Harry Voß

Ben und Lasse - Agenten als Piratenbeute


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schlägt sich beide Hände an den Mund. „Wirklich? Dann … dann müssen wir die Piraten in dem Park ja verhaften!“

      „Die Piraten in dem Park sind lieb“, erkläre ich. „Die können wir laufen lassen. Die tun niemandem was Böses. Die singen nur Lieder und erzählen Geschichten. Das ist nicht verboten.“

      „Woher weißt du das, Ben? Vielleicht tun die ja nur ganz lieb und sind in echt ganz böse!“

      „In diesem Fall kannst du dich entspannen, Lasse. Denk dran: Es gibt nicht nur Verbrecher auf dieser Welt.“

      „Nicht nur. Aber viele! Und wenn Piraten eigentlich Verbrecher sind, sollten wir sie besser im Auge behalten!“

      „In Ordnung. Du behältst sie im Auge. Ich fahre Achterbahn.“

      Kathi zieht verächtlich die Nase hoch: „Ihr immer mit euren Agenten-Angebereien.“ Sie öffnet ihren Rucksack und zieht eine Haarbürste heraus.

      Lasse dreht sich zu ihr um: „Angebereien? Nur weil wir Agenten sind? Du bist ja bloß neidisch!“ Lasse tippt auf die Agentennadel auf seinem T-Shirt. „Siehst du? Das hier ist der Beweis: Ich bin wirklich ein Agent!“

      Kathi beachtet den Anstecker nicht, sondern bürstet sich ihre sowieso schon glatten braunen Haare, während sie aus dem Fenster schaut. „Ihr spinnt.“

      Kathi, Lasse und ich sitzen auf der hintersten Bank des VW-Bullis. Vor uns sitzen Maria, Jonas und Hanna. Ganz vorne neben Moni sitzt Elisabeth. Manni ist unser Fahrer.

      Lasse will noch etwas erwidern, holt kurz Luft, aber dann überlegt er es sich anders und beugt sich wieder nach vorne: „Wann sind wir da, Moni?“

      „Wie gesagt“, Moni dreht sich nach hinten um, „gleich machen wir kurz Rast.“

      „Ich will keine Rast machen“, blökt Lasse, „sondern ins Piratenland. Ich habe auf dem Bild gesehen, dass es da ein ganz wildes Karussell gibt. Es heißt ‚Fips-Piratenfloh‘, hat Mama mir vorgelesen. Das klingt lustig. Darauf will ich fahren. Du auch, Ben?“

      „Garantiert nicht.“

      „Fips-Piratenfloh“ ist eins der Kinderkarussells für die jüngeren Kinder. Ich werde mich heute nicht blamieren und mit Lasse in Kindergarten-Bähnchen fahren. Eigentlich habe ich noch nicht einmal vor, mit meinem kleinen Erstklässler-Bruder durch den Freizeitpark zu schlendern, aber das habe ich ihm noch nicht deutlich genug erklären können. Ich weiß nur noch nicht, mit wem genau ich durch diesen Park gehe.

      „Eine Pause tut uns allen gut“, fährt Moni fort. „Dann sind wir in ‚Käpt’n Silvers Wunderland‘ gestärkt und müssen nicht sofort unser Geld für Essen ausgeben.“

      „Ich hab genug Geld mit“, gibt Kathi an.

      „Ich hab immer Hunger“, sagt Hanna, die direkt vor Kathi sitzt.

      „So siehst du auch aus“, kommt es frech von Kathi.

      Hanna dreht sich empört nach hinten und schlägt mit ihrer Hand nach Kathi. Aber durch den Gurt kann sie sich nicht genug bewegen. Sie trifft Kathi nicht.

      „Ha, ha“, kräht Kathi, „nicht getroffen, Schnaps gesoffen!“

      „Du doofe Kuh!“, schimpft Hanna, dreht sich nach vorne und zieht eine Tüte Erdnuss-Flips aus ihrem Rucksack.

