Dana Schwarz-Haderek

Equinox


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erklärte sie uns, dass er den gleich folgenden Test dann in Englisch beantworten würde, damit die Ergebnisse am Ende vergleichbar würden.

      Sie bot uns an, von dem bereitgestellten Saft und Wasser zu nehmen und wies uns an, kurz zu warten.

      Kaum war sie aus dem Raum gegangen, bestürmten mich Jason und Theresa auch schon wieder mit ihren Fragen.

      »Was war denn mit dir da unten plötzlich los?«

      »Du hast ausgesehen, als hättest du den Teufel persönlich getroffen! Krass! Was hattest du?«

      »Geht’s Dir nun wieder gut?«

      »Ja, alles prima«, antwortete ich knapp und war froh, auf die anderen Fragen nicht antworten zu müssen, denn Momo kam wieder und sagte: »Kommt mit. Es geht los. Lasst Eure Sachen hier. Die braucht ihr zum Test nicht mitnehmen. Wir schließen hier ab.«

      Im Hinausgehen wandte sie sich noch einmal mir zu und fragte mich mit besorgter, leiser Stimme: »Fühlst du dich wirklich wieder gut? Du kannst auch gern einfach nur auf deine Freunde warten. Du musst nicht an der Studie teilnehmen, wenn es dir nicht gut geht.«

      »Nein, nein. Vielen Dank. Es ist alles in Ordnung. Wirklich! Ich mache auf jedem Fall mit!«, versuchte ich Momos Bedenken zu zerstreuen.

      »Okay, wie du meinst«, sie zuckte mit den Schultern und führte uns in einen abgedunkelten Raum, in dem kleine mit Seitenwänden versehene, beleuchtete Kabinen mit Schreibtischen aufgebaut waren.

      »Der Herr aus Kanada setzt sich bitte in Kabine eins, die beiden Damen wählen je eine der verbliebenden Kabinen. Ihr findet auf Euren Plätzen einen Fragenbogen, den ihr bitte erst umdreht, wenn das Klingelsignal ertönt. Anschließend folgt ihr genau den Anweisungen auf dem Fragebogen. Ihr habt exakt fünf Minuten Zeit zum Ausfüllen. Bitte steht nicht auf, bevor die Klingel das Ende der Testzeit angibt. Falls ihr schon eher fertig sein solltet, bleibt also bitte trotzdem sitzen. Wenn die Zeit vorbei ist, dreht ihr den Testbogen wieder um. Bitte sprecht nicht miteinander. Soweit alles klar? Noch Fragen?«

      »Nö«, sagte Theresa und auch Jason und ich signalisierten unser Verständnis.

      »Okay, super! Dann geht’s jetzt los. Achtung!«, und die Klingel ertönte.

      Während ich den Bogen ausfüllte, betrat eine weitere Person den Raum. Ich war jedoch mit der Fülle der Aufgaben auf dem Testpapier so beschäftigt, dass ich keine Zeit hatte, um nachzuschauen, wer da hereingekommen war.

      Die fünf Bearbeitungsminuten waren schneller um als gedacht, und als die Klingel ertönte, fehlten mir sogar noch zwei Aufgaben. Tief durchatmend drehte ich mein Blatt um und wartete auf das Signal, wieder aufstehen zu dürfen.

      »Vielen Dank«, sagte eine mir nur allzu bekannte Stimme und ließ mich auf meinem Stuhl erstarren. »Ihr werdet vielleicht nicht alles geschafft haben, aber das war so gewollt. Also macht euch keinen Kopf. Ihr habt nicht zu langsam gearbeitet. Momo nimmt nun noch eure Daten auf und gibt euch einen Link, auf dem ihr in etwa einem Vierteljahr die anonymisierten Testergebnisse nachlesen könnt, wenn ihr wollt.«

      Theresa und Jason sagten beide »Okay« und erhoben sich Richtung Ausgang.

      Ich stand langsam auf und drehte mich unsicher um. Du musst einfach nur ›Hallo‹ sagen und dann weitergehen, redete ich mir ein. Tu’s einfach und sei cool! Wenn das so einfach wäre! Mein Puls raste und meine Beine fühlten sich schon wieder an wie Wackelpudding.

      Doch dann kam alles völlig anders, als ich es erwartet hatte.

      Kaum hatte ich mich umgedreht, erkannte mich Robert und ein Strahlen erhellte sein Gesicht.

      »Elisabeth!«, rief er hocherfreut.

      Ich war völlig durcheinander. Geschockt!

      Noch ehe ich mich sammeln konnte, war er die wenigen Meter durch den Raum zu mir geschritten und nahm meine beiden Hände in seine. Mein Herz vergaß einen Schlag lang, was es tun sollte und hielt einfach an, um danach mit noch höherer Geschwindigkeit weiterzurasen.

      »Elisabeth!«, stieß er erneut hervor. »Ich hatte schon gedacht, ich sehe Dich nie wieder! Was für ein Idiot war ich, als ich am Samstag gegangen bin, ohne Dich vorher wenigstens um Deine Telefonnummer oder so zu bitten. Dabei war es letztendlich noch nicht einmal so dringend, denn ich stand noch mindestens eine halbe Stunde am Bahnsteig, ehe meine Cousine dann schließlich kam. Ihr Zug hatte kurz vor Leipzig noch eine Panne und konnte daher nur langsamer fahren als sonst.«

      Ich hörte ihm atemlos zu und versuchte, das, was er mir da gerade erzählte irgendwie zu verarbeiten. Cousine? Meine Hände lagen noch immer in seinen. Er kam überhaupt nicht auf die Idee, mich wieder loszulassen.

      »Deine Cousine?«, war das Einzige, was ich hervorbrachte. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Von Cousinen ging keine Gefahr aus, soviel ich wusste. Oder doch?

      Er war nicht aus dem Café geeilt, um seine Freundin zu treffen. Nur seine Cousine. Erleichterung, Freude, Überraschung. Ich fühlte alles durcheinander und gleichzeitig.

      »Ja, meine Cousine. Sie ist gerade achtzehn und macht bald Abitur. Sie hat begonnen, nach einer geeigneten Uni für sich suchen, um nach der Schule Medizin zu studieren. Marburg und Jena hatte sie sich schon angesehen und am Wochenende wollte sie dann Leipzig kennenlernen. Naja, und ich hatte ihr angeboten, sie durch die Stadt zu führen und zum Tag der offenen Tür der medizinischen Fakultät zu begleiten.«

      Er schaute mich liebevoll und ein wenig besorgt an. Dabei bildeten sich zwei Grübchen zwischen seinen Augenbrauen, was mich, wie immer, wieder nur ablenkte und mir auch ausgesprochen gut gefiel.

      »Bist du mir sehr böse, dass ich dich da einfach allein in dem Coffeeshop sitzen gelassen habe?«

      »Nein. Nicht wirklich. Ich dachte nur …«

      »Was dachtest du?«

      »Ach, nicht wichtig.« Es war egal, all der Schmerz der vergangenen Tage war wie weggeblasen und zum ersten Mal konnte ich mich einfach nur freuen, Robert zu sehen. Ich lächelte ihn glücklich an.

      Er reagierte sofort auf mein Lächeln. Die besorgte Unsicherheit, mit der er mich soeben noch betrachtet hatte, wich einem ebenso liebenswerten Lächeln.

      »Wollen wir das Ganze noch einmal beginnen, zum dritten Mal, vielleicht mit einem Kaffee?«, fragte er mich.

      »Sehr gern!«, hauchte ich eher, als ich sprach. Mehr brauchte ich nicht zu sagen und schaute ihm in seine grünen Augen, die im Halbdunkel des Labors aussahen wie die Tiefsee.

      In der Tür räusperte sich auf einmal Jason ziemlich vernehmlich.

      Oh je, die zwei hatte ich ja vollends vergessen. Ich wandte mich um und sah wie sie mich und Robert beide überrascht musterten. Mit einem Blick auf meine Hände in seinen fragte Theresa grinsend: »Ihr kennt euch wohl?«

      »Ja, sozusagen«, antwortete ich und lächelte Robert wieder an.

      »Und was ist jetzt mit heute Abend?«, fragte Jason stirnrunzelnd.

      Theresa knuffte ihm derb in die Seite.

      »Aua!«

      »Oh, du hattest schon etwas vor?«, Robert schaute mich enttäuscht an.

      »Nun ja, wir drei wollten auf die Semesteranfangsparty in der Moritzbastei«, antwortete ich völlig unschlüssig, was ich nun tun sollte.

      »Wenn Ihr nichts dagegen habt«, wandte sich Robert Theresa und Jason zu, »entführe ich euch Elisabeth für eine Weile und wir kommen dann beide heute Abend in die Moritzbastei.«

      »Na, ich habe nichts dagegen!«, freute sich Jason mit einem Seitenblick auf Theresa. Diese rollte betont übertrieben mit den Augen und antwortete, an Jason gewandt: »Wenn es denn sein muss, verbringe ich den Rest des Nachmittags halt notgedrungen mit dir allein.«

      Jason strahlte übers ganze Gesicht.

      »Willst Du uns nicht wenigstens noch vorstellen, ehe wir heute Abend gemeinsam ausgehen?«, fragte sie mich noch und schaute