Gerda Graf

Im Dialog mit Sterbenden


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und entscheidend weiterentwickelt. Seine Bücher „Miteinander reden” (Band 1 – 3) erreichen seit vielen Jahren (gemessen an den sonstigen Verkaufszahlen psychologischer Fachbücher hierzulande) Rekordauflagen und das hat seine Gründe: Sie sind fachwissenschaftlich kompetent und leserfreundlich verständlich in einem preiswerten Taschenbuch erschienen!

      Im folgenden Abschnitt soll exemplarisch das Konzept von Friedemann Schulz von Thun (1981, 1989) vorgestellt werden: „Miteinander reden”. Die Auseinandersetzung damit kann für jeden förderlich sein.

      Kommunikation war in den vorigen Abschnitten mithilfe eines einfachen Sender-Empfänger-Modells beschrieben worden, in dem eine Nachricht übermittelt (gesendet und empfangen) wird. Ausgangspunkt und Grundlage des genannten Konzepts sind Annahmen über Merkmale der Nachricht im Sender-Empfänger-Modell. Danach haben Nachrichten vier Aspekte oder Seiten (Schulz von Thun, 1981, S. 25 – 30):

       Die vier Aspekte einer Nachricht

      1. Sachinhalt (worüber ich informiere)

      2. Selbstoffenbarung oder Selbstkundgabe (was ich von mir selbst kundgebe)

      3. Beziehung (was ich von dir halte und wie wir zueinander stehen)

      4. Appell (wozu ich dich veranlassen möchte)

       Ein Beispiel

      Dazu ein einführendes Beispiel: Ein Ehepaar im Auto; die Frau fährt und der Mann sagt, auf die Verkehrsampel zeigend: „Du, da vorn ist grün“: Die vier Seiten dieser Nachricht können nun sein:

       Abb. 5: Ehepaar beim Autofahren; aus: Schulz von Thun, 1984, S. 25

      1. Sachinhalt: Farbe der Ampel „grün”

      2. Selbstkundgabe: „Ich passe mit auf.”

      3. Beziehung: „Ich muss mit aufpassen, weil Du eine schlechte Fahrerin bist.“

      4. Appell: „Fahre doch schneller!”

      Das einfache Sender-Empfänger-Modell wird also im Hinblick auf die Nachricht differenziert.

       Die Nachricht im Sender-Empfänger-Modell

       Abb. 6: Die vier Seiten einer Nachricht; aus: Schulz von Thun, 1984, S. 30

      Nun ist es aber sicherlich so, und die vorigen Abschnitte belegen dies ja, dass die empfangene Nachricht nicht unbedingt mit der gesendeten identisch ist. Wahrnehmungen, Einstellungen, implizite Theorien oder Vorurteile führen zur subjektiven Bearbeitung. Es muss also zwischen gesendeter und tatsächlich empfangener Nachricht unterschieden werden.

       Kommunikationsstörungen

      Kommunikationsstörungen und Missverständnisse sind umso gravierender, je unähnlicher gesendete und empfangene Nachricht zueinander stehen. Solche Schwierigkeiten lassen sich sehr minimieren, wenn der Empfänger eine Rückmeldung („Feedback”) gibt: Also darüber, wie er die Nachricht aufgefasst hat. Das ideale Modell zwischenmenschlicher Kommunikation sieht daher nach Schulz von Thun (1981, S. 81) so aus:

       Feedback

       Abb.7: Vervollständigtes Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation

      Mit einer Nachricht werden, wenn auch mit unterschiedlichem Gewicht, stets alle vier Aspekte gleichzeitig übermittelt. Die Empfänger sollten daher fähig sein, auch alle vier Aspekte in ihrer Bedeutung zueinander gleichzeitig zu empfangen. Anschaulich dargestellt: Der ideale Empfänger hat vier Ohren (das „Sach-”, das „Beziehungs-”, das „Selbstoffenbarungs-” und das „Appell”-Ohr; Schulz von Thun, S. 44 – 45).

       „Der vierohrige Empfänger“

      Voreingenommenheit beim Empfänger, wenn er also „auf einem Ohr besonders gut“ hört, führt zu Missverständnissen. Da mag der eine einen Appell hören, der gar nicht gemeint war, der andere hört vielleicht den Beziehungsaspekt heraus, der Dritte wiederum hört nur den Sachinhalt und überhört vielleicht sehr gern den damit verbundenen Appell.

      In Band 2 seines „Miteinander reden” differenziert Schulz von Thun allerdings in zweifacher Hinsicht:

      Demnach gibt es das „ideale” (immer förderliche, angemessene) Kommunikationsverhalten nicht, sondern muss aus den Besonderheiten der Gesamtsituation abgeleitet werden.

      Nicht nur in situativer, sondern auch in personaler Hinsicht scheint eine weitere Differenzierung sinnvoll – denn nicht für alle Persönlichkeiten können die gleichen Empfehlungen gelten.

       Unterschiedliche Kommunikationsstile

      Daraus resultiert die systematische Darstellung von acht deutlich unterschiedenen Kommunikationsstilen. Der Band richtet sein Augenmerk auf die Unterschiede zwischen den Menschen und empfiehlt angemessene Schritte zur persönlichen Entwicklung.

      Von besonderem Interesse für helfende Berufe ist hierbei der „helfende Stil”. Die Grundpose (Schulz von Thun, 1989, S. 76) stellt sich demnach wie folgt dar.

       Abb. 8: Der helfende Stil

       Die „hilflosen Helfer“

      Demnach wären Status, Rolle, Position zwischen starkem Helfer und schwachem Patienten klar verteilt. Dass dem nicht so ist, hat Wolfgang Schmidtbauers (1977) Studie über die „hilflosen Helfer” (Schlagwort: „Helfersyndrom”) schon lange belegt. Damals wie heute waren und sind die Angehörigen der sozialen Berufe über die Ergebnisse überrascht und betroffen.

      Eine sehr praxisbezogene – und an Alltagssituationen beispielhaft verdeutlichte – Loseblattsammlung (zuletzt im Dezember 1999 aktualisiert) legt Antje Czerwinski vor, mit der sie „schwierige Mitarbeitergespräche in der Alten- und Krankenpflege effektiv vorbereiten, erfolgreich durchführen” (so der Titel der Publikation) will.

      Empfehlenswert ist auch der Beitrag von Ulrike Oster (2000).

       Literatur

      Argyle, M.; 1996: Körpersprache & Kommunikation; Paderborn: Junfermann Verlag.

      Baumann, R., Reifenberg, P. & Weber, M. (Hrsg.) 2000; Kommunikation mit Schwerstkranken und Sterbenden; Mainz: Mainzer Hospizgesellschaft Christopherus e. V.

      Bourne, L.E. & Eckstrand, B. R. 1997: Psychologie; Eschborn: Klotz

      Brater, M. 2001: Die Sprache der Verwirrten. I. Teil: Zum Verständnis gerontopsychiatrisch veränderter alter Menschen; in: die Drei. S. 8 – 9 und S. 31 – 46

      Brommer, U. 1994: Konfiktmanagement statt Unternehmenskrise. Zü-rich; Orell Füssli Verlag

      Burgheim, W. 2003: Didaktik der Krisenpädagogik. Lehren und Helfen als Bildung / Kunst; Aachen, Shaker-Verlag

      Cornell, A. W. 1997: Focusing – Der Stimme des Körpers folgend; Reinbek: Rowohlt

      Czerwinski, A. 1999: Schwierige Mitarbeitergespräche in der Alten- und Krankenpflege effektiv vorbereiten, erfolgreich durchführen; Kissing: WEKA Fachverlag für Behörden und Institutionen.

      Deutsch, F. , Le Baron, D. & Fryer, M. M. 1991: Was bedeutet ein Lä-cheln?; in: Report Psychologie 8, S. 21 – 28

      Feurstein, H. J. , Müller, D. & Weiser - Cornell, A. 2000: Focusing im Prozess; Köln: GwG-Verlag

      Gendlin, T. E. 1981. Focusing. Technik der Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme; Salzburg: Otto Müller

      Hausmann,