Gerda Graf

Im Dialog mit Sterbenden


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und würde ihn einladen mit ihm zu kommen. Er wolle aber nicht. Die Seelsorgerin unterstützt ihn mit dem Engel zu sprechen. Nach mehreren Tagen und Gesprächen mit dem Engel geht der Patient ruhig mit. Er ist gestorben.

      Engel haben traditionell eine große Bedeutung für uns Menschen: Sie sind Boten einer Botschaft, weisen und begleiten uns auf unserem Weg. Engel und Geistwesen vermitteln Geborgenheit, Schutz, Trost und Vertrauen. Ihre Anwesenheit löst weniger Furcht als Ehrfurcht und Achtung aus. Sie begleiten im Leben wie beim Sterben.

       Licht sehen

       Fallbeispiele – Licht sehen

      Viele Menschen haben inzwischen Kenntnis über die Nahtoderlebnisse anderer Menschen. Einige der Nahtoderlebnisse sind sogar kulturübergreifend. Darunter ist z. B. auch die Wahrnehmung, dass der Mensch beim Sterben durch einen Tunnel, eine Röhre oder einen anderen dunklen Raum schreitet und an dessen Ende von einem hellen Licht empfangen wird. Dieses Bild taucht mitunter auch in den Träumen mancher Patienten auf.

       Kombination aus verschiedenen Bildern möglich

       Fallbeispiele – Kombination verschiedener Bilder

      Eine 20-jährige Patientin mit einer chronischen Erkrankung träumte einen Traum, in dem sie allen Menschen begegnete, welche ihr im Leben wichtig waren. Plötzlich brach ein Feuer aus und sie war gemeinsam mit vielen Menschen durch das sich ausbreitende Feuer eingeschlossen. Die meisten Menschen versuchten sich vom Balkon aus zu retten. Einige von ihnen rutschten eine große steinerne Treppenbalustrade herunter. Sie wurden unten von einer kleinen Gruppe Menschen empfangen. Einer aus dieser Gruppe bestimmte nach einer Namensliste, wer von dem Balkon hinabrutschen durfte. Die Patientin selber war überrascht, dass sie rutschen sollte, denn sie war trotz des Feuers nicht auf die Idee gekommen vor diesem zu flüchten. Sie rutschte auf der Balustrade hinab, vorbei an Szenen und Orten ihres Lebens, wurde unten von lieben Menschen empfangen, die sie zu kennen schienen. Als die Patientin zum Balkon zurückblickte, war dieser sehr weit entfernt. Sie spürte Trauer und Mitgefühl für die, die auf dem Balkon zurückbleiben mussten. Als sie sich umblickte, war sie in einem endlos großen in blaugrünes Licht getauchten Park. Sie wurde zu weißen Brunnen geführt und entdeckte, dass sie wieder tanzen konnte. Sie spürte ihre Kräfte wiederkommen und genoss dieses sehr. Aber sie vermisste die Menschen um sich herum und der Traum löste sich auf.

      Die Patientin entdeckte insbesondere durch diesen Traum, dass gerade in Zeiten, in denen ihr Körper stark entkräftet war, ihre Träume einen besonderen Symbolgehalt hatten. Mithilfe dieser Art Träume konnte die Patientin sich ein Stück aus der Last einer chronischen Erkrankung herausnehmen (z. B. Abschied von Schmerzen und körperlichen Einschränkungen, das Genießen der neuen körperlichen Kräfte) und gleichzeitig Entscheidungsprozesse wahrnehmen, die für ihr weiteres Leben wichtig waren (z. B. Sehnsucht nach Mitmenschen, Rückkehr ins Leben).

       Fallbeispiele – Symbolsprache von Gleichnissen

      In der Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden kann man bewusst auch Bilderbücher (für Kinder und / oder Erwachsene) mit symbolreicher Sprache anbieten. Auch die symbolreiche Sprache von Gleichnissen (in der Bibel, aber z. B. auch in Form von humorigen Texten aus der jüdischen und islamischen Religion) kann als Anregung zur Entwicklung der eigenen Phantasien dienen. Wie immer gilt auch hier: Als Begleiter bieten wir an, der Betroffene darf wählen.

