Martina Meier

Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1


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Weg hatte sie zurück zum Mühlenbach geführt. Das Pferd steckte seine Nase in das klare Wasser. In großen Zügen stillte es seinen Durst. Putschipatschi stieg ab und sah im Mondlicht silbrig glänzende Fische im Bach schwimmen.

      Wieder hatte er eine Idee. „He, ihr Fische“, rief er sie an, „gebt mir eure Schuppen. Ich will für Mutsch eine Kette daraus machen!“

      Doch die Fische hörten nicht auf ihn und schwammen eilig davon. Traurig setzte sich der Kobold an das Ufer des Baches. Wie sollte er für Mutsch ein Geschenk finden? Eine dicke Träne rollte seine Wange herunter, tropfte auf den Schnee und blieb dort als schimmernde Perle liegen.

      Das Pferdchen stupste den kleinen Kobold mit seinem weichem Maul an. Leise schnoberte es: „Schau, da hast du doch ein Geschenk für Mutsch! Was gibt es Wertvolleres als Tränen, die man aus Liebe weint?“

      Als Mutsch am Weihnachtsmorgen in die Wohndiele kam, wunderte sie sich sehr über die schmutzigen Beine des Schaukelpferdes. Das Fell wirkte struppig und in dem Schweif hatten sich einige dürre Blätter verhakt. Kopfschüttelnd kam sie näher. Da sah sie zwischen den Beinen des Pferdes einen kleinen Tannenzweig liegen. Auf seinem Grün glänzte die schönste Perle, die Mutsch je gesehen hatte. Mutsch lauschte erstaunt. Hatte das Pferdchen gerade leise gewiehert? Sanft strich sie ihm über die Ohren und lächelte still. „Da habt ihr einen schönen Ausflug gemacht heute Nacht!“

      Mutsch nahm die Perle, bewunderte ihren Glanz und sagte laut: „Dankeschön, lieber Putschipatschi!“ Dann legte sie die Perle behutsam in das kleine Kästchen, in dem sie ihre größten Schätze hütete.

      Dr. Erika Hemmersbach, Jahrgang 1951, studierte nach dem Abitur Agrarwissenschaften und promovierte schließlich zum Dr.agr.. Einige Jahre arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin an der Uni Bonn, dann übernahm sie den Hof der Schwiegereltern und baute unter anderem einen Hofladen mit eigener Produktion von Biogemüse auf.

      *

      Das Weihnachtsei

      Als der kleine Philip Botterblom an einem der letzten Schultage vor den Weihnachtsferien nach Hause kam, saß seine Mutter auf dem riesigen Küchentisch unter dem noch ungeschmückten Tannenbaum und gackerte wie ein Huhn.

      „Was gackerst du denn so?“, fragte er sie kopfschüttelnd. „Und warum sitzt du auf dem Tisch?“

      Philips Mutter nickte heftig, fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, wollte etwas sagen, brachte jedoch nur ein erneutes Gackern heraus, während Maunzel, die getigerte Katze, reglos auf der Fensterbank saß und ein wenig ratlos nach draußen auf die schneebedeckte Wiese blickte, auf der die sieben braungelben Hühner der Botterbloms pickend und gurrend herumstolzierten, während der alte Hahn es sich abseits auf dem Baumstumpf, der dunkel aus dem Schnee ragte, bequem gemacht hatte.

      Philip nahm langsam seinen Tornister von der Schulter, dachte einen Moment lang scharf nach und griff dann, ohne seine Mutter aus den Augen zu lassen, zum Telefon. Rasch tippte er die Handy-Nummer seines Vaters ein. Philips Vater war ein bekannter und vielbeschäftigter Tierdoktor und hatte wie jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit besonders viel zu tun. Jeden Tag inspizierte er von morgens bis abends auf den umliegenden Bauernhöfen die gerupften, kopflosen Gänse und Enten, und im städtischen Schlachthof nahm er unzählige fette Schweinehälften und blutige Rinderfilets unter die Lupe.

      Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Philip die arg gehetzt klingende Fragestimme seines Vaters vernahm. „Botterblom?“

      „Hier auch!“, rief Philip in den Hörer. „Hallo, Papa!“

      „Ah, Philip, was ist denn? Du weißt doch, dass ich ...“

      „Ja, ja, hör’ zu!“, unterbrach Philip ihn. „Die Mama sitzt auf dem Küchentisch und gackert wie ein Huhn.“

      Am anderen Ende der Leitung war es mindestens vier Sekunden lang mucksmäuschenstill, dann hörte Philip ein heftiges Husten, gefolgt von drei in den Hörer gekrächzten Worten. „Auf dem Küchentisch?“

      „Ja.“

      „Und sie gackert wie ein Huhn?“

      „Ja.“

      „Hm, äh, gibst du sie mir bitte einmal?“

      Philip reichte seiner Mutter das Telefon, was problemlos möglich war, denn es handelte sich um ein schnurloses Gerät.

      „Ramona?”

      „Putputputputput!“, gackerte die Mutter.

      Der Vater redete so laut, dass Philip seine Worte mühelos mithören konnte.

      „Ramona?“, fragte er besorgt. „Putputput, Ramona? Kannst du mich verstehen?“

      „Putputput!“, bestätigte die Mutter.

      „Ramona, meine Liebe! Putputput! Ich ahne schon, was passiert ist!“

      „Putputput!“, gackerte die Mutter aufgeregt.

      „Ja, ja, mein Schatz, du hast die Tüten verwechselt! Die Tüten! Kurz vor Weihnachten passieren den Menschen die verrücktesten Sachen! Du hast ganz einfach die Tüten verwechselt!“

      Und dann war es aus mit Papa Botterbloms verständiger Geduld. Wütend schimpfte er los: „Ja, hast du denn keine Augen im Kopf!? Du kannst doch lesen! Wie kann man denn nur die Tüten verwechseln!? Jetzt haben wir die Bescherung! Du wirst am Ende wohl ein Ei legen müssen! Und ich habe gedacht, das passiert nur den dummen Bauerntrampeln!“

      „Putputput!“, gackerte die Mutter verzweifelt und ließ, von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt, den Hörer fallen. Im letzten Moment konnte Philip ihn auffangen.

      „Hallo? Putputput? Ramona, putputput!“, rief der Vater. „Bist du noch dran?“

      Philip hielt den Hörer dicht an sein Ohr. Die Stimme des Vaters klang jetzt recht kläglich, und zwischen den Worten schnaufte er wie der alte Weihnachtsmann, der am Heiligen Abend die Geschenke brachte.

      „Ich bin es, Papa!“, sagte Philip schnell.

      „Philip! Hör’ zu! Die Mama hat sich heute Morgen versehentlich Hühnerfutterkörnchen statt Müsli-Mix in den Quark gerührt! Sie muss jetzt so lange auf dem Tisch sitzen und gackern, bis sie ein Ei gelegt hat. Das kann sehr schnell gehen – das kann aber auch noch bis Weihnachten dauern!“

      Die Vorstellung, dass seine Mutter bis Weihnachten gackernd auf dem Küchentisch sitzen würde, fand Philip ziemlich komisch, und mit Mühe unterdrückte er ein Lachen.

      „Philip?“, quäkte der Vater. „Bist du noch am Apparat, Philip?“

      „Ja, ja!“

      „Pass’ auf, Philip, es gibt allerdings ein zuverlässiges Gegenmittel.“

      „Gegenmittel?“

      „Ja, ja, Junge! Hör’ zu! Du gibst der Mama jetzt sofort ein paar von Maunzels feinen Breckies! Die Dose steht auf der Fensterbank. Wenn sie die Breckies gegessen hat, wird sie zwar in den höchsten Tönen miauen, hört aber wenigstens auf zu gackern und muss auch kein Ei mehr legen! Hast du mich verstanden?“

      „Klar, Papa!“, sagte Philip und dachte gar nicht daran, Maunzels Lieblingsbreckies an seine Mutter zu verfüttern. Wenn sie so doof ist, dachte er insgeheim, sich Hühnerfutter statt Müsli in den Quark zu tun, dann soll sie gefälligst auch gackern und Eier legen und bis Weihnachten auf dem Tisch sitzen.

      Er stellte rasch das Telefon in die Halterung zurück und marschierte zum Kühlschrank. Es war eines dieser großen amerikanischen Geräte, die auf Knopfdruck sogar kleingehackte Eisstückchen ausspuckten. Vor Weihnachten war der Kühlschrank immer vollgestopft mit den köstlich-sten Sachen: mit himbeerrotem Wackelpeter, duftender Zitronencrème, feinem Roastbeefaufschnitt, dicken rötlichen und dünnen bräunlichen Würstchen, allerlei Pasteten, Käsekuchen und dergleichen Leckereien mehr.

      Wenn er mittags aus der Schule kam, hatte er Hunger wie ein Wolf, und das, obwohl er in der großen Pause mindestens