Wände eingelassen und eine riesige Leinwand hing am anderen Ende des Konferenztisches. Auf dem Tisch selbst befestigt befanden sich Tabletcomputer und kleine Mikrofone – sie konnten, wenn nötig, eingefahren werden, falls jemand sein eigenes Gerät verwenden wollte.
Jeder gepolsterte Ledersessel am Tisch war heute besetzt – Luke erspähte einige uniformierte Generäle sowie Beamte in teuren Geschäftsanzügen. Die meisten Anwesenden waren mittleren Alters und übergewichtig – Regierungsmitarbeiter, die viel Zeit in solchen gemütlichen Stühlen verbrachten und gerne ausgiebig aßen. Die Stühle sahen allesamt aus wie Kapitänssessel eines Raumschiffs, das gerade quer durch die Galaxie fliegt. Übergroße Armlehnen, gepolsterte Lederbezüge, hohe Rückenlehnen, ergonomisch korrekt und mit Lendenstütze.
Die Sitze entlang der Wände – kleinere, rot gepolsterte Stühle – waren voll mit jungen Assistenten und Assistentinnen, die Kaffee aus Plastikbechern schlürften, Nachrichten auf ihren Tablets eintippten oder leise in ihre Handys murmelten.
Susan saß in einem Ledersessel an Lukes Ende des Lagezentrums. Sie trug einen blauen Nadelstreifenanzug. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und hörte gerade einem jungen Assistenten zu. Luke versuchte, sie nicht anzustarren.
Nach einem kurzen Moment sah sie auf und nickte ihm zu.
„Agent Stone“, sagte sie. „Danke, dass Sie gekommen sind.“
Luke nickte. „Madam President. Natürlich.“
Kurt klatschte in seine riesigen Hände, als ob Lukes Ankunft das Signal gewesen wäre, auf das er gewartet hatte. Sein Klatschen klang, als wäre ein schweres Buch auf einen Steinboden gefallen. „Aufgepasst, alle miteinander! Ruhe, bitte.“
Stille machte sich im Lagezentrum breit. Zumindest fast. Ein paar Militärs am Konferenztisch ließen sich nicht dabei stören, sich weiter zu unterhalten.
Kurt klatschte erneut in die Hände.
KLATSCH. KLATSCH.
Sie sahen ihn an. Er hob seine Arme, als wollte er sagen: „Seid ihr jetzt fertig?“
Endlich wurde der Raum komplett still.
Kurt bedeutete einer jungen Frau, die in einem Stuhl zu seiner Linken saß, loszulegen. Luke hatte sie schon oft hier gesehen. Sie war Kurts unersetzliche Assistentin. Ihr rotbraunes Haar war zu einem kurzen Bob frisiert, so wie Susans – kurze Bobs waren unter jungen Frauen heutzutage äußerst beliebt. Das war natürlich auch den Zeitschriften und Tratschsendungen im Fernsehen aufgefallen. Kritiker nannten die Frisur den Hopkins-Bob, wenn sie ihnen gefiel und den Hopkins-Helm, wenn nicht. Für die jungen Damen, die sich ihr Haar so richteten, gab es allerdings nur einen allgemeingültigen Namen.
Susans Armee.
Luke gefiel diese Bezeichnung. Er trug zwar keinen Bob, aber er schätzte, dass auch er ein Teil von Susans Armee war.
„Amy, mach die Karten auf, bitte“, sagte Kurt. „Israel und den Libanon.“
Auf dem Bildschirm erschienen blaue und gelbe Symbole, die Explosionen darstellen sollten, im südlichen Libanon. Sie reichten im Norden bis zur südlichen Grenze von Beirut.
„Vor wenigen Stunden hat die israelische Luftwaffe mit ihrer Bombardierung begonnen. Sie greifen die Hisbollah-Tunnelsysteme und Stützpunkte entlang der Blauen Linie an, sowie die von der Hisbollah kontrollierten Stadtteile im Süden von Beirut. Das ist keine große Überraschung und wurde uns sogar von Yonatan Sterns Regierung gestern Abend bereits angekündigt.“
Auf dem Bildschirm tauchten nun rote Symbole in Israel auf. Insgesamt waren es vielleicht fünfzehn. Einen Augenblick später erschienen kleinere rote Symbole im Norden von Israel. Von diesen gab es Dutzende.
„Kurz nachdem Israel mit seinem Luftangriff begann, hat die Hisbollah damit angefangen, Raketen nach Israel zu schicken. Das ist nicht weiter ungewöhnlich für Schlachten zwischen den beiden Fronten. Der Krieg im Jahre 2006 verlief sehr ähnlich. Doch es gibt ein Problem. Seitdem hat die Hisbollah sich bessere Feuerkraft gesichert.“
Ein Foto einer großen Rakete auf einer mobilen Startplattform erschien.
