Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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Luxusausführung, es steht auf einem erhöhten Weg zwischen Wiesen, ich gehe drumrum und bewundere den Wagen, mache die Tür auf, und da fängt er an, von ganz alleine zu fahren! – ich setze mich rein und bremse, aber es nützt nichts, Kupplung, Gangschaltung – alles macht es nur noch schlimmer, er droht, seitlich abzustürzen, dann kriege ich ihn endlich in den Griff und bringe ihn wieder zu dem Ausgangspunkt zurück; dort steht Silvi mit Zornesröte im Gesicht und vorwurfsvoller Miene, reißt die Beifahrertür auf und bewirft mich unter Beschimpfungen mit Kieselsteinen – bevor sie noch mehr auf mich wirft, erkläre ich ihr, dass der Wagen von alleine losgefahren sei – irgendwie ist plötzlich klar, dass sie ihn nur geliehen hat – und erst dann ist sie besänftigt, aber sagt müde, dass er jetzt kaputt sei, und gibt mir einen traurigen Versöhnungskuss auf die Stirn –

      – kaufe ein Regal in einem Laden, dessen Besitzer ich kenne, auch seine Frau; sie sind nicht da, aber ich spüre ihre Anwesenheit, und als ich dann dabei bin, ein Regal auszuwählen, kommt der Besitzer plötzlich und bietet an, es zu verbilligen; ich könne mich dann auf ihn berufen, aber es ist ein Missverständnis, ich denke, es sei nur hundert Mark teuer, aber es sind doch dreihundert Mark, und er erklärt genau, warum es nicht anders geht; mir ist es peinlich, weil ich es dann wahrscheinlich nicht bezahlen kann –

      – in einem Brief an Alexander Kluge verteidige ich meine Texte und füge noch einen zweiten Absatz hinzu, in dem ich klarstelle, dass in ihnen keine »Sinnhuberei« stecke –

      – Lastwagen mit der Aufschrift »Schwalba−Hoth«, ich denke, das ist vielleicht die Firma von seinem Onkel –

      – bin wieder an der Küste, an der ich schon mal weggeflogen bin, im Bus zum Check-in; dort angekommen – mit jemandem zusammen – soll ich mich wiegen; ich habe aber einen dicken Bademantel an, unter dem ich nackt bin und den ich deswegen nicht ausziehen will – und wiege trotzdem nur sechzig Kilogramm – auf dem Boden liegt ein riesiges Blatt Papier, auf das ich alle möglichen Zeichen, Striche und Symbole gezeichnet habe, die ich teilweise mit rotem Filzstift verbunden habe; ein Brief von Hans Günther ist auch da, der fragt, ob ich damit überhaupt etwas anfangen kann – ich aber male weiter an meinen Eintragungen –

      – ein großes Haus, dessen obersten beiden Stockwerke keine Außenwände und kein Dach haben, wo aber Leute wohnen – ich wundere mich über die ungewöhnlich hohen Räume; auf der Seite, an die ich komme, sind circa fünf Personen in der Wohnung; einer steht an einem Wasserhahn und lässt einen Topf volllaufen – unten sitzen Leute, wie in einem Straßencafé, und schauen auf die Wohnung; ich setze mich dazu und sage zu Esther, dass das ja wie ein öffentlich lebendiges Theater sei – sie aber winkt ab; ich warte auf Sabine, aber sie kommt nicht, obwohl es sich um einen Treff handelt, und als ich wieder zu Hause bin, in München, was aber Knast ist, schreibe ich einen Brief, dass ich das nächste Mal unten bleiben will, und kritisiere Nora; bei einem Essen mit Johannes Schaaf und Rosemarie Fendel stochere ich in den Fleischstücken herum, bin satt, esse aber trotzdem weiter, und wieder in der Zelle war ein Wechsel, und eine funkelnagelneue Schulmappe steht da, die ich sofort durchwühle, schöne Ringhefte und Blocks sind drin, aber leider schon beschriftet, Elfe17 und Prinz Eisenherz18 sind dabei und ich gebe es ihnen, frage, »ob hier Mädchen sind«, weil es Mädchenhandschrift ist, »Mädchen und Power« – und weise auf das Wort Nada, das da steht, und Elfe sagt: »ja, ich weiß, ihre schöne Geschichte« –

      – wir gehen im Hof und spüren, dass die Gefangenen uns feindlich gesinnt sind, plötzlich kommt einer aus einem Haus und hat zwei lange Kuchenmesser dabei, die er nach mir wirft; sie streifen mich ganz knapp am kleinen Finger – ich nehme sie ihm und will weg – der andere greift eines vorher auf und wirft es nochmal nach mir, streift mich diesmal am Kopf – dann können wir damit abhauen; mit zwiespältigen Gefühlen geben wir sie bei den Wächtern ab, die auch sogleich die beiden Gefangenen festnehmen und fotografieren, was mir sehr unangenehm ist; in einer Kneipe sitzt Petra, die darüber sehr erschrocken ist und die Frage aufwirft, wie das überhaupt mit den sozialen Gefangenen19 gehen soll, und dass Stefan unbedingt davon informiert werden muss, beziehungsweise ihm klargemacht werden muss, dass es nicht so geht mit den sozialen Gefangenen; ich kriege wieder Vorwürfe wegen Goldie, und Petra verlangt von mir, dass ich alles, was ihn betrifft ihr überlasse – was ich sehr gern tue – und eine leicht erotische Situation mit ihr und mit Karin schließt sich daraufhin an –

