Martina Meier

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 8


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Wichtel schlägt einen saftigen Schinken vor, doch ein anderer weist auf den erheblichen Umfang des Weihnachtsmannbauches hin und schüttelt den Kopf. „Zu ungesund!“

      „Dann bekommt er eben einen neuen Mantel.“ Eine Weihnachtselfe erzählt, dass der nächste rote Mantel bereits in der Schneiderei angefertigt wird, und neue Stiefel stehen auch schon auf der Liste des Weihnachtsmannes. Sie beratschlagen lange und verwerfen Bücher, Musikinstrumente, Gutscheine für Wellnessmassagen und anderes mehr. Doch schließlich hat ein Wichtel eine wunderbare Idee.

      Sofort machen sie sich an die Arbeit. Sie werkeln und wuseln, bis alles fertig ist, packen das Geschenk in eine bunte Schachtel und wickeln eine große rote Schleife darum.

      „Geschafft“, rufen sie im Chor und sind ganz gespannt, wie das Geschenk dem Weihnachtsmann gefallen wird.

      Einige Stunden nach Mitternacht – fast am Ende der Heiligen Nacht – kommt der Weihnachtsmann zurück. Er traut seinen Augen kaum, als die Wichtel ihm das Geschenk überreichen.

      „Danke meine lieben Freunde“, krächzt er vor lauter Rührung. „Ist das wirklich für mich?“

      Er betrachtet die Schachtel von allen Seiten. „Ist es etwas zu essen oder ein gutes Buch?“ Er schüttelt vorsichtig daran und die Wichtel glucksen vor Wonne. Aber er kann es nicht erraten.

      „Mach es doch endlich auf“, ruft ein junger Wichtel und hüpft dabei vor Aufregung von einem Bein auf das andere.

      „Ich weiß vielleicht nicht, was darin ist“, meint er schließlich, „aber ich weiß, dass ihr euch viel Mühe gegeben habt. Ein großes Dankeschön dafür.“ Der Weihnachtsmann lächelt den Wichteln zu und streicht behutsam über das Geschenk. „Da es nun meins ist, kann ich selbst entscheiden, was ich damit machen möchte. Ist es nicht so?“

      Die Wichtel tauschen ratlose Blicke. Nur einer seufzt laut auf. „Wie konnten wir nur glauben, dass der Weihnachtsmann so wie alle anderen Beschenkten sein würde?“

      „Natürlich stürzt sich unser lieber Weihnachtsmann nicht auf ein Geschenk, das so wunderschön verpackt ist wie eures“, entgegnen die Weihnachtselfen wispernd.

      Der Weihnachtsmann hebt seine Hand und alle verstummen.

      „Nicht zu wissen, was es ist, ist doch das Schönste und Spannendste an allen Geschenken“, erklärt der Weihnachtsmann. „Und diese Freude möchte ich mir erhalten. Deshalb habe ich beschlossen, das Geschenk nicht zu öffnen.“

      Die Wichtel protestieren eine Weile lautstark, aber dann lachen sie alle gemeinsam mit dem Weihnachtsmann und den Elfen darüber.

      Wir haben jedoch weniger zu lachen. Denn wie der Weihnachtsmann werden auch wir wohl niemals erfahren, was sich in der Schachtel Schönes befindet.

      Und das ist doch gemein, oder etwa nicht?

      Elvira Reck wurde 1963 geboren und lebt mit Ehemann, Hund und Kater in Gronau (Leine). Sie arbeitet in einer Jugendhilfestation und ist Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes Ortsverband Gronau. Sie hat bereits viele Geschichten, Märchen und Gedichte veröffentlicht, siehe hierzu auch elvirareck.de.

      *

      Wie das Jesuskind zu seinem Mantel kam

      Drei Tage vor Heiligabend ging der Pfarrer in die Kirche, um nachzuschauen, ob für die Christmette alles in Ordnung war.

      Die Kerzen standen auf dem Altar. Der festlich geschmückte Tannenbaum strahlte im Lichterglanz. Die Weihnachtskrippe mit Maria, Josef, Engeln, Hirten, Schafen, Ochs, Esel und dem Jesuskind in der Futterkrippe ... Der Pfarrer sah ungläubig, soweit man das von einem Pfarrer sagen konnte, in die leere Krippe. Irgendjemand hatte das Jesuskind gestohlen. Mit seinem Smartphone simste und twitterte er seinen Gemeindemitgliedern den ungeheuerlichen Vorfall. Außerdem druckte der Pfarrer Handzettel mit einem Bild des gestohlenen Jesuskindes, mit der Aufforderung, der Sünder möge Reue zeigen und das Jesuskind umgehend zurückbringen. Die Zettel verteilte er auf der Straße und klebte sie an jeden Baum und jede Laterne in der Umgebung.

      Vor ein paar Tagen kam Saba mit einer Puppe in die Flüchtlingsunterkunft und zeigte sie voller Freude ihrer Mutter Afeni: „Sieh mal Mami, was ich gefunden habe. Diese Puppe wohnt jetzt bei mir, und ich gebe sie nie wieder her.“

      „Oh!“, sagte Afeni. „Das ist aber eine schöne Puppe.“ Sie hatte sich schon oft gewundert, dass die Menschen in diesem Land gut erhaltene Sachen einfach fortwarfen. „Wie heißt sie denn?“, fragte sie ihre Tochter.

      „Mir ist noch kein passender Name eingefallen. Sie heißt vorläufig Püppchen“, erklärte Saba.

      Am Morgen des 24. Dezembers fuhr Afeni mit dem Fahrrad in die Stadt, um einige Einkäufe zu erledigen. Ihr fielen die zahlreichen Plakate auf, die an Bäumen und Laternen hingen. Als sie sich einen dieser Zettel näher ansah, blieb ihr fast das Herz stehen. Sie riss ihn ab und radelte im Eiltempo zurück zum Asylbewerberwohnheim, stürmte in ihr Zimmer und riss ihrer Tochter die geliebte Puppe aus den Armen.

      „Du Diebin!“, schalt sie Saba. „Du hast die Puppe gar nicht gefunden. Du hast sie gestohlen. Willst du, dass man uns nach Afrika zurückschickt?“

      Saba heulte los: „Aber Mami, ich habe die Puppe nicht gestohlen, sondern gerettet. Sie lag in einem großen und kalten Haus in einer Futterkrippe, aus der bei uns zu Hause die Esel und Ziegen fressen. Alle Puppenkinder schlafen doch hier in warmen, weichen Betten. Die Puppe sollte nicht frieren, also habe ich sie mitgenommen.“

      „Es hilft alles nichts. Die Puppe wird zurückgebracht, und zwar heute noch! Basta!“, sagte Afeni in einem Tonfall, der keine Widerrede zuließ.

      Saba hielt ihr einziges Spielzeug, das sie je besessen hatte, im Arm und schluchzte vor sich hin.

      Zur späten Stunde am Heiligen Abend machte sich Afeni mit ihrem Kind Saba und dem Puppenkind ihrer Tochter auf den Weg in die Sankt-Lambertus-Kirche.

      Der Pfarrer hatte soeben die Kirche betreten, um die Christmette zu zelebrieren. Er und alle Menschen, die sich in Sankt Lambertus zum Gottesdienst versammelt hatten, starrten traurig in die leere Krippe.

      Für einen Moment herrschte Stille in dem großen, kalten Haus.

      Plötzlich wurde sie durch kleine trippelnde Schritte unterbrochen, die den breiten Mittelgang entlangliefen, bis sie vor dem Pfarrer am Altar zum Stehen kamen.

      Saba hielt mit gesenktem Kopf und heftig klopfendem Herzen dem schwarz gekleideten Mann die Puppe entgegen: „Ich bin Saba und bringe die Puppe zurück, die ich aus der Krippe fortgenommen habe. Das Puppenkind tat mir so leid, weil es so arm gekleidet war und fror. Hier schlafen doch sonst alle Puppen mit ihren Müttern in warmen, weichen Betten. Ich habe ihr meinen Mantel umgelegt, damit sie nicht friert, wenn sie wieder in die Futterkrippe zurückgelegt wird.“

      Ein Raunen ging durch die Menge.

      „Unverschämt, unser Jesuskind zu stehlen“, schimpften die einen.

      „Hauptsache, das Jesuskind ist wieder da“, beschwichtigten die anderen.

      „Das Kind hat es doch nur gut gemeint!“, predigte der Pfarrer.

      Er nahm Saba an die Hand und ging mit ihr zur Krippe. Gemeinsam legten sie das Jesuskind zurück an seinen angestammten Platz.

      „Auf Wiedersehen“, verabschiedete sich Saba traurig.

      „Du hast doch bestimmt noch andere Puppen und wirst diese nicht allzu sehr vermissen?“, horchte der Pfarrer nach.

      „Das Jesuskind war die einzige Puppe, die ich je besessen habe“, erzählte Saba.

      Dann lief sie zu ihrer Mutter, die sich hinter ihrer Tochter in die Kirche geschlichen hatte.

      Der Pfarrer bat die beiden, in der vordersten Kirchenbank Platz zu nehmen und aufmerksam zuzuhören, warum Maria und Josef nur in einem zugigen Stall Unterkunft fanden