„Das ist die Fateh-200, ein iranisches Waffensystem. Langstreckenrakete mit mehreren Sprengköpfen, die einiges an Schaden anrichten können. Werden sie aus dem Libanon gestartet, können sie nahezu jedes Ziel in Israel erreichen, außer vielleicht die nur leicht besiedelte Negev-Wüste im Süden. Mit ihrer ausgeklügelten Steuerung und Navigation hat die Hisbollah zum ersten Mal Möglichkeiten für Präzisionsschläge.“
Kurt hielt einen Moment inne. „Laut unseren Quellen verfügt die Hisbollah inzwischen über die Fateh-200. Wir glauben, dass sie bis jetzt ungefähr zwanzig bis dreißig dieser Raketen gestartet haben. Jede von ihnen trug bis zu zwölf Sprengköpfe. Sie haben zivile und militärische Ziele in Bevölkerungszentren in ganz Israel anvisiert, einschließlich Tel Aviv, dem westlichen Rand von Jerusalem, dem Zentrum von Haifa und anderen Städten. Israels Flug- und Raketenabwehrsystem, auch bekannt als Davids Schleuder, hat vielleicht zwei Drittel dieser Angriffe abgewehrt. Doch das hat nicht gereicht.
„Mehrere zivile Nachbarschaften wurden getroffen und zahlreiche Gebäude wurden zerstört. Einer der Sprengköpfe traf ein Ziel, das nur einen halben Kilometer von der Knesset entfernt war, Israels Parlament, während gerade eine Sitzung tagte.“
„Wie viele Tote gibt es bis jetzt?“, fragte Haley Lawrence, der Verteidigungsminister.
„Bis jetzt kennen wir nur die offiziellen Zählungen, die veröffentlicht wurden. Mehr als 400 zivile Opfer, tausende Verletzte und eine Menge Zerstörung und Panik. Zahlen über Militäropfer wurden bis jetzt noch nicht veröffentlicht, doch die Israelis bereiten sich auf einen totalen Krieg vor und rufen momentan sämtliche Reserven und einsatzfähige Veteranen dazu auf, sich zu melden. Sie haben ihre Bombardierungen im Libanon drastisch hochgefahren, vermutlich um die restlichen Fateh-200-Raketen zu zerstören, bevor sie gestartet werden können.“
„Haben sie Erfolg gehabt?“, fragte Luke, kannte die Antwort aber bereits.
Kurt schüttelte seinen Kopf. „Das wissen wir noch nicht. Wir bezweifeln es aber. Noch während wir hier sitzen, startet die Hisbollah weiterhin kleine, ungerichtete Raketenschläge in Richtung Nordisrael und demonstriert damit, dass sie immer noch die Möglichkeiten haben, Angriffe zu unternehmen. Wir glauben, dass sie die restlichen Fateh-200-Raketen im Moment noch zurückhalten, später aber einsetzen könnten.
„Israel hat den Iran öffentlich dafür beschuldigt, die Hisbollah mit den neuen Raketensystemen auszustatten. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben sie damit recht. Die Hisbollah ist ein Handlanger für den Iran. Vor dreißig Minuten hat Israel damit gedroht, den Iran anzugreifen, falls auch nur eine weitere Fateh-200 oder eine ähnliche Rakete gestartet wird.“
Kurt holte kurz Luft. „Zehn Minuten später hat der Iran die Israelis darüber in Kenntnis gesetzt, dass jeglicher Angriff seitens Israel dazu führen wird, dass sie mit einem Atomschlag antworten werden. Außerdem haben sie sie darüber informiert, dass sie diesen Atomschlag auch auf den amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Doha, Qatar, sowie auf unsere Botschaft in Bagdad richten werden.“
Das Lagezentrum war mehrere Sekunden lang totenstill. Luke stand in einer Ecke und beobachtete die Gesichtsausdrücke der Anwesenden. Mehrere Mitarbeiter wurden rot, als wäre ihnen etwas peinlich. Andere starrten mit weit aufgerissenen Augen und Mündern ins Leere.
„Der Iran hat keine Atomwaffen“, sagte jemand. „Das ist nicht möglich.“
Kurt schüttelte seinen Kopf. „Jedes internationale Abkommen und jede Vereinbarung besagt, dass der Iran keine nuklearen Fähigkeiten hat und es ihnen untersagt ist, welche zu entwickeln. Doch das heißt nicht unbedingt, dass sie keine Atomwaffen besitzen. Amy, den Iran, bitte.“
Eine neue Karte tauchte auf dem Bildschirm auf. Luke fühlte sich bei ihrem bloßen Anblick unwohl. Er war schon einmal im Iran gewesen. Nicht gerade sein Lieblingsort.
„Die Islamische Republik Iran ist eine schiitisch-islamische Theokratie. Wir wissen, dass sie seit der Islamischen Revolution im Jahre 1979 schon Ambitionen hegen, Atomwaffen zu erlangen.“
„Aber