Ursula Klein

Geburtsort: Königsberg


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dem Wasser schwammen die großen Schwäne und hinter ihnen – wie im Gänsemarsch – fünf kleine hinterher. Durch die vielen Spaziergänger angelockt, schwammen sie auch manchmal an den Uferrand und ließen sich füttern. „Mutter, darf ich dem Schwan auch etwas geben?“ „Ja, aber bitte nur ein bisschen, sonst hast du nicht genug“, war die Antwort. Und kaum war es ausgesprochen, da stürmten alle vier an den Teichrand. Lotte wollte mit ihren kleinen Beinchen natürlich auch dorthin und strampelte im Kinderwagen aus Leibeskräften. Der Mutter blieb nichts anderes übrig, als sie an die Hand zu nehmen und mit ihr auch dorthin zu gehen. Die Schwäne waren schon dicht an den Teichrand herangeschwommen und Fritz natürlich furchtlos in nächster Nähe. Die Mädchen hielten ein wenig auf Abstand. Die Kuchenbröckchen wurden in Richtung Schwäne geworfen und alle Schwäne versuchten, einen Brocken zu bekommen. Es dauerte auch nicht lange, und die Kinder wagten sich immer näher an die Schwäne heran. Aber die Schwaneneltern passten auf ihre Jungen so gut auf, dass ihnen nichts passieren konnte. Mutter mahnte: „Ihr müsst auch essen, ich habe nicht noch mehr Kuchen mit!“ Als die Kinder dann nichts mehr zum Fressen in den Teich warfen, machten die Schwäne ganz schnell kehrt und schwammen zur nächsten Futterstelle.

      Mitten in dem Teich war eine Insel, die mit einem Zaun umgeben ein hübsches Schwanenhaus hatte. Hier konnten die Schwanenpaare mit ihren Jungen ungestört die Nacht verbringen, hier konnte sie niemand vertreiben oder jagen. Nur ab und zu kam dort ein Paddelboot vorbei und die Insassen betrachtete sich die Insel aus der Nähe.

      Vater machte die Kinder auf die Schönheit dieser Insel aufmerksam. „Kinder, könnt ihr euch vorstellen, wie schön es im Mai war, als sich die Studenten der Universität mit Fackeln auf dem Schlossteich in geschmückten Booten zum Mai-Singen trafen? Das soll ein großes Erlebnis nicht nur für die Studenten, sondern auch für alle promenierenden Menschen gewesen sein. Meine Kollegen haben mir davon erzählt. Das hat viel gewaltiger geklungen als der Gemeindechor in Ponarth. Vergleichbar ist das mit dem Harmonium bei uns und der Orgel in der Schlosskirche.“

      Mutter war voller Freude und Glück über diesen schönen Sonntag. Wie stolz war sie auf ihre Kinder, ihren Mann, auf das schöne Land. In diesem Hochgefühl fiel ihr ein Gedicht ein, das sie einmal in der Schule gelernt hatte und nun den Kindern vortrug:

      „Ich weiß ein Land, so eigen,

      so schön, als wär´s erträumt.

      Wo stolze Tannen ragen

      Und weiße Woge schäumt.

      Wo segenschwere Erde

      Des Wandrers Schritte trägt

      Und frohe, lebensstarke,

      gesunde Menschen prägt.

      Und fragt ihr nach dem Namen,

      so sei er stolz genannt:

      Das Land, so schön, so eigen,

      Ostpreußen heißt das Land!

      Den möcht´ ich glücklich preisen,

      der hier Zuhause ist,

      wo aus der Ackerkrume

      das starke Leben grüßt.

      Drum dank´ ich meinem Schöpfer,

      bin betend ich allein,

      der mich für wert befunden,

      Ostpreußens Kind zu sein.“

      Auch die Kinder erkannten in diesem Gedicht die Liebe zu ihrer Heimat.

      Der Kuchen war gegessen, der Kaffee getrunken, die Kinder wollten noch ein bisschen herumtoben. „Ihr vier Großen dürft bis zur Schlossteichbrücke laufen. Wartet dort auf uns. Rennt aber keine Spaziergänger um! Lotte geht mit uns, denn sie kann ja noch nicht so gut alleine laufen.“ Hanna sagte gleich: „Wer am schnellsten ist, hat gewonnen. Auf die Plätze, fertig, los!“ Und mit Feuereifer schmissen die Kinder die Beine und liefen, so schnell es ging. Nur die Passanten auf dem Promenadenweg waren ihnen hinderlich. Fritz war ganz raffiniert: Er lief ganz eng an den Büschen lang, da kam ihm niemand entgegen. Hanna hingegen, wollte am schnellsten sein und musste mitten auf dem Weg laufend den Spaziergängern ausweichen. Trotzdem konnte Hanna gewinnen, denn sie war ja viel älter und Lisbeth nicht so sportlich.

      Die Eltern freuten sich über ihren Kindersegen. Aber als sie gemeinsam weitergingen, sagten sie sorgenvoll: „Was wird uns das Leben wohl noch an bösen Überraschungen bringen?“ Der Vater war zwar durch den Friedensvertrag von Brest-Litowsk zwischen Russland und Deutschland im Januar gleich nach Hause entlassen worden, aber allgemein gab es noch keinen Frieden, es wurde immer noch geschossen, es gab immer noch Tote und Verwundete. Auch sah es so aus, als ob Deutschland den Krieg verlieren würde. Was wird dann aus uns? In Russland hatte die Revolution den Zaren gestürzt und Lenin war an der Macht. Was sollte dann aus unserer Regierung werden, vor allem – wer wird uns regieren? Es gab schon viele Anhänger von Arbeiterparteien, so der SPD, USPD und der Kommunisten, die alle mitbestimmen wollten.

      Die Versorgung wurde immer schlechter, weil die Bauern durch den Krieg nicht mehr die Felder bestellten. Die eigene Versorgung mit dem Gemüsegarten und den Kleintieren reichte nicht aus, um die Kinder satt zu kriegen. Das Geld war knapp - es gab außerdem nichts zu kaufen. Die meisten Väter und Männer waren noch als Soldaten im Feld oder als Verwundete entlassen. Wer sollte den kleinen Leuten helfen, wieder richtig leben zu können? Anna und Otto erkannten zwar die Probleme, aber ihr Glaube ließ sie nicht verzweifeln.

      Ihre traurigen und Angst bringenden Gedanken waren aber an der Schlossteichbrücke durch ihre fröhlichen Kinder wie weggeblasen. Schnell waren alle Sorgen vergessen und die Kinder freuten sich gemeinsam mit den Eltern beim weiteren Spazierengehen über die Brücke. Da die Zeit doch recht schnell vergangen war, mussten jetzt alle schneller gehen. Fritz wurde nun mit in den Kinderwagen gesetzt, denn der jammerte schon lautstark, dass er müde sei.

      Darum gingen sie ohne viel Erklärungen am Albrechtsbau mit der Hauptwache vorbei. Vater erzählte nur noch beim Weitergehen, dass auf dem Schlossturm ein Türmer vormittags um 11.00 Uhr das Lied „Ach bleib` mit Deiner Gnade, bei uns Herr Jesus Christ … “ und abends um 21.00 Uhr „Nun ruhen alle Wälder … “ blase. Übermütig formten die Kinder die Hände vor dem Mund und summten die Lieder. Der Vater mahnte: „Aber Kinder, es ist doch die falsche Zeit!“ Die Passanten sahen der Familie aber freundlich lächelnd hinterher. Weiter ging es über den Schlossplatz mit dem Denkmal König Friedrich I. und zurück zum Gäsekusplatz.

      Glücklich und mit neuen Eindrücken beladen, stiegen sie wieder in die Straßenbahn und fuhren nach Hause. Jetzt waren die Kinder nicht mehr so ausgelassen wie auf der Hinfahrt, sondern müde und schweigsam. Jeder hatte so viel erlebt, dass die Gedanken zunächst beschäftigt waren.

      Als die Kinder dann im Bett lagen, betete Hanna voll Dankbarkeit für diesen Tag:

      „Müde bin ich geh zur Ruh,

      Schließe beide Augen zu.

      Vater, lass die Augen Dein

      Über meinem Bettchen sein.

      Hab ich Unrecht heut getan,

      Sieh es lieber Gott nicht an.

      Deine Gnad und Jesu Blut

      Machen allen Schaden gut.

      Alle, die mir sind verwandt,

      Gott, lass ruh`n in Deiner Hand.

      Alle Menschen groß und klein

      Sollen Dir befohlen sein.

      Kranken Herzen sende Ruh,

      Nasse Augen schließe zu.

      Hab auf alles gnädig Acht,

      Schenk uns eine gute Nacht. Amen.“

      Glücklich, zufrieden und behütet schliefen die Kinder ein, doch die Eltern sorgten sich um die Zukunft der Kinder.

      Es war Herbst geworden. Schon bald wurde des duster. Für Hanna hatte sich das Leben bisher von der besten Seite gezeigt, denn es verlief in dem gewohnten Rhythmus: