Ralf Nestmeyer

Südengland Reiseführer Michael Müller Verlag


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nie­der, wo er die Res­te einer rö­mi­schen Kir­che vorfand. Zum ersten Erz­bischof von Can­terbury avan­ciert, be­gründete Au­gus­tinus auch die bis heu­te wäh­rende Vor­rangstellung der Diö­zese.

      Seit der englischen Reformation rück­te Can­terbury zunehmend in den Schat­ten von Westminster Abbey. Ei­nen gro­ßen Anteil an diesem Wandel hat­te Hein­rich VIII., für den die Becket-Ver­eh­rung ein steter Dorn im Auge war, hat­te dieser doch die königliche Au­to­rität unbotmäßig herausgefordert. Von Zorn erfüllt, machte er 1538 dem Mär­ty­rer posthum den Prozess und ließ den goldenen, mit kostbaren Juwelen be­setzten Schrein zerstören, der Klos­ter­schatz verschwand in den könig­li­chen Schatztruhen. Doch nicht genug: Be­ckets Gebeine wurden auf Geheiß des Königs verbrannt und die Asche in al­le Winde zerstreut.

      Canterburys Christ Church Gate - das Tor zur Domfreiheit

      Einen wirtschaftlichen Aufschwung er­lebte Canterbury, als sich mehrere hu­ge­nottische Weberfamilien, die durch das 1685 erlassene Edikt von Fon­tain­ebleau aus Frankreich ver­trie­ben wor­den waren, in der Stadt an­sie­del­ten. Die Hugenotten lebten und ar­bei­te­ten in den Weavers’ Houses, ei­nem male­ri­schen Fach­werkensemble am Ufer des Stour. Einschneidendere his­to­rische Er­eig­nisse hat die Stadt­chro­nik erst wie­der im Zwei­ten Welt­krieg zu ver­zeich­nen: Am 1. Juni 1942 leg­ten heftige deut­sche Bom­ben­an­grif­fe große Teile von Canterbury in Schutt und Asche. Sie wurden als „Bae­de­ker Raids“ be­zeich­net, da der Angriff der­je­ni­gen eng­li­schen Stadt galt, die im deut­schen Baedeker als historisch am be­deut­sams­ten ein­ge­stuft war. Glück­li­cher­wei­se überstand die Kathedrale die Flug­zeug­attacken unversehrt.

      Christ Church Gate: Das als Haupt­ein­gang zur Domfreiheit (Cathedral Pre­cinct) die­nende Christ Church Gate ist ein architektonisches Prunkstück, ver­ziert mit himm­lischen Heerscharen und den bunten Wappensteinen der Kir­chen­fürsten. Das 1517 errichtete Tor führt ins geistige Zentrum von Can­ter­bury, in dem sich ne­ben der Kathedrale auch die traditionsreiche King’s School be­findet.

      Das Innere der Kathedrale über­wäl­tigt. Die Farbenpracht der zum Teil mit­tel­al­ter­li­chen Glasfenster bestimmt die Atmosphäre, die gewaltigen Säulen und Rundbögen las­sen das Auge kaum zur Ruhe kommen. Besonders stim­mungs­voll ist eine Be­sichtigung wäh­rend der abendlichen Gottesdienste mit li­turgischen Chorgesängen.

      Ausgetretene Stufen führen hinauf zur Dreifaltigkeitskapelle (Trinity Cha­pel) mit dem farbenprächtigen Becket-Fens­ter an der Nordseite, das glück­li­cher­weise von der Zerstörungswut Hein­richs VIII. verschont geblieben ist. Im Chor der Kirche fin­den sich weitere ein­drucksvolle Glasarbeiten aus der Zeit um 1200 und zwei Grä­ber: Das Grab­mal Heinrichs IV. und das Grab­mal von Prinz Eduard von Wales, dem „Schwar­zen Ritter“, der sich als Feld­herr im Hundertjährigen Krieg mehr­fach aus­gezeichnet hat. Das von 1377 bis 1380 entstandene Grabmal des Schwar­zen Ritters ist aus Kupfer ge­ar­bei­tet, vor allem die Rüstung ist mit viel Sorgfalt und gro­ßer heraldischer Detailtreue ausgeführt worden.