      – die junge Nora in einer Diskussion neunzehnhundertundachtundsechzig mit einem Professor; sie sagt, Politik habe etwas mit Mathematik zu tun, und der Professor ist begeistert und will sie küssen; ich sitze bewundernd in der Nähe auf dem Boden und Gert dazwischen, sich entsetzt seinen Schnurrbart zwirbelnd; hinterher reden wir lange mit einer Gruppe, die eine Druckerei macht oder ähnliches und uns freundlich aufnimmt; Fusionsüberlegungen werden angestellt, ich bin innerlich skeptisch, weil es eh keinen Sinn hat, so etwas zu machen, wir zeigen uns unsere Hände, die schwielig von der Arbeit sind –

      – Ebby ist mit im Umschluss, und plötzlich bricht mir beim Essen ein Zahn ab; ich renne ins Klo, das ein uraltes ist, mit einem schäbigen Emaillebecken, in das ich das, was im Mund habe, spucke, fast der ganze Zahn ist weg, und die anderen denken, ich kotzte, weil ich alles ausspucke –

      – Annemarie hat einen Brief geschrieben, in dem sie eine neue Geschichte von mir über alle Maßen lobt, auf schönes Papier sind dreidimensionale Buchstaben geklebt und das Ganze mit Folie überzogen; ich freue mich sehr und will danach endlich mal wieder Schlagzeug spielen, aber dann kommt Ebby und die Vorbereitungen nehmen zu viel Zeit in Anspruch; wir müssen dann plötzlich fliehen und einen Angriff abwehren, verteilen uns in Gängen eines Kellers, bis die Gefahr vorbei ist; danach findet eine Hochzeit statt, bei der ich irgendwie zu dem Paar gehöre, aber als es dann spät und ins Bett gegangen wird, wird es Kampf und ich gehe –

      – wir sitzen am Mittagstisch, und Ebby schmeißt pötzlich Angelika, Olga und Johnson raus, nicht direkt, sondern durch Schilderung der finanziellen Zwangslage, aus der es nur eine Lösungsmöglichkeit gäbe, die sie dann auch verstehen, und sie gehen, erst Johnson, dann die anderen; große Trauer breitet sich aus, ich denke, »jetzt wird im alternativen Betrieb das ›Hire and Fire‹ freiwillig durchgeführt« und zum Abschied umarmen mich Angelika und Olga nochmal am Fenster besonders innig zusammen, um zu beteuern, dass sie mir und uns keine Vorwürfe machen; als wir dann wieder zu Dritt – mit Fips – alleine sind, werden wir melancholisch –

      – mit Hermann Löllhöffel verabredet; ich hetze durch alle möglichen U-Bahnen, Umwege wegen Baustellen, Stauungen etc.; am Bahnhof nehme ich ein Taxi, das nur eine Mark sechzig kostet, weil es nicht mehr so weit ist, und da steht er und ist leicht indigniert, hätte ich noch länger gebraucht, wäre er gegangen; erstmal bin ich ganz überrascht von den Bauten um den Platz, wiederhergestellte griechische Prachtbauten, riesige Statuen zum Teil von Tieren, gepflegter Rasen und dazwischen ein Gewirr von Straßen –

      – Treffen mit Siegfried Haag, gute Atmosphäre, er lädt Decken auf eine Schranke, es geht auch um seine Kinder –

      – meine Diät auf einem Inlandsflug kostet über dreihundertundfünfzig Mark, mehr als der Flug selbst, beschwert sich eine Stewardess, und mehrere Passagiere reden auf mich ein, ich solle doch in Zukunft einen Flug außerhalb der Essenszeiten nehmen, da landet die Maschine schon, ich kann mich gerade noch hinsetzen und gehe dann unschlüssig draußen auf, beziehungsweise neben einer Autobahnraststätte auf und ab; da scharwenzelt ein Mädchen neben mir hier, umkreist mich und tänzelt, ich will weiter zum Trampen, da sagt sie, sie habe sich in mich verliebt, doch als ich sie küssen will, klettert sie auf einen Baum, auf den ich ihr nicht folgen kann, doch dann liegen wir nackt im Bett und sie preist ihre Möse an, sie sei direkt offen zum Reinfahren, und das zeigt sie mir: tatsächlich, sie hat keine Schamlippen – ich empfinde nichts und will ihre Klitoris reiben, doch da ist sie total erbost und will, dass ich es mit ihrer Hand tue – ich befolge es, aber es ist wie Eis alles –

      – in einer winzigen Kneipe alternativen Zuschnitts spielen drei Leute, zwei Männer und eine Frau, der Gitarrist harmonisiert aufs Äußerste mit dem Geiger die Rhythmen; so sehr, dass es schon wieder mechanisch und runtergeleiert klingt; auch sehen sie gelangweilt aus, ich denke, dass sie nur spielen, um halt in Übung zu bleiben – trotzdem gehe ich mit ihnen nach Hause und der Gitarrist bedrängt mich vielleicht