen Wochen macht dir das Telephon Freude, denn du lernst bald, wie man es machen muß.«

      Aber noch ein anderes Wunder gab es für Pommerle. Das war die Wasserleitung. Anna brachte es fertig, aus der Wand Wasser fließen zu lassen. Als Pommerle das zum ersten Male sah, war es geradezu sprachlos.

      »Wo kommt denn das Wasser her, Anna?«

      »Aus der Wand,« lachte belustigt das Hausmädchen.

      »Ist denn hinter der Wand Wasser?«

      »Freilich!«

      »Und wenn man die Wand zerschlägt, kommt dann auch Wasser heraus?«

      »Man darf doch die Wand nicht zerschlagen.«

      »Kannst du aus jeder Wand Wasser holen?«

      »Nein, aber wenn so ein goldener Haken daran ist, wie dieser hier, dann geht es.«

      Interessiert betrachtete das Kind den Wasserleitungshahn. Das war ihm doch etwas ganz Neues. Daheim holte man das Wasser aus einem Brunnen oder einer Pumpe.

      So suchte denn Pommerle in allen Zimmern, ob es nicht noch einen solchen blitzenden Haken fände, aus dem das Wasser herauskäme. Endlich entdeckte es in Annas Kammer solch einen ähnlichen Haken.

      »Anna, – Anna,« rief es erfreut, »darf ich auch mal drehen? Kommt hier auch Wasser raus?«

      »Wo willst du denn dran drehen?« Das Hausmädchen kam herbei. Da wies die Kleine auf einen Wandarm, der eine elektrische Birne hielt. Der aus Messing hergestellte Arm war es, der Pommerle glauben machte, daß es auch hier wieder einen Wasserleitungshahn vor sich habe.

      »Du meine Güte,« rief Anna entsetzt, »willst wohl ein Unglück anrichten, Pommerle! Es ist die elektrische Leitung, aber kein Wasserhahn!«

      So nahm sich das einstige Fischerkind vor, in Zukunft nichts mehr anzurühren, damit es dem guten Onkel und der lieben Tante keinen Schaden zufüge. Aber es gab immer wieder Neues zu sehen, und Pommerle stellte unzählige Fragen, wozu alle diese Gegenstände Verwendung fänden.

      Aber auch in Hirschberg selbst gab es an den Häusern und in den Straßen so viel Sehenswertes, daß das Verlangen des Kindes, möglichst bald auf den Berg zu steigen, zunächst nicht zum Ausdruck kam. Frau Bender widmete sich mit viel Liebe und Sorgfalt dem verwaisten Kinde, so daß sich Pommerle wie ein verzaubertes Königskind vorkam. Die schönen Spielsachen, die man ihm schenkte, wagte es kaum zu berühren.

      So vergingen die ersten acht Tage, dann eröffnete man dem kleinen Mädchen eines Morgens, daß es hier in Hirschberg zur Schule gehen werde und daß man es schon am kommenden Tage dort erwarte. Frau Bender schenkte Pommerle eine hübsche, neue Schulmappe, dazu alle notwendigen Bücher und Hefte und brachte die Kleine am nächsten Tage selbst in das große Schulhaus.

      Anfänglich war Pommerle recht scheu. Es fühlte sich fremd unter den vielen Kindern, die eine ganz andere Aussprache hatten, als es Pommerle von seiner Heimat her gewohnt war. Der Lehrer war sehr freundlich und gut zu Pommerle, auch die Mitschülerinnen näherten sich dem kleinen Mädchen, das von so weit herkam,