       3. Annehmen und Mitgehen in einem sensiblen Dialog

      Um Träume und symbolhafte Wahrnehmungen annehmen und verarbeiten zu können, ist ein Dialogpartner sehr hilfreich:

       Hilfestellungen für den Dialog

      

Als einfühlsamer und vertrauensvoller Gesprächspartner, dem man seine Träume anvertrauen mag

      

Als Bestätigung, dass man nicht verrückt geworden ist

      

Als emotionales und soziales Ventil über das eigene Erschrekken vor der Wahrnehmung und vielleicht Ahnung bezüglich der Botschaft

      

Als Resonanz: Ich bin noch real und existiere noch in der Wirklichkeit

      

Als Übersetzungshilfe: Um Geborgenheit zu geben und das Schutzbedürfnis in dieser sehr verletzungsanfälligen Situation (andere Menschen sprechen vielleicht abfällig über die Wahrnehmungen, bagatellisieren die Träume und kränken den Betroffenen dadurch)

      Wenn der Begleiter die Andeutungen des Betroffenen aufnimmt und mit Zeit und Ruhe, vor allem mit wahrhaftigem Interesse ihm zuhören mag, dann kann sich dies zu einem befreienden Gespräch für den Betroffenen entwickeln.

       Einige praktische Tipps 5

      Wenn der Betroffene Sorgen oder Ängste äußert, versuchen Sie ihm diese nicht auszureden. Da seine Sorgen emotional begründet sind, würde die Ansprache auf der Sachebene dem Betroffenen nicht weiterhelfen.

      Vermeiden Sie die Träume, Symbole, Sorgen und Ängste des Betroffenen zu interpretieren. Dem Betroffenen helfen nur seine eigenen Assoziationen.

      Sie können aber dem Betroffenen helfen, indem Sie ihm Geborgenheit vermitteln, ihn mit seinen Sorgen und Ängsten annehmen, ihn ermuntern seine Gedanken auszusprechen. Lassen Sie ihm dafür Zeit und unterstützen Sie ihn mitunter durch Wiederholung seiner eigenen Ausdrücke oder Spiegelung seiner Gedanken. Sagen Sie ihm, dass er Ihnen gegenüber alles aussprechen darf.

       Ermuntern

      Ermuntern Sie den Betroffenen bei wiederholt auftretenden Träumen mögliche Veränderungen wahrzunehmen (z. B. der Schatten wird heller, sieht nicht mehr so furchterregend aus).

       Vermitteln

      Vermitteln Sie dem Betroffenen die Phantasie, dass er Geistwesen direkt anschauen, mit ihnen sprechen, seine Gefühle zeigen und Forderungen stellen darf (Ich kenne jetzt die Figur. Jetzt habe ich weniger Angst vor dir! Zieh‘ nächstes Mal nicht einen so dunklen Mantel an, das erschreckt mich!). So kann der Betroffene erleben, dass er nicht nur vor Furcht gelähmt sein muss, sondern im direkten Dialog mit den Geistwesen Einfluss auf seine Träume nehmen kann. Träume, welche in einen Dialog einbezogen werden, verändern sich und kehren in dieser Form oder überhaupt nicht wieder.

       Begleiten

      Begleiten Sie einen Schlafenden, der von schlimmen Träumen belastet wird, dann haben Sie die Möglichkeit, durch das Summen leiser und ruhiger Melodien (mit aufmunterndem Charakter) dem Betroffenen eine Alternative anzubieten. Die Melodie vermittelt ihm Geborgenheit und Halt, lässt ihn neue phantasievolle Wege im Traum finden (Eine plötzliche körperliche Berührung könnte hingegen den Betroffenen irritieren und aufwachen lassen). Sobald der Betroffene ruhiger wird, beenden Sie auch Ihre Melodie.

      Als Kranken- und Sterbebegleiter erleben wir immer wieder den Moment, da uns der Betroffene in seiner eigenen Ohnmacht um Antworten bittet. Diese Fragen nach dem Sinn und dem Werden des alten oder versehrten Lebens werden vor allem in Momenten geäußert, wo der Betroffene schwere körperliche oder seelische Not leidet. Es gibt Fragen, auf die wir noch keine Antworten finden. Und gerade auf diese für den Betroffenen so bedeutsamen Fragen wird er eines Tages selber Antworten finden können.

       Geduld und Zuversicht

      Aber als Begleiter können wir dem Betroffenen helfen Geduld und Zuversicht zu bewahren, ihm eine heilsame Geborgenheit schenken. Vermeiden Sie eine mögliche Atemlosigkeit des leidenden Betroffenen zu übernehmen. Atmen Sie ruhig und suchen Sie z. B. in der Natur, im Gebet oder in der Meditation Ihre eigene innere Ruhe. Besinnen Sie sich auf Ihre Kraftquelle. Versuchen Sie in sich