      Die stimmungsvolle Krypta mit ih­ren bemerkenswert-skurrilen Ka­pi­tel­len stammt noch aus romanischer Zeit und erinnert in ihrer Größe an eine rich­tige Un­ter­kir­che, während der Kreuz­gang im spätmittelalterlichen Per­pendicular Style errichtet wur­de. Der Kreuzgang wird von mehr als 800 Wap­pensteinen geziert, deren Be­ma­lung sorgfältig restauriert worden ist; sie erinnern an die Familien der Spen­der, die seinen Bau finanzierten. An der Ost­seite des Kreuzgangs liegt der Ka­pi­tel­saal, der von einem eindrucksvollen Ton­nengewölbe überspannt wird. Mar­ga­ret That­cher und François Mitterrand un­ter­zeichneten hier 1986 den Vertrag zum Bau des Ka­nal­tunnels.

      ♦ Im Sommer Mo-Sa 9-17.30 Uhr, im Winter Mo-Sa 9-17 Uhr, So 12.30-14.30 Uhr (Kreuz­gang und Areal 9-17.30 Uhr). Eintritt £ 12.50, erm. £ 10.50 bzw. £ 8.50 (So Eintritt frei!), Fa­mi­lien £ 33. Gottesdienste mit litur­gi­schem Chor­ge­sang (Evensong): Mo-Fr 17.30 Uhr, Sa/So 15.15 Uhr; Dauer ca. 45 Mi­nu­ten. www.canterbury-cathedral.org.

      Roman Museum: Das im Un­ter­ge­schoss eines Stadthauses un­ter­ge­brach­te Mu­se­um vermittelt einen Ein­blick in die römische Vergangenheit der Stadt. Mithilfe ei­ner Com­pu­ter­ani­ma­tion wird gezeigt, wie es vor zwei­tau­send Jahren in Duro­ver­num Cantia­corum ausgesehen haben könnte. Das Prunk­stück des Museums ist aber frag­los der antike Mosaikboden, der nach den deutschen Bombenangriffen ent­deckt wurde. Sehenswert ist zudem die Aus­stellung über das Alltagsleben in ei­ner römischen Provinzstadt.

      ♦ Butchery Lane. Tgl. 10-17 Uhr. Eintritt £ 9, erm. £ 7 (Kombiticket mit Canterbury Heritage Mu­seum £ 12, erm. £ 10). www.canterbury-museums.co.uk.

      The Beaney: In der städtischen Ge­mäl­de­sammlung werden in erster Linie Wer­ke re­gionaler Künstler gezeigt, da­ne­ben archäologische Funde sowie eine re­spektable Por­zellansammlung.

      ♦ High Street. Tgl. außer Mo 10-17 Uhr, So 11-16 Uhr. Eintritt frei!

      The Canterbury Tales: Unterstützt durch zahlreiche audiovisuelle Effekte, wer­den die berühmten „Canterbury Tales“ wieder zum Leben erweckt. Das un­vollendete Werk stammt aus der Feder des wohl meistgelesenen eng­li­schen Autors seiner Zeit - des Lon­do­ners Geoffrey Chaucer (1343-1400). Darin pilgert eine Gruppe un­ter­schied­lichs­ter Charaktere von London zum Schrein des heiligen Thomas. Die Reise geht aber keineswegs zurückhaltend-fromm von statten, sondern lustig, fri­vol und derb. Jeder Reisende muss eine Ge­schichte - die Canterbury Tales - er­zählen, von de­nen die beste prämiert wer­den soll. Die Inszenierung der Chaucer-Geschichten ist teilweise so au­thentisch, dass sich die Besucher vor Ent­setzen die Nase zuhalten ...

      ♦ St Margaret’s Street. April bis Aug. Tgl. 10-17 Uhr, sonst 10-16 Uhr. Eintritt £ 10.95, erm. £ 9.95 oder £ 8.95. www.canterburytales.org.uk.

      Kurze Pause beim West Gate

      West Gate Museum: Mit seinen Rund­tür­men, Fallgittern, Pechnasen und der Zug­brü­cke gehört das West Gate zu den im­po­santen englischen Torbauten; es wur­de 1380 von dem königlichen Bau­meis­ter Henry Yevele errichtet und lan­ge als Ge­fäng­nis genutzt. Wer sich die steile Wendeltreppe emporgekämpft hat, wird mit ei­nem schönen Blick auf die St Peter’s Street belohnt. Das in dem Torturm un­ter­ge­brach­te Museum zeigt eine respektable Waffen­samm­lung, bei den jüngeren Be­su­chern sind die original nachgebauten Rüstungen, in denen man sich wie Richard Lö­wen­herz fühlen darf, besonders beliebt.

      ♦ St Peter’s Street (Eingang in der Kneipe The Pound). Tgl. 11-16 Uhr. Eintritt £ 4, erm. £ 3 oder £ 2.

      Eastbridge Hospital: Ein großer Teil der Pilger, die nach Canterbury strömten, war weit­gehend mittellos. Um ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten, ent­stan­den