Eckhard Weise

Reisen der Sehnenden


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das nichts mit einem neuen Gedicht -

      für den Herren!

      Eigentlich recht schade. Hier ein Wille zur Enge wie bei Storm,

      dort das Weite jedweder Quelle wie bei Fontane.

      Finden Sie das denn nicht?

       Ahrenshoop im Garten vom Dornenhaus

      Ein Boot hat festgemacht

      an Land

      zwischen Belt und Bodden.

      Der Mast mit durch Böen bewegten Rettungswesten

      steht fest als blasser toter Steuermann.

      Die Ruder sind angelegt an abblätternden Farbresten.

      Durch den Boden hindurch

      hat Grünzeug sich Bahn gebrochen

      Brennnessel dabei –

      auch bunte Blumen.

      Der olle Kahn hat bessere Tage erblickt,

      möchte man behauten,

      im Frühtau zu wogenden Wellenbergen

      mit gehissten nassen Fahnen.

      Aber wer bildetet sich das ein

      oder will es wissen?

       Dinner for one

      Entflammte Tannenbäume

      am Strand von Sylt zu Bikebrennen.

      Aus zahllosen Kehlen zu lauter lauten Hymnenklängen

      und dem Wahlspruch

      inselfriesischer Walfangkapitäne:

      „Rüm Hart, Klaar Kiming“.

      Bald kommt ja der Sommer

      mit seinem warmen Schaum auf Badebrandungen.

      Die Böller krachen,

      bunt erstrahlt das Himmelsblau.

      Im Silvestersketch

      ein versoffenes „Prost Neujahr!?“

       Lebenslänglich

      Will verschlingen

      Herz vor Hunger

      müsst verdursten

      ohn‘ heißes Blut.

      Aufgespießt lockt

      rettender Biss.

      Edle Tropfen

      rinnen vom Stahl,

      sie laden ein

      zum letzten Ma(h)l.

      Aus tiefem Schlaf

      im Heißfieber

      schreckt stechend Schmerz

      mit aller Wucht

      trifft mich hart Hieb.

      In Händen haltend

      einzig Gesicht -

      gebrochen Blick.

      In eisige Gruft

      nimm hinab mit

      verdammt Eifersucht,

      die Leidenschaft:

      mit Eifer sucht,

      was Leiden schafft.

       Grenzfahrt

      In einem Sommer tropisch-polar irgendwo zwischen Deutschland und der Schweiz, Rhein und Bodensee, zwischen Hermann Hesse und heute, kommen von der Höhe wir ins Tal zu einem Kirchlein dicht am Ufer von Bodman.

      Je zwei Arme und Beine taten uns weh, doch vom offenen Fenster duftet herein ein buntes tröstendes Blumenmeer. Von einem Augenblick zum anderen verwandelt es sich in einen hohlen Kopf und einen zweiten … wie, als wären sie tot oben bei Golgatha auf der halben Insel Höri.

      Komm, lieber Freund Hein, nimm die letzte Fähre – oder stören wir dich allzu sehre?

      Vor lauter Erschrecken hatten wir nichts verstanden, rein gar nichts, und flüchteten uns von Hades Ufern in die vertrockneten hohen Berge.

       Fahrende Gesellen

      Auf einer Marmorbank unter einer schattigen Pinie vor den Resten des Appollo-Tempels weit über dem Meer vor Rhodos saß ich, ein Lied zu schreiben, die heiligen Ruinen zu preisen.

      Eine muntere Kinderschar kam hochgelaufen – um zu grüßen etwa mich? Nein, mit gemeinsamer Kraft rüttelten und schüttelten sie die uralten Granatapfelbäume, um letzte reife Früchte zu ergattern.

      Wie aber sollte ich denn dichten bei diesem Geschnatter? Kaum waren die süßen Bälger abgezogen mit ihrer Nachspeise, als eine laut blökende abgemagerte Schafherde sich auf die Obstreste der Mädchen und Jungen stürzte.

      Das war‘s dann wohl rund um mein griechisch anmutendes Gedicht mit dem geplanten Titel: „In der Ruhe wohnt die Kraft!“

       Wird alles gut? I

      Fleißig ist sie.

      Was sie auch tut,

      es reicht nicht zum Überleben.

       Wird alles gut? II

      Vor der Glotze packt ihn kalte Wut:

      jede Fratze in der daily soap

      lacht über sein Gemüt,

      statt ihm Suppe zu geben.

       Wird alles gut? III

      Den letzten Mut von wegen,

      den soll ihr niemand nehmen.

      Reif fühlt sie sich gar zu wandern

      mit dem Quartett hinauf nach Bremen

      im Duaduadett.

       Wird alles gut? IV

      Hinein muss er - nicht auf alten Wegen,

      nicht auf sehr unbequemen

      vielmehr auf denen im second life.

       Fragen eines lesenden Soldaten

      Ist es eine Mission?

      Verteidigung des Vaterlandes?

      Ist es eine Aggression?

      Belagerung des Wüstensandes?

       Geschichtsstunde

      Frage eines Endnoten vergebenden Paukers an den auf der Kippe stehenden Schüler Hanno Buddenbrook:

      Pauker: „In welcher Schlacht fiel Kaiser Napoleon?“

      Schüler: „Mit Gewissheit in seiner letzten!“

      Pauker: „Mit durchaus gutem Gewissen werde ich dafür Sorge tragen, dass Sie diesen Angriffskrieg gegen mich keinesfalls gewinnen werden, Sie unverschämter Lümmel! Sie werden Ihr Waterloo erleben!!“

      Schüler: Oh, dann bin ich doch froh, dass Sie schon in einer früheren Völkerschlacht dahingemetzelt wurden, sehr verehrter Her Dr. Rath!“

       Der zahme Zahn eines Löwen?

      Du streichelst sanft die letzten Samenträger einer Pusteblume -

      wie den samtenen Pelz eines Kätzchens.

      Schnurren sie, oder wollen sie endlich fliegen?

      Ein Hauch aus gespitztem Mund.

      Ein nackter Stängel.

      Alles für die Katz!