Mal sind alle Menschen böse, mal nicht. Woher soll ich das denn wissen?“
„Für heute reicht es, wenn du dir einfach vornimmst, den Rucksack nicht irgendwo abzustellen, ohne dass du darauf aufpassen kannst. Klar?“
Lasse stöhnt leise auf. Es fällt ihm schwer, so schnell zu gehen wie ich. „Ja, ist gut.“
„Versprich es mir.“
„Ja, ja. Versprochen.“
Endlich sind wir wieder im Freien. Ein riesengroßer Seehund steht vor der Tür und winkt uns zu. Lasse bleibt stehen, grinst ihn an und winkt ebenfalls. Dann holt er mich wieder ein. „Die sind cool, was?“
„Ja, Lasse. Sehr cool.“
„Darf ich jetzt was von meinem Taschengeld kaufen?“
„Nein, Mann! Jetzt gehen wir erst mal zu den anderen!“
„Aber ich habe fünf Euro!“
„Das weiß ich! Aber die musst du nicht in den ersten fünf Minuten ausgeben!“
Vorne am Blumenbeet stehen Moni und Manni.
„Wo sind die anderen?“, frage ich.
„Jonas, Maria und Elisabeth sind gerade losgegangen“, sagt Moni. „Die wollten als Erstes zur Geisterbahn.“
Mir klappt der Mund auf. „Dahin wollte ich auch!“
„Weißt du, wo Kathi und Hanna sind?“, fragt Moni.
„Keine Ahnung. Die wollten zur Toilette. Aber bei den Frauen ist eine sehr lange Schlange.“
„Dann sollten wir auf die beiden warten“, meint Moni. „Alleine dürfen die nicht gehen.“
„Ich will aber nicht mit den beiden Zicken losziehen“, entfährt es mir.
„Ach, Ben“, ermahnt mich Moni. „Wir im Kindergottesdienst halten doch alle zusammen, oder etwa nicht?“
Ich wende mich Manni zu: „Sollen Lasse und ich mit dir gehen? Und die beiden Mädchen gehen mit Moni?“
Manni schaut Hilfe suchend zu Moni. Die antwortet an seiner Stelle: „Wir beide müssen als erstes die Karten für die Schatzsuche verstecken. Danach wollen wir eine kleine Runde mit dem Piratenschiff drehen. Ich fand, das klang ganz interessant mit den Piratenliedern.“
Ich stöhne laut auf. Was soll denn das für ein Tag in diesem Park werden?
4
Bald darauf kommen Kathi und Hanna angeschlendert. Schon von Weitem höre ich, wie sie sich angiften. „Nur weil du dich noch so lange vorm Spiegel gebürstet hast!“, beschwert sich Hanna.
„Stimmt gar nicht! Du musstest dir ja unbedingt noch stundenlang die Hände föhnen!“
„Ich hasse nasse Hände!“
Dann sind sie bei uns angekommen. „Wo sind die anderen?“, fragt Kathi sofort.
„Weg“, fasse ich unser Dilemma mit einem Wort zusammen.
Hanna reißt die Augen auf. „Und jetzt?“
Kathi zeigt auf mich. „Kann das sein, dass wir jetzt mit euch gehen müssen?“
Moni nickt. „Das kann nicht nur sein, das ist auf jeden Fall so.“
Lasse hebt wieder seinen Lehrer-Finger: „Theo-metrisch!“
Kathi schaut Lasse an, als käme er vom Mond. „Was, bitte?“
Hanna verschränkt die Arme. „Mit Ben und Lasse zu gehen, finde ich nicht schlimm.“ Dann schaut sie über die Schulter zu Kathi und verzieht das Gesicht. „Aber mit dieser Zicke gehe ich nicht.“
Kathi verschränkt ebenfalls die Arme. „Dann bleibe ich hier und warte, bis wir wieder nach Hause fahren. Ich finde den Park sowieso doof und wollte von Anfang an nicht mit!“ Ich sehe, wie ihr Kinn zittert, aber sonst lässt sie sich nicht anmerken, dass sie gleich losheult.
Moni legt ihr eine Hand auf die Schulter. „Na, nun komm, Kathi. So schlimm wird es ja nicht werden. Schau mal, Ben und Lasse führen euch super durch den Park. Und sie gehen bestimmt mit dir auch mal in eine der Bahnen, die dir gefallen. Und Hanna ist so ein liebes Mädchen. Mit der kann man sich super vertragen.“
„Die nervt mich immer“, schmollt Kathi.
