Charles Dickens

Nikolas Nickleby


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Mühe, heiter auszusehen, »erkennst du hierin nicht die Fürsorge und Liebe deines Onkels? Ohne sie würden wir nichts haben als das Bett, das wir gestern kauften.«

      »Wirklich sehr fürsorglich«, gab Kate umherblickend zu.

      Newman verriet mit keinem Wort, daß er die alten Möbel aus allen Ecken und Enden zusammengesucht, die auf dem Gesims stehende Milch zum Tee aus seinen eigenen jämmerlichen Mitteln bezahlt, den rostigen Kessel über dem Feuer gefüllt, die Holzspäne heimlich hinter dem Hause gesammelt und die Kohlen zusammengebettelt hatte. Aber der Gedanke, daß alles dies in Ralph Nicklebys Auftrage geschehen sein sollte, wollte ihm so wenig zusagen, daß er sich nicht enthalten konnte, nacheinander mit allen zehn Fingern zu knacken, was Mrs. Nickleby anfangs ziemlich verblüffte. Da sie aber vermutete, es könne irgendwie in Beziehung zu Mr. Noggs' Gichtleiden stehen, so erlaubte sie sich weiter keine Bemerkung.

      »Wir dürfen Sie aber jetzt, glaube ich, nicht länger aufhalten«, sagte Kate.

      »Haben Sie sonst nichts mehr zu befehlen?« fragte Newman.

      »Nichts; ich danke Ihnen vielmals. Aber vielleicht, mein Kind, würde Mr. Noggs ein Glas auf unsere Gesundheit trinken?« fiel Mrs. Nickleby ein und suchte in ihrer Pompadour nach einem kleinen Geldstück.

      »Ich fürchte, Mama«, flüsterte Kate schnell, als sie Newman sein Gesicht abwenden sah, »du verletzt ihn, wenn du ihm etwas anbietest.«

      Newman Noggs verbeugte sich dankbar gegen die junge Dame, mehr in der Weise eines Gentlemans als in der, die für den armen Elenden, den sein Äußeres bekundete, zu passen schien, legte die Hände auf die Brust, blieb eine Weile mit der Miene eines Menschen, der gerne sprechen möchte und nicht kann, stehen, wandte sich dann um und verließ still das Zimmer.

      Das schrille Echo der in das Schloß einfallenden schweren Haustür tönte so schaurig durch das Gebäude, daß sich Kate halb und halb versucht fühlte, den Schreiber ihres Onkels wieder zurückzurufen und ihn zu bitten, noch ein wenig zu bleiben, aber sie schämte sich ihrer Furcht, und so wanderte denn Newman Noggs heim.

      Es war ein Glück für Miss Fanny Squeers, daß ihr würdiger Papa, als er abends spät nach Hause kam, zu stark angesäuselt war, um die zahlreichen Merkmale höchsten Verdrusses zu gewahren, die sich unverhüllt in ihren Zügen aussprachen. Da er gewöhnlich, wenn er zuviel »geladen« hatte, ziemlich heftig und streitsüchtig zu sein pflegte, so war die junge Dame klugerweise darauf bedacht gewesen, zur Ableitung des ersten Unwetters einen Zögling parat zu halten. Als der Ehrenmann seine Fußtritte und Fauststöße denn auch glücklich angebracht hatte, beruhigte er sich allmählich so weit, daß er sich gestiefelt und mit seinem Regenschirm unter dem Arm ins Bett legen konnte.

      Das ausgehungerte Dienstmädchen begleitete Miss Squeers wie gewöhnlich nach dem Schlafgemach, um ihr daselbst das Haar aufzustecken, sonstige kleine Toilettendienste zu erweisen und ihr soviel Schmeicheleien zu sagen, als sie in der Geschwindigkeit auszudenken vermochte, denn Miss Squeers war träge und überhaupt eitel und leichtfertig genug, um eine vornehme Dame zu spielen, zu der ihr allerdings die übrigen Eigenschaften stark abgingen.

      »Wie schön sich Ihr Haar heut abend kräuselt, Miss«, begann die Zofe. »Es is wirklich jammerschad, es zu kampeln.«

      »Halt's Maul«, fuhr Miss Squeers sie zornig an.

      Dem Mädchen waren dergleichen Ausbrüche nichts Neues, als daß sie darüber hätte überrascht sein können, und da sie halb und halb eine Vermutung hinsichtlich der stattgefundenen Vorfälle des Abends hatte, so änderte sie ihren Operationsplan, mit dem sie sich angenehm zu machen gedachte, und schlug einen indirekten Weg ein.

      »Ach, Miss«, sagte sie daher, »i kann mir nöt helfen, aber es muß raus, und wann i dersticken sollt. In mein ganzen Lebn is mir noch nie a so a gemeines Aufsehen vorkommen als heut abend beim Fräulein Price.«

      Miss Squeers seufzte und spitzte die Ohren.

      »I weiß, es is unrecht von mir, daß i a so sprich«, fuhr das Mädchen fort, hocherfreut, daß ihre Worte Eindruck machten, »denn's Fräulein Price geht mir über alls, aber sich a so rausputzen! – O mei, wann sich halt die Leut selber segn kunnten!«

      »Wie meinst du das, Phib?« fragte Miss Squeers mit einem Blick in den Handspiegel, wo sie natürlich nicht sich selbst, sondern ein anmutiges Bild ihrer Einbildungskraft erblickte. »Wie kannst du nur so sprechen?«

      »Wie i a so sprechen kann, Fräul'n, Grund gnua is do, daß drüber sogar a alter Kater französisch sprechen kunnt«, versetzte die »Zofe« bilderreich. »Bloß oschaug'n braucht mer's, wias den Kopf hin und her schlenkert.«

      »Sie trägt allerdings den Kopf hoch«, murmelte Miss Squeers scheinbar zerstreut.

      »So eitel und doch is so gar nix an ihr.«

      »Arme Tilda!« seufzte Miss Squeers.

      »Und wia tief s' ausg'schnitten is! Daß sie sich nöt schamt!«

      »Ich darf solche Äußerungen nicht gestatten, Phib«, verwies Miss Squeers, »Tildas Verwandte sind ordinäre Leute, und wenn sie es nicht besser weiß, so ist es die Schuld ihrer Familie und nicht die ihrige.«

      »Jawoll«, sagte Phöbe, auch Phib genannt. »Aber könnt sie sich nöt a Freundin zum Muster nemman? Was für a artiges Frauenzimmer kunnt nöt mit der Zeit aus ihr werden, wann so sich zum Beispiel nach Ihna richten möcht!«

      »Phib!« versetzte Miss Squeers mit würdevoller Miene. »Es ziemt sich nicht, daß ich solche Vergleiche mit anhöre. Du setzest Tilda herab, und es könnte als unfreundlich von mir ausgelegt werden, wenn ich es weiter dulden würde. Sprich daher von etwas anderm, Phib, denn, wenn ich auch zugeben muß, daß Tilda Price, wenn sie sich irgend jemand zum Muster nehmen wollte – ich meine nicht gerade mich –«

      »O ja, grad Ihna, Fräul'n.«

      »Also meinetwegen mich, wenn du es schon haben willst«, fuhr Miss Squeers fort. »Ich gebe zu, daß sie, wenn sie es tun wollte, weit besser dabei fahren würde.«

      »Ja, und i müßt mich sehr irren, wann nöt jemand anderer a no der gleichen Meinung war«, versetzte das Mädchen geheimnisvoll.

      »Was willst du damit sagen?« fragte Miss Squeers neugierig.

      »Nix B'sonders, Fräul'n. Aber was i weiß, weiß i.«

      »Phib!« entgegnete Miss Squeers theatralisch. »Ich bestehe darauf, daß du dich näher erklärst. Was sollen diese geheimnisvollen Worte? Sprich!«

      »No, wann S's grad haben wollen, Fräul'n, so muß i halt mit der Farb außer. Der Herr Bräutigam von ihr is der gleichen Meinung mit Ihna. Und wann er nöt schon so weit gangen wäre, um nöt guat zrucktreten z'könna, so möcht er s' mit Freuden laufen lassen und bei Ihna, Fräul'n, anz'kommen suchn.«

      »Gott im Himmel!« rief Miss Squeers, überwältigt die Hände zusammenschlagend. »Was sagst du da?«

      »Die Wahrheit, Fräul'n, nix als die Wahrheit«, beteuerte die schlaue Phöbe.

      »Welche Lage!« rief Miss Squeers. »So bin ich also, ohne es zu ahnen, in Gefahr, das Glück und den Frieden meiner lieben Tilda zu zerstören! Was ist doch nur der Grund, daß die Männer, ich mag wollen oder nicht, sich so rasend in mich verlieben und um meinetwillen ihren Bräuten abtrünnig werden?!«

      »So könnan halt nöt anders; zum Verwundern is dös net«, erklärte das Mädchen.

      »Rede mir nie wieder so!« verwies Miss Squeers streng. »Nie wieder, hörst du? Tilda hat Fehler – viele Fehler, aber ich will ihr Bestes und wünsche vor allem, daß sie unter die Haube kommt. Gerade wegen der Beschaffenheit ihrer Mängel ist es ihr zu wünschen, daß sie, je eher, desto besser, einen Mann kriegt. – Nein, Phib, sie soll nur ihren Browdie nehmen. Der arme Bursche dauert mich zwar, aber ich betrachte Tilda noch immer als meine Freundin und hoffe nur, daß sie sich als Ehefrau besser macht, als es wahrscheinlich