Gerda Graf

Im Dialog mit Sterbenden


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muss die Gelegenheit bekommen, seine Sichtweise ausführlich darzulegen. Dabei kann man helfen, indem man sein Interesse zeigt: „Erzähl weiter! Wie war das genau?” usw.

      Ein weiterer Schritt ist dann, dem Partner seine Gedanken und Aussagen widerzuspiegeln. Dies geschieht durch Sätze wie: „Du meinst also, dass…”, durch Wiederholungen seiner Aussagen oder Zusammenfassung mehrerer Aussagen mit eigenen Worten.

      Schließlich soll man die Gefühle des Partners ansprechen. Dies können sowohl direkt geäußerte Gefühle sein als auch Gefühle, die beim Erzählen mitschwingen („Du hast Angst, dass…”, „Bei deinen Worten klingt Hoffnung mit”).

       Klientenzentrierte Grundhaltung

      Grundsätzlich ist aber wichtiger als jede psychologische Technik, dass man die partnerzentrierte / klientenorientierte Grundhaltung so zeigt, wie sie für einen selbst echt ist. Echtheit heißt: Sie muss sich in die eigene Person und in das eigene Verhalten einfügen. Partnerzentriert sein bedeutet dann, dass man sich in den Partner hineinversetzt.

       Exkurs: Was bedeutet ein Lächeln?

      Dass Gesichter, die Gefühle zeigen, die Macht haben, ein bestimmtes Ausdrucksverhalten auszulösen und uns zu bestimmten subjektiven Erfahrungen bringen können, ist seit langem belegt (z. B. Deutsch, Le Baron & Fryer, 1991.) Allerdings gibt es demnach geschlechtsspezifische Unterschiede, wonach in Sachen „Lächeln” für Männer und Frauen unterschiedliche Maßstäbe angesetzt werden.

       Bedeutung des Lächelns

      Wenn Frauen kein ausdrucksstarkes und herzliches nonverbales Verhalten zeigen, werden sie strenger bewertet als Männer. Alexander Lowen, dem Begründer der Bioenergetik, wird folgende Behauptung nachgesagt:

       Körperausdruck

       „Keine Worte sind so klar wie die Sprache des Körperausdrucks, wenn man erst einmal gelernt hat, sie zu verstehen.”

      …und dazu gehört im Bereich der Mimik neben dem unverzichtbaren Blickkontakt die Bewegung des Mundes. Denn ein Lächeln sagt alles und bewirkt viel. Die positive Gemütsverfassung wirkt sich auf die Gesundheit von Körper und Seele – beim Sender und Empfänger dieser Nachricht – aus.

       Supervision als Form der Beratung

       Supervision – Beratung und Gesprächsführung

      Bei der Pflege von Schwerstkranken oder Sterbenden stehen die Pflegenden und alle anderen patientennah arbeitenden Berufsgruppen unter besonders starker psychischer Belastung. Durch Supervision kann ihnen psychosoziale Entlastung geboten werden. Wenn Supervision der professionellen und systematisierten Bearbeitung von beruflichen Interaktionsproblemen dient und eine Verbesserung und Erweiterung persönlicher und fachlich praktischer Handlungskompetenz zur Folge hat – ist sie damit nicht „nur” eine Form der Beratung? Und wenn daneben das einfühlsame, „heilsame” Verhalten und Verständnis für andere Menschen erlernt und eingeübt werden soll – erkennen wir nicht da die Grundlagen der Gesprächsführung – Akzeptanz, Einfühlung, Echtheit – wieder?

      Ist dann Beratung nicht nur eine besondere Form der Gesprächsführung? Diese Fragen sind mit einem klaren JA zu beantworten! Supervision ist eine Form der Beratung, und Beratung ist eine Form der professionellen Gesprächsführung, und allen ist eines gemeinsam: Die Beteiligten in einem solchen Interaktionsprozess müssen einander zuhören – oder sie müssen es lernen. Und dafür gibt es unterschiedliche Supervisionsansätze: Die Einzel-, die Team- und Gruppensupervision sowie die Projektberatung.

       Supervisionsbrille

      Die Supervisionsinhalte (Gesprächsinhalte) betreffen die Beziehungen des Personals untereinander und zu Führungskräften, des Pflegepersonals zu den Patienten und deren Angehörigen, zur Krankenhausorganisation und zur Gesellschaft und können dann durch die so genannte Supervisionsbrille betrachtet werden. Partnerzentrierte Gesprächsführung, Beratung und Supervision sollten in der Praxis der Sozial- und Gesundheitsberufe eine Selbstverständlichkeit sein. Sie ist kein Allheilmittel. Ihre Einführung im Krankenhaus, Altenheim, Hospiz ist aber ein humanistischer Ansatz, um die bestmöglichen Hilfen für Patienten und Personal bereitzustellen.

       Sterbebegleitung – ein Kommunikationsproblem?

      Sterbebegleitung ist eben sehr häufig auch ein Kommunikationsproblem. So ist es ein weit verbreiteter Irrtum, davon auszugehen, Schwerstkranke würden bereits lange vor ihrem Tod das Bewusstsein verlieren. Sehr viele Patienten – so zeigen Praxiserfahrungen und Untersuchungen immer wieder überzeugend – bleiben bis kurz vor ihrem Tod erreichbar, wenn auch nicht immer ansprechbar (etwa direkt-verbal, symbolisch-verbal oder auch in der Form einer „Symbolsprache” wie sie z. B. Inger Hermann (2000) unter dem bezeichnenden Titel „Die Koffer sind gepackt!” beschreibt).

      Zentral bleibt gerade in diesen Phasen, dass sich der Sterbebegleiter auf die dem Patienten noch mögliche Art der Kommunikation einlassen kann und sie verstehen lernt.

      Dies mögen z. B. Symbol- oder Traumsprache sein, die das Nacherleben von vielleicht Unaussprechlichem möglich machen, etwa durch Weiterassoziieren und -phantasieren oder die gemeinsame Suche nach Wort- oder Bildmetaphern, die Trost spenden und entlasten (Mennemann, 1998).

      Die berühmte amerikanische Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross beschreibt solche Gleichnisse, Parabeln und Symbolsprachen (1990) sehr anschaulich anhand zahlreicher Fallbeispiele – auch unter Verwendung von Zeichnungen –, angefertigt in einer Lebenskrise. Bekannt wurde sie insbesondere einem breiten (Fach-) Publikum dadurch, dass sie die vielfältigen Phänomene des Sterbens bestimmten typischen Abschnitten zuordnet.

       Zum Nutzen der Phasenmodelle

      Aber – so schreibt Mennemann (1998, S. 256):

      „Eine Orientierung an Phasenmodellen, dies sei noch einmal kurz wiederholt, ist in der Praxis wenig hilfreich, da die Phasen nicht deutlich nacheinander ablaufen. Allerdings sind ein Wissen um unterschiedliche Verarbeitungsphasen und daraus folgend unterschiedliche Interventionsstrategien wichtig.”

      Biografiearbeit, Erzählstunden, kreative Verfahren können das Gelingen der Kommunikation mit Sterbenden sehr bereichern und erleichtern und dies ist nur in sehr geringem Ausmaß abhängig von der richtigen Wortwahl. Im Vordergrund steht die Konsequenz: Das Zusammenspiel verbaler und nonverbaler Ausdrucksformen (vgl. Axiom 3, Modelle und Grundlagen der Kommunikation).

       Ein alter Grundsatz: Schweigen ist oft ausdrucksstärker als Reden

      Und ein weiteres Axiom gab den Hinweis:

      „Auch wenn verbale Verständigung versagt, besteht weiterhin Kommunikation: Gelebtes Schweigen ist oft ausdrucksstärker als Worte. Erst die innere Abkehr vom sterbenden Menschen führt ihn in die Isolation, nicht jedoch Schweigen oder Stille. Erlebnisformen der Stille können sein: Nähe (Verringerung des körperlichen Abstandes) und innere Anwesenheit, auditive Kommunikation (Töne, Lieder, Musik), Zuhören („Die meisten sterbenden Patienten möchten keine Antworten, weil sie wissen oder spüren, dass es auf die Geheimnisse des Todes keine Antworten gibt”), Blickkontakte (Kommunikation ist über Blicke möglich zwischen vertrauten Menschen), Körperkontakt (Streicheln), einfühlende Solidarität (vorbehaltlose Begegnung, Einbringen der eigenen ganzen Person…) (Mennemann, 1998, S. 260).

       Der Körper als Kommunikationsträger

      Schweigen und Zuhören sind gleichrangige zentrale „Sprachkompetenzen”, und es wird immer wieder in Theorie und Praxis der Sterbebegleitung völlig zu Recht auf den Körper, die Körpersprache, als wichtigen Kommunikationsträger hingewiesen.

      Neben klassischen körperorientierten Methoden (wie Yoga, autogenes Training, progressive Muskelentspannung) treten in jüngster Zeit auch „Konzentrative Bewegungstherapie – KBT” (Hausmann & Neddermeyer, 1996) und „Focusing”.

       Focusing

      Dieses Focusing –