Hanna plustert sich auf: „Gar nicht! Du nervst! Du beleidigst mich immer!“
„Siehste?“, blökt Kathi los. „Da fängt sie schon wieder an!“
„Jetzt hört mal zu, ihr zwei.“ Moni sieht Kathi und Hanna streng an. „Ihr seid beide große und vernünftige Mädchen. Ihr wollt einen schönen Tag in diesem Park erleben. Wir haben uns alle darauf gefreut. Und ich denke, gerade als Kinder aus einem Kindergottesdienst, in dem wir versuchen, auf Gott zu hören, sollte es uns gelingen, immer wieder aufeinander zuzugehen und dem anderen eine Chance zu geben. Meint ihr nicht auch?“
Beide Mädchen stehen mit verschränkten Armen nebeneinander und haben die Augenbrauen so tief nach unten gezogen, wie sie nur können. Aber sie sagen nichts.
Da mischt sich Lasse ein: „Hanna, du wolltest doch mit mir in dem Fips-Piratenfloh-Karussell fahren. Das finde ich cool! Wenn wir jetzt losgehen, dann können wir zwei in dem Karussell nebeneinander sitzen, ja? Weißt du, Ben wollte nicht mit mir in den Piratenfloh gehen. Und du, Kathi, kannst ja so lange mit Ben vor dem Karussell warten. Dann ist es ihm nicht so langweilig, während wir fahren. Ja? Oder willst du lieber mit uns Fips-Piratenfloh fahren?“
„Fips-Piratenfloh“, wiederholt Kathi verächtlich, als sei das eine Seuche. „Das ist Babykram!“
Wieder plustert sich Hanna auf: „Stimmt gar nicht!“
Bevor sich Kathi weiter aufregen kann, kommt Lasse ihr zuvor: „Dann musst du ja auch nicht mitfahren! Du wartest mit Ben, bis wir fertig sind. Ben traut sich auch nicht in den Piratenfloh.“
Jetzt hätte ich am liebsten protestiert. Als ob ich mich nicht trauen würde! Pah! Ich will mich einfach nicht blamieren, in einem Baby-Karussell gesehen zu werden. Aber in diesem Augenblick finde ich es klüger, lieber mal nichts zu sagen.
Lasse ist noch nicht fertig: „Danach können wir ja in eine Bahn gehen, die dir gut gefällt. Wo möchtest du denn gerne rein, Kathi?“
„Ich will in die Seehunde-Show.“
Hanna strahlt: „Dahin will ich auch!“ Aber dann fällt ihr auf, dass sie soeben Kathi zugestimmt hat, und macht sofort wieder ein grimmiges Gesicht. „Aber nicht mit Kathi.“
Lasse klopft Hanna an den Arm: „Und ich finde Seehunde auch cool! Und du auch, Ben, ja?“
„Geht so“, sage ich teilnahmslos. Innerlich verabschiede ich mich gerade von einem aufregenden Tag in „Käpt’n Silvers Wunderland“. Ich werde heute mit einem Erstklässler und zwei Mädchen Fips-Piratenfloh-Bähnchen fahren und Seehunde-Shows anschauen. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich mir vorgestellt habe.
Manni sieht meinen Blick. „Und ihr müsst ja nicht die ganze Zeit in dieser Gruppe bleiben. Wenn ihr heute Mittag wieder hierherkommt, dann können wir die Zusammenstellung ja noch mal neu mischen. Ja?“ Er knufft mich mit seiner Faust an die Schulter. „Und wir beide gehen nach dem Mittagessen in alle coolen Bahnen, die es hier zu finden gibt. Klar?“
Na, das klingt ja mal nach einem vernünftigen Vorschlag. Ich reiße begeistert die Augen auf: „Versprochen?“
„Versprochen!“ Noch einmal stößt er leicht mit seiner Faust gegen meine Schulter. Dann hält er seine Faust so vor mich, dass ich sie mit meiner Faust anticken kann. Ein freundschaftlicher Faustschlag unter Männern. Innerlich wachse ich gerade um fünf Zentimeter.
„Also gut“, sage ich. „Dann lasst uns mal losgehen. Zuerst zu Lasses Piratenfloh, dann zur Seehunde-Show und dann schauen