      Lasse klopft mir an den Arm: „Wartest du dann vor der Bahn, während ich im Fips-Piratenfloh fahre?“

      „Ähm, Lasse …“, versuche ich ihm mein Anliegen schonend beizubringen, „wolltest du … ähm … nicht mit Jonas zusammen durch den Park gehen?“

      „Jonas geht doch mit Maria.“

      „Ja, aber die dürfen nicht zu zweit bleiben. Da passt du noch gut dazu. Schau mal, Jonas ist neun Jahre und du bist sechs. Das passt besser als elf und sechs. Meinst du nicht auch?“

      Lasse zieht seine Unterlippe nach vorne. „Ich will aber lieber mit dir gehen, Ben.“

      „Aber ich will vielleicht in den großen, gefährlichen Bahnen fahren. Da darfst du noch nicht rein.“

      Lasse drückt nachdenklich seinen dicken Kuschel-Elefanten an sich, den er die ganze Fahrt über schon auf seinem Schoß hält. Dann sagt er: „Ich kann doch vor der Bahn warten, bis du zu Ende gefahren bist.“ Und schon grinst er wieder. „Aber nur unter der Bedingung, dass du dann auch mit mir Fips-Piratenfloh fährst!“

      „Das ist ein Baby-Karussell, Lasse. Damit fahre ich nicht.“

      „Stimmt gar nicht! Das geht ganz schön hoch. Und wenn man in den Wagen sitzt, dann kann man einen Hebel ziehen, dann gehen die Wagen hoch und runter. Wie ein hüpfender Floh.“

      „Klasse, Lasse. Trotzdem sind das Baby-Bähnchen. Ich glaube, Jonas würde gerne mit so was fahren. Frag den doch gleich mal.“

      Jonas, der vor Lasse sitzt, dreht sich um: „Nein, Ben. Ich fahre nicht mit Fips-Piratenfloh. Das ist mir zu schnell. Da wird mir schwindlig.“

      Ich beuge mich entsetzt vor: „Im Piratenfloh wird dir schwindlig?“

      „Ja.“

      Lasse schlägt mir an den Arm. „Siehst du, Ben! Der ist nämlich doch sehr, sehr gefährlich! Genau das Richtige für mutige Agenten, wie wir es sind!“

      Mutige Agenten, die ein albernes Plüschtier auf dem Schoß halten müssen. Ich lach mich tot. Natürlich nur innerlich. Äußerlich sage ich nichts und schaue aus dem Fenster.

      „Ein Agent wie ich blamiert sich auf keinem Piratenfloh-Bähnchen. Das kann ich dir sagen.“

      Da dreht sich Hanna um: „Ich finde Fips, den Piratenfloh lustig. Ich kann mit dir darin fahren, Lasse.“

      „Oh, cool!“, freut sich Lasse. „Kommst du dann mit uns beiden? Ben und ich sind schon mal ein Zweierteam. Mit dir sind wir zu dritt!“

      Kathi beugt sich nach vorne: „Meinst du, du passt in das Bähnchen rein, Hanna, ohne dass die Bahn einkracht?“

      Wieder regt sich Hanna auf und schlägt mit ihren Händen nach hinten: „Du doofe, doofe, alte Zicke!“

      Nach mehreren Schlägen in die Luft hat sie Kathi an den Beinen getroffen.

      „Moni, Moni!“, quakt die laut durch den Bus. „Hanna schlägt mich!“

      Hanna verteidigt sich sofort: „Und Kathi ärgert mich!“

      Moni dreht sich um und rollt mit den Augen. „Jetzt haltet es einfach noch ein paar Minuten aus. Auf dem Rastplatz könnt ihr euch austoben.“

      „Ich will zum Freizeitpark fahren“, knurre ich, „und mich dort austoben.“

      Bald darauf sitzen wir auf einem Rastplatz um einen Steintisch herum auf zwei Holzbänken. Auf jeder Bank sitzen vier Leute und mampfen etwas aus dem mitgebrachten Vorrat. Lasses Kuschel-Elefant sitzt auf dem Tisch und soll uns zuschauen. Manni lehnt an einem anderen Tisch und isst einen Pfirsich. Die Sonne scheint. Es ist ein toller Tag für einen Ausflug in einen Freizeitpark. Moni schaut fröhlich in die Runde: „So, jetzt ist es gar nicht mehr weit, bis wir da sind. Am Eingang werde ich für uns alle die Eintrittskarten besorgen. Dann gehen wir rein und werden einen schönen Tag haben. Ihr habt ja alle meine Handynummer. Wenn irgendwo ein Problem auftaucht oder sich eine Gruppe verliert, dann könnt ihr mich jederzeit anrufen.“

      „Ich hab kein Handy“, meldet sich Lasse.

      Moni lächelt. „Aber Ben hat ja eins. Richtig, Ben?“

      Mir fährt ein kleiner Stich durch den Bauch. „Ja, schon, äh … aber … ich weiß noch nicht, ob ich … äh …“

      „Ich hab auch kein Handy“, sagt Jonas, „aber Maria hat ja eins.“ Er schaut Maria an. Die nickt, ohne den Strohhalm ihres Trinkpäckchens aus dem Mund zu nehmen.

      „Manni“,