war das Mädchen, das Lumi entdeckte und aufgeregt mit dem Finger auf sie deutete. „Schaut! Da vorn!“
Die Schneefee war zufrieden, sie war gesehen worden und konnte damit beginnen, die drei Menschen aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Sie nahm keinen Kontakt auf, sondern schwebte einfach vor ihnen her, wies ihnen so den Weg. Tatsächlich folgten sie ihr. Vielleicht waren sie mittlerweile so verzweifelt, dass sie alles gemacht hätten, um sich zu retten. Ihr schwarzes Haar, welches sonst ein Problem war, war nun die Lösung der schlimmen Situation, denn es hob sich von der weißen Umgebung ab. Sie achtete darauf, dass die Menschen hinterherkamen. Sie sanken tief in den Schnee, aber sie hatten neue Hoffnung geschöpft. Das war gut.
Nach gefühlten Stunden kamen sie zu den ersten Häusern eines Dorfes. Jetzt konnte Lumi die Menschen ohne Sorge allein lassen. Sie würden es schaffen. Die kleine Schneefee flog schnell davon, aber nicht allzu weit, denn die wollte ganz sicher sein, dass nicht noch etwas passiert.
Ob sie Ärger bekam, weil sie sich einem Menschen gezeigt hatte? Es war durchaus denkbar, aber der Weihnachtsmann beschenkte die Menschen, da würde er sicher nicht wollen, dass ihnen etwas passierte.
Am nächsten Tag war Heiligabend. Welch ein Unglück wäre es gewesen, wenn den dreien so kurz vor diesem Tag etwas Schlimmes passiert wäre. Sie hatte richtig gehandelt, dessen war sie sich sicher. Es konnte nicht falsch sein, anderen zu helfen, selbst wenn dafür Grenzen übertreten werden mussten.
Eine einzelne Schneeflocke fiel vom Himmel, verfing sich in Lumis Haar und konnte sich so an ihre Wange schmiegen. Die Schneefee lächelte. Der Schnee gehörte einfach zu ihr, war ihr Freund, ihr treuer Begleiter.
Die Menschen waren fast an ihrem Ziel angekommen, standen vor der Tür eines Hauses und warteten, dass sie eingelassen wurden. „Was war das für ein Wesen, Vater?“, fragte das Mädchen, sah zu ihrem Vater auf.
Er lächelte erschöpft, aber mit deutlicher Erleichterung, dass sie endlich ins Dorf gefunden hatten. Der Schneesturm hatte sie überrascht. „Ich weiß es nicht, meine Kleine, aber es war unsere Rettung“, sagte er.
Die Tür ging auf. Eine Frau mit einem Baby auf dem Arm öffnete sie, sie sah besorgt aus, aber als sie sah, wer da stand, könnte ihre Erleichterung nicht größer sein. Tränen standen in ihren Augen.
Lumi strahlte. Sie war die Rettung für diese Menschen gewesen und das, obwohl sie sich sonst vor ihnen versteckt halten musste. Es war richtig gewesen, was sie getan hatte, das war ihr von Anfang an klar gewesen. Heute hatte ihr Anderssein drei Menschen das Leben gerettet.
Fröhlich flog sie davon, Schneeflocken umspielten sie und die Schneefee tanzte mit ihnen. Wenn sie sich drehte, entstand ein Schneewirbel, aber das machte nichts, denn jetzt war keiner mehr da, der in Gefahr geraten konnte.
Wieder vom Dorf entfernt in der kahlen Tundra Finnlands entstand ein richtiger Schneesturm, weil Lumi so ausgelassen mit ihren Freunden, den Schneeflocken, tanzte. Sie sangen das Lied des Winters zusammen, ließen die Melodie durch die Landschaft fließen und verzauberten sie so. Es war reine Glückseligkeit, die Lumi durchfloss.
Lumi hieß nicht nur Schnee, sondern für sie bedeutete nun auch Rettung.
Sabine Mahlich wurde 1990 in Leonberg geboren. Sie studierte Germanistik auf Bachelor und Master. In ihrer Freizeit schreibt sie gerne Geschichten, spielt Klarinette und hört Musik.
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Weihnachtself Lars
Tief in einem verschneiten Wald unter Baumwurzeln lebte Weihnachtself Lars mit seinen Elfeneltern und zwei älteren Schwestern. Sie führten ein einfaches, aber glückliches Leben. Das Jahr über ging Lars in die Elfenschule, um etwas zu lernen. Er musste immer viel lernen und hatte meist kaum Zeit übrig.
An Weihnachten hatte er noch mehr zu tun. Wunschzettel mussten gelesen und geprüft werden, wobei Lars mithalf. Auch wurden Geschenke verpackt, damit sie der Nikolaus auf seinem Schlitten verstauen konnte. Seine Elfeneltern waren für die Geschenke verantwortlich, denn Lars war noch zu jung, um voll eingesetzt werden zu können. Gut, einige Stunden half er schon mit. Lars machte aber nur die einfachen Sachen. Er hoffte dabei jedes Jahr aufs Neue, dass nichts schiefging.
Seine Schwestern wollten nie so recht helfen. Sie hatten keine Lust und wollten ihre knappe Freizeit nicht dafür opfern. Trotzdem, der ganze Wald war aktiv und im Weihnachtsfieber. Bäume schmückten die Elfen immer besonders schön, ein Lichtermeer, einfach wunderbar. Zwischen Geschenkpapier und Bändern arbeiteten sich alle durch das Durcheinander. Abends fielen sie dann sehr spät ins Bett. Und am nächsten Tag ging es weiter. Alle freuten sich, wenn die Anstrengungen wieder einmal geschafft waren.
Lars’ Vater war Schuster und seine Mutter Näherin. Sie arbeitete zu Hause. Da hatte sie mehr Ruhe und konnte sich die Zeit besser einteilen. Doch an Weihnachten blieb ihre Arbeit liegen, denn da mussten ja alle Elfen des Waldes helfen, auch die Elfenkinder.
„Mama, wo ist denn die Holzeisenbahn, ich wollte sie in eine Schachtel tun?“
„Da hinten Lars. Moment, ich bring sie dir“, sagte die Mutter.
Als das gemacht war, suchte die Elfenmutter eine Puppe. Sie fand und verpackte sie.
Die Geschenke stapelten sich inzwischen im ganzen Zimmer. Lars hatte Angst, dass sie umkippten und etwas davon kaputtging. Und tatsächlich passierte es: Gerade das Geschenk, das Lars verpacken wollte, fiel vom Tisch herunter. Es war kaputt. Das war dem Elfenjungen sehr peinlich und er versteckte es schnell. Dabei hoffte er, dass es niemand entdeckte, und er tat so, als ob nichts gewesen wäre.
Nach zwei Tagen war es endlich geschafft. Sie alle waren todmüde, konnten kaum noch stehen, und warteten auf den Nikolaus. Er konnte jetzt die Geschenke abholen, um sie zu verteilen. Doch was war das? Er kam nicht. Lars und die anderen überlegten, was geschehen sein mochte, und hofften, dass sie die Geschenke nicht selbst austragen mussten.
Dann endlich: Der Nikolaus kam. Zwar in letzter Minute, aber er holte die Geschenke ab. Er verriet Lars den Grund für seine Verspätung. Er hatte sich mit seinem Schlitten verflogen.
Lars war froh, denn endlich gab es auch wieder mehr Platz. Sicher, der eigene Baum musste noch geschmückt werden, aber der war nicht groß. Den Schmuck bastelte die Elfenfamilie selbst. Kugeln, Kerzen und Lametta kauften die Elfen im Weihnachtsschmuckladen.
Der Elfenjunge freute sich immer auf Weihnachten, denn es war für ihn die schönste Zeit im Jahr. Seine Schwestern freuten sich nicht so sehr darauf, sie fanden Weihnachten schon seit Jahren doof. Sie hatten eher Elfenpartys im Kopf als Weihnachten.
Viele Geschenke gab es nie. Die Elfenfamilie war mit dem zufrieden, was sie hatte.
Leise fielen die Schneeflocken auf die Erde. Weihnachten konnte kommen.
Alexandra Dietz wurde 1977 geboren und wohnt in einer kleinen Gemeinde am Rande des Schwarzwaldes. Ihre ersten Gehversuche als Autorin machte sie mit Kindergeschichten und Tierfabeln. Seit 2014 ist sie Mitglied der Goldstadt-Autoren EV.. 2013 begann sie, in verschiedenen Anthologien ihre Geschichten zu veröffentlichen.
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Nächstenliebe
Glitzersterne säumen Gassen,
Engel schweben überall,
Menschen singen Weihnachtslieder,
denn das Christkind kommt nun bald.
Freudig schlagen ihre Herzen,
stiller Frieden macht sich breit
und im Lichterglanz der Kerzen
zeigt sich Frohsinn, Heiterkeit.
Menschen fühlen sich verbunden,
Unterschiede zählen nicht,
denn beseelt vom Geist der Weihnacht
leuchtet ihrer Liebe