Dana Schwarz-Haderek

Equinox


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Lender. Ihr seid …?« Er schaute erst zu Theresa und danach zu Jason.

      »Theresa.«

      »Und?«

      »Jason.«

      »Sehr erfreut«, meinte Robert schmunzelnd; offensichtlich fand er es genauso amüsant wie ich, dass die beiden sich aufgrund ihrer Überraschung nur mit Vornamen vorstellten und ziemlich einsilbig waren. Dabei wusste ich, dass Theresa und Jason normalerweise alles andere, nur nicht wortkarg und zurückhaltend waren.

      »Ebenso! Also, bis später dann«, erwiderte Theresa formvollendet und zog Jason mit sich. Es fehlte bloß, sie macht noch einen Knicks, schoss es mir durch den Kopf. Beim Gedanken daran musste ich leise lachen.

      »Was?«, fragte Robert amüsiert.

      »Nichts von Bedeutung.«

      »Schade, ich hätte gern mitgelacht! Wollen wir?«

       6

      Als wir wenig später aus dem Institutsgebäude traten, regnete es nicht mehr. Die Wolken hatten sich aufgelockert und hier und da blitzten erste Sonnenstrahlen hervor. Unglaublich, das Wetter passte sich meiner Stimmung an!

      Wir fanden schnell ein kleines Café und dieses Mal saßen wir auf der gleichen Couch, einander zugewandt, ohne auch nur einmal den Blick voneinander lösen.

      »Ich bin so froh, Dich wiedergefunden zu haben. Ich habe seit Samstag wirklich geglaubt, dass es das jetzt war. Ein drittes Mal würde ich dich in dieser großen Stadt bestimmt nicht wieder treffen, war ich mir sicher. Von so viel Glück hätte ich nicht einmal zu träumen gewagt.«

      So, wie Robert mir sein Herz offenlegte, bestand für mich kein Zweifel daran, dass er es nicht auch so meinen könnte. Ein Teil von mir aber appellierte ohne Unterlass: Komm, das ist nicht real. Du wachst sowieso gleich auf. Verlier dich nicht schon wieder in deinen Tagträumen! Doch es gelang mir recht mühelos, diesen Teil einfach auszuschalten.

      Ich lächelte Robert an, ohne Angst, mich verstellen oder ein Spiel mit ihm spielen zu müssen, um mich interessanter für ihn zu machen. Das alles brauchte ich nicht. Ich fühlte, dass ich in seiner Gegenwart einfach nur ich selbst sein konnte.

      »Ich hatte auch Angst, dich nie wieder zu sehen«, gestand ich ihm ehrlich.

      Robert nahm wieder meine beiden Hände in seine und sagte mit belegter Stimme: »Uns kann ab jetzt nichts mehr trennen! Auch wenn wir einmal nicht direkt beieinander sein können, werden wir doch zusammen sein. Das verspreche ich dir!«

      »… so du nicht schon vergeben bist oder mich gar nicht an deiner Seite willst«, fügte er vorsichtig und mit einer plötzlich ganz unsicher wirkenden Klangfarbe hinzu.

      Den zweiten Teil nahm ich gar nicht wahr. Ich hörte nur auf diese unverhoffte, völlig überraschende und mir so unglaublich aus der Seele sprechende Erklärung Roberts. Das war die einzige Wahrheit, die auch für mich zählte, dessen war ich mir sofort so sicher und bewusst, dass ich nur stumm nicken konnte.

      So fühlte sich das Glück an!

      »Nachdem ich mit der Tür quasi schon ins Haus gefallen bin, möchte ich mich wenigstens erst einmal noch förmlich vorstellen«, sagte Robert nach einer Weile neckend und galant zugleich und verneigte sich aus lauter Übermut leicht. Ich musste schmunzeln über diese gespielt galante Art. »Mein Name ist Robert Geoffrey Lender, ich bin 27 Jahre alt und ab heute gehöre ich Ihnen, meine Liebe.«

      Ich lachte. Er war vielleicht witzig. Das konnte er doch unmöglich so meinen! Oder doch?

      »Das hoffe ich doch!«, antwortete ich jedenfalls mitspielend und spürte, wie leicht und unbeschwert mich seine Nähe machte.

      Nachdem seit unserem ersten Treffen vor genau einer Woche unter den alten Bäumen am Ende der Straße die Zeit nur unendlich zäh und schwerfällig vergangen war, hatte ich plötzlich den Eindruck, als würde sie nun versuchen, mit doppelter Geschwindigkeit zu eilen. Die Zeiger der Uhr an der Wand im Café liefen unermüdlich vorwärts und es schien nur Augenblicke später, da war es schon höchste Zeit, zur Moritzbastei, einem Veranstaltungszentrum im einzigen erhaltenen Teil der ehemaligen Stadtbefestigung Leipzigs, aufzubrechen. Ich war noch nie zuvor in der Moritzbastei, wusste aber, dass es ein beliebter Studententreffpunkt war. Außerdem freute ich mich auf den Abend mit Robert und hoffte, dass der Trubel dort nicht allzu groß war, damit sich genügend Freiraum fand, mich weiter mit ihm zu unterhalten. Er half mir in die Jacke und wenig später liefen wir nebeneinander her, händchenhaltend, und holten nach, was man eigentlich zuerst macht, bevor man sich seine Zuneigung gesteht. Wir erzählten uns unser Leben im Kurzabriss, begierig, den anderen immer näher kennenzulernen.

      »Wo bist du aufgewachsen? Wann wurdest du geboren und wo? Hast du Geschwister? Wie sind deine Eltern? Was tust du gern? Was isst du gern? Was willst du unbedingt mal tun …?«, Robert überschlug sich fast vor Euphorie.

      »Langsam, langsam! Das kann ich unmöglich alles auf einmal beantworten!«, lachte ich.

      »Ich will aber alles wissen! Du darfst dir allerdings die Reihenfolge aussuchen«, neckte er mich gönnerhaft.

      »Ein Glück!«, gab ich lächelnd zurück.

      »Also? Nun fang schon an!«, drängelte Robert ungeduldig.

      »Ja, ja. Es geht ja schon los«, sagte ich amüsiert. »Geboren wurde ich am siebzehnten Februar neunzehnhunderteinundneunzig in Hainstadt.«

      »Wo?«

      »Hainstadt bei Weimar in Thüringen. Das ist so winzig, wie es klingt. Aber es ist eine nette, ruhige kleine Stadt und war gut geeignet, um eine sorgenfreie, behütete Kindheit zu verbringen. Ich habe einen kleinen Bruder, der mittlerweile schon große neunzehn ist. Meine Eltern sind liebenswert und ich zähle sie zu meinen besten Freunden. Meine Familie ist mir ohnehin außerordentlich wichtig. Ich habe seit einundzwanzig Jahren schon die gleiche beste Freundin, die gleichzeitig auch meine Cousine ist und mit der ich jetzt hier übrigens auch zusammenwohne. Ich bin ein Bücherwurm, das hast du ja schon herausbekommen. Ich zeichne manchmal auch ein wenig und … Fehlt noch was?«

      »Ja, was isst du gern?«

      »Da bin ich vielseitig. Ich liebe Kochen, auch wenn das altbacken klingt, vor allem, wenn ich nicht nur für mich allein kochen muss«, ich lächelte Robert vielsagend an und hoