Jutta von Kampen

Mami Bestseller Staffel 3 – Familienroman


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      »Genau!« H.G.B. lachte amüsiert. »Sehen Sie, wir finden immer mehr Punkte, in denen wir uns fabelhaft ergänzen würden! – Ich wollte gerade zum Folterkeller. Kennen Sie ihn?«

      »Nein. Was wollen Sie dort denn? Anschauungsunterricht nehmen? Gerätekunde und so?«

      »Und so! Wir Männer sind doch stets im Nachteil. Die Frauen haben ein angeborenes Talent zum Foltern. Sie lassen die Männer im eigenen Saft schmoren, am ausgestreckten Arm verhungern und ähnliches mehr. Irgendwie müssen wir uns doch rächen können. Vielleicht finde ich im Folterkeller ein paar brauchbare Anregungen.«

      »An Phantasie fehlt es Ihnen sicher nicht, höchstens am notwendigen Werkzeug! – Ihre Schilderung der Frauen läßt übrigens tolle Rückschlüsse zu.«

      »Tatsächlich? Ich habe die Erfahrung gemacht, daß alle Frauen gleich sind. Nur ihre Methoden, uns Männer zu quälen, sind verschieden. Frauen haben eben Phantasie. – Gehen wir also!«

      Mit großer Selbstverständlichkeit faßte Hans-Günther Buss sie am Arm und schob sie vor sich her. »Streiten wir uns an Ort und Stelle weiter.«

      »Das ist immerhin ein annehmbarer Vorschlag.«

      Als sie das Folterkeller-Museum erreichten, begann gerade eine Führung. Die Menschenschlange schob sich durch einen schmalen Hof.

      H.G.B. nutzte die Enge aus und legte den Arm um Urtes Schultern.

      Das blonde Mädchen warf ihm einen empörten Blick zu.

      »Es ist doch nur wegen der Enge!« flüsterte er dicht an ihrem Ohr und erreichte damit, daß Urte ein Schauer über den Rücken rieselte. Verwirrt machte sie sich frei.

      Nun betraten sie den eigentlichen Folterkeller. Die ausgestellten Marterinstrumente wirkten schaurig. Die Stimme des Fremdenführers klang hohl durch das Gewölbe. Urte meinte die Klagelaute der Gemarterten zu hören.

      H.G.B. hatte es nicht eilig, mit der Menge Schritt zu halten. Mit großer Aufmerksamkeit betrachtete er alles.

      »Bleiben Sie zurück!« flüsterte er Urte zu. »Man kann die Atmosphäre viel besser genießen, wenn man nicht mit der Hammelherde läuft.«

      »Ich weiß nicht, ob ›genießen‹ das richtige Wort ist!« Urte fröstelte.

      Die Augen des Mannes glitzerten ironisch. »Schauen Sie, Urte, diese Drahthaube war für geschwätzige Weiber. Sie wurde über den Kopf gestülpt, und an der Zunge wurde ein Gewicht befestigt. Diese Kur ist sicher sehr wirksam gewesen.«

      »Es gibt auch geschwätzige Männer!« bemerkte Urte. »Und die sind fast noch schlimmer.«

      H.G.B. grinste. »Bei Männern nennt man so etwas diskutieren oder Konferenz!«

      Sie schlenderten weiter. Den Anschluß an die Gruppe hatten sie bereits verloren. Sie hörten nur ein Gemurmel.

      »Damit wurden die Damen an den Pranger gestellt.« H.G.B. hob ein aufklappbares Holz auf, indem es Löcher für den Hals und für die Handgelenke gab. Ehe Urte es sich versah, hatte der Mann ihr das Marterwerkzeug umgelegt und geschlossen.

      »Machen Sie mich sofort los, Sie unverschämter Kerl, sonst schreie ich laut um Hilfe.«

      »Tun Sie das. Ich gönne anderen Leuten auch einen Spaß.«

      »Ach Sie…, ich…, ich könnte Sie…« Urte fehlten die Worte.

      »Na, was?« fragte er. »Was könnten Sie?« Er grinste vergnügt. »Ich bin gemein, nicht wahr? Aber es dient alles nur meinem Selbstschutz.«

      »Habe ich Sie denn angegriffen?« fauchte Urte. Ihre Augen loderten.

      »Nein. Aber Sie würden es in den nächsten Sekunden tun, wenn ich

      Sie hier nicht eingespannt hätte.« Hans-Günther nahm ihren Kopf in die Hände und küßte sie auf den Mund.

      Vergeblich versuchte Urte, das Gesicht zur Seite zu drehen. Sie war dem Mann völlig ausgeliefert. Sie preßte die Zähne zusammen. Aber gleichzeitig spürte sie, daß ihre Wut nicht echt war.

      H.G.B. gab sie einen Moment frei, und in seinem Blick war eine große Zärtlichkeit.

      Urte öffnete den Mund zu einem Schrei der Empörung, aber der Mann verschloß ihn mit einem zweiten Kuß. Der Schrei erstickte und Urtes Widerstand schwand wie ein Tautropfen an der Morgensonne. Sie fühlte sich auf einmal sehr leicht, und ein tiefes Glücksgefühl durchströmte sie.

      Als der Mann den Holzkragen endlich löste, war sie völlig verwirrt und durcheinander. Wie eine Verfolgte hetzte sie durch das Gewölbe, um Anschluß an die Gruppe zu finden.

      Doch sie fand keine Menschenseele mehr. Sie lauschte. Alles blieb still.

      Dann fand sie eine Tür und faßte nach dem Drücker. Die Tür war verschlossen.

      Urte stemmte sich mit aller Kraft dagegen in der Hoffnung, die Tür klemmte nur. Nichts rührte sich.

      Eingeschlossen!

      Eingeschlossen im Folterkeller! Das ist ja wie im Alptraum! schoß es Urte durch den Sinn.

      Sie hörte die Schritte des Mannes hinter sich. Mit den Fäusten begann sie gegen die Tür zu hämmern. Die schwere Eichentür verschluckte die schwachen Laute.

      Plötzlich hielt jemand ihre Handgelenke fest. Hans-Günther Buss war hinter sie getreten. »Was machen Sie denn da, Urte?«

      Eine Sekunde lang gab sie der Schwäche nach und lehnte sich an die Männerbrust. Nur eine Sekunde lang, dann riß sie sich gewaltsam los und fuhr ihn an: »Wir sind eingeschlossen, begreifen Sie das nicht? Und Sie sind schuld!«

      »Großartig! Das habe ich mir schon immer gewünscht – mit der Frau meiner Träume im Folterkeller!« Er griff nach ihrer Hand.

      Sein Blick war eine einzige Liebeserklärung.

      Urte fühlte wieder diese seltsame Schwäche. Mit raschen Schritten ging sie an dem Mann vorbei. »Sagen Sie mir lieber, wie wir hier herauskommen. Ich habe wenig Lust, die Nacht in diesem schaurigen Gewölbe zu verbringen.«

      »Ich nehme an, daß die nächste Führung gleich stattfindet.«

      »Hoffentlich haben Sie recht.« Urte hockte sich auf die Türschwelle und stützte ihren Kopf auf die Hände. Angestrengt vermied sie, den Mann anzusehen.

      Es kam Urte vor, als säße sie schon eine Ewigkeit hier, eingekerkert mit den Schatten der Vergangenheit. Ihr war hundeelend zumute.

      Und als der Mann wieder vor ihr stand, kam sie sich völlig entblößt vor. Sie hatte ihn nicht kommen gehört und suchte zu spät nach einem Taschentuch.

      H.G.B. sah ganz bestürzt aus. »Aber Urte! Was ist denn?«

      Sie schwieg. Was hätte sie auch antworten sollen? Sie war sich ja selbst nicht klar darüber, warum sie weinte.

      »Mein Gott, Urte, wenn ich dich so sehe! Ich komme mir wie ein Schuft vor. Dabei habe ich das wirklich nicht gewollt!«

      Urte sah auf. Der Mann wirkte zerknirscht und schuldbewußt. Er war nicht mehr der Draufgänger, der Kam-sah-und-siegte-Typ.

      Urte erhob sich.

      »Natürlich haben Sie es nicht gewollt«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ich bin eine dumme Gans.«

      Ihr Taschentuch war schon völlig durchnäßt. H.G.B. zog sein Taschentuch hervor und betupfte zärtlich ihre noch feuchten Augen.

      Ein kleines Lächeln huschte wie ein Sonnenstrahl über das Gesicht des Mädchens.

      »War das der Regenbogen, das Zeichen der Versöhnung?« fragte Hans-Günther weich.

      Urte nickte, und wieder blühte ein Lächeln auf.

      Der Mann betrachtete hingerissen das gelöste Gesicht. Langsam beugte er sich nieder. Dann zögerte er. Er sah sie fragend an.

      Unmerklich