Dana Schwarz-Haderek

Equinox


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Hang war, sondern ein Damm, der sich schnurgerade neben einem zahmen Flüsschen erhob und sich auf der gegenüberliegenden Seite wiederholte. Zum Fluss hinunter verlief der Damm nicht gar so steil. An einer etwas flacheren Stelle blieben wir stehen und er begann den Rucksack auszupacken. Zuoberst kam eine Picknickdecke zum Vorschein, die er im feuchten Gras ausbreitete.

      »Keine Angst«, erklärte er, als er meinen skeptischen Blick bemerkte. »Die Decke ist beschichtet. Wir können nicht nass werden. Nimm schon mal Platz. Es ist gleich angerichtet.«

      Und vor Vorfreude lächelnd packte er weiter aus.

      Ich tat, wie mir geheißen und setzte mich auf die Decke. Von diesem Punkt war das Naturschauspiel noch beeindruckender. Staunend sah ich mich um. Die Nebelfetzchen, die wir vorhin oberhalb des Dammes gesehen hatten, schwebten nun verträumt über dem träge dahin fließenden Fluss, als würde das Wasser wohlig warm sein und dampfen. Die Sonnenstrahlen brachen sich auf der Wasseroberfläche und spiegelten sich in goldenen, tanzenden Lichtflecken auf der gegenüberliegenden Dammseite. So etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen!

      Plötzlich hockte sich Robert neben mich und sah mich aus seinen grünen, sonnenlichtdurchfluteten Augen an. Mir verschlug es den Atem. Hatte ich gerade gedacht, die Natur um mich herum war das Schönste, was ich je gesehen habe? Ich hatte mich geirrt! Wie konnte ein so schöner Mann nur für mich bestimmt sein? Ich war einfach nur fassungslos und unendlich glücklich zur gleichen Zeit.

      »Du hattest noch gar keinen Guten-Morgen-Kuss!«, sagte Robert leise und küsste mich behutsam auf die Stirn.

      »Stimmt«, erwiderte ich, »Du auch nicht«, und küsste ihn mit einer federleichten Berührung auf seine Lippen zurück. Er umfasste zärtlich mein Gesicht, und noch bevor sein Mund sich meinem nähern konnte, knurrte mein Magen laut und vernehmlich. Ein wirklich toller Zeitpunkt …

      »Wir sollten vielleicht erst frühstücken«, sagte Robert mit belegter Stimme. »Tee oder Kaffee?«

      Tatsächlich! Er hatte wirklich an alles gedacht. Ich ließ meinen Blick über die Picknickdecke wandern. Zwei große Tassen standen da, zwei kleine Flaschen Orangensaft mit Strohhalm, Croissants, Brötchen, Käse, Schinken, Honig, Weintrauben, zwei Birnen, ein Schälchen frische Brombeeren.

      »Tee bitte«, antwortete ich. »Es sieht köstlich aus!«

      Robert zauberte einen kuvertierten Teebeutel hervor, Twinings English Breakfast – wow – und goss heißes Wasser aus der Thermoskanne darüber. Wie er die richtige Teesorte wohl erraten hatte?

      »Milch?«

      »Ja, bitte!«

      »Das ist zwar im Style nicht ganz formvollendet richtig, aber ich denke, hier tut’s auch mal Kaffeesahne, oder?«, und hielt mir auch schon kleine Kaffeesahnenäpfchen hin.

      »Weißt Du, das ist mein Lieblingstee! Woher wusstest Du das? Ich bin begeistert!«

      »Ich auch!«

      »Wie bitte?« Ich konnte nicht ganz folgen.

      »Na, begeistert. Ich bin auch begeistert! Von Dir!«, und er grinste frech. »Gefällt es Dir hier?«

      »Es ist wunderschön!«, hauchte ich und ertrank einmal wieder in seinen tiefgrünen Augen, während ich völlig vergaß, ihn noch einmal nach der treffenden Teewahl zu befragen.

      »Iss!«, lachte Robert und steckte mir keck eine Weinbeere in den Mund. »Du frisst mich sonst noch, so wie dein Magen vorhin geknurrt hat.«

      »Das wäre auch nicht so schlimm«, murmelte ich leise vor mich hin, während ich die Beere kaute. Hatte ich das gerade gesagt? Ich sollte versuchen, meine Gedanken nicht auf der Zunge zu tragen. Das passierte schließlich sonst auch nicht. Aber in Roberts Gegenwart schien ich sowieso nicht wirklich ich zu sein.

      »Was hast du eben gesagt?«, fragte Robert schelmisch. Er hatte auf jeden Fall mehr verstanden, als er sollte. Ich wurde schon wieder rot. Und das passte mir gar nicht. Ich hielt mich an meiner Tasse Tee fest und wusste nicht so richtig, was ich jetzt tun sollte. Ich war ja selbst schuld, dass ich mich auf solch glattes Eis begeben hatte. Robert schien dies ziemlich zu unterhalten und er lachte leise.

      »Croissant oder Brötchen?«, fragte er und rettete mich so dankenswerterweise aus meiner Verlegenheit.

      »Ein Croissant wäre toll. Dankeschön. Sag mal«, fragte ich kauend, wann bist du heute eigentlich aufgestanden, um das alles« – ich deutete um mich – »vorzubereiten und vor allem auch noch zum Bäcker zu gehen?«

      »So gegen sechs«, antwortete er.

      Sechs Uhr, unglaublich! Er war schon um sechs Uhr extra für mich aufgestanden? Ich war beeindruckt und schluckte vor Freude, dass ich ihm offensichtlich wichtiger zu sein schien, als ich zu hoffen gewagt hatte.

      »Vielen Dank …«, sagte ich leise: »… für das schönste Frühstück meines Lebens!«

      Er legte seinen Arm um mich und zog mich näher zu sich heran. Schweigend saßen wir da und genossen unsere Zweisamkeit und die Stille um uns herum. Dieser Augenblick war so einzigartig schön, dass es keiner Worte bedurfte, ihn zu beschreiben. Und all die Dinge, die wir noch übereinander wissen wollten, hatten Zeit, um später gesagt zu werden, fand ich. Warum etwas übereilen? Ich fühlte, dass die ganze Zukunft wie ein Versprechen vor uns lag, und ließ mich von dieser noch ganz neuen Vertrautheit gegenüber Robert einhüllen und verzaubern.

      »Ich muss Dir leider noch schlechte Neuigkeiten überbringen«, sagte Robert nach einer kleinen Unendlichkeit.

      Ich richtete mich auf und schaute ihn fragend an. Was wollte er mir mitteilen? War es doch nicht seine Cousine, die er neulich abholen musste? War er vielleicht sogar schon mit einer anderen Frau verbunden? Oder meinte er es, trotzdem es bisher nicht den Anschein erweckte, nicht ernst mit mir? Panikartig schossen mir in Bruchteilen von Sekunden die verschiedensten Katastrophentheorien durch den Kopf, und eine nie gekannte Angst ließ meinen Puls rasen.

      Es schien wirklich kein Spaß zu sein, was er mir sagen wollte, denn Robert blickte mich mit ernstem, gequälten Ausdruck an. Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine tiefe Sorgenfalte. Ich runzelte die Stirn ebenso und wartete darauf, dass er erklärte, was die schlechten Neuigkeiten waren. Mir wurde mehr als nur flau im Magen, als Robert augenscheinlich mühevoll nach den richtigen Worten suchte.

      »Ich muss ab Montag für acht Wochen zu einer Projektbetreuung nach Plymouth. Ich hatte mich freiwillig dafür angeboten, damit meine zwei Kollegen, die dies auch hätten machen können, nicht für so lange Zeit von ihren Familien getrennt sein müssten. Ich war ja Single zum Zeitpunkt dieser Entscheidung und hatte keinen Grund, diese Aufgabe nicht zu übernehmen. Außerdem habe ich Familie in der Gegend. Es bot sich ursprünglich eigentlich als eine perfekte Gelegenheit an, Job und Privates miteinander zu verbinden. Ich konnte schließlich nicht ahnen, dass du so kurz vor der Abreise in mein Leben treten würdest.«

      Das waren in der Tat sehr schlechte Neuigkeiten! Sie warfen mich buchstäblich um. Ich konnte gar nicht sofort antworten, obwohl mich Robert flehend anschaute. Das flaue Gefühl in meinem Magen verstärkte sich augenblicklich.

      »Acht Wochen?«, fragte ich nach einer Weile mutlos.

      »Acht Wochen«, antwortete er mit Grabesstimme.

      »Oh nein!«, ächzte ich und fühlte mich, als würde ich körperlich gefoltert. »Ohne Pause?«

      »Ja, ohne Pause. Es sei denn, du kommst mich dort einmal besuchen. Das ginge schon. Würdest du? … bitte?«

      Hoffnung! Jedenfalls ein bisschen.

      »Auf jeden Fall. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dich schon wieder gehen lassen zu müssen.« Um mich herum drehte sich plötzlich alles und ich umfasste Roberts Hand, als müsste ich ihn schon jetzt festhalten, damit er nicht bereits in diesem Moment ginge.

      »Glaub mir«, stieß er bitter hervor, »es fällt mir genauso schwer wie dir!«

      Ich konnte nur gequält stöhnen, aber fühlte dennoch eine große Erleichterung, dass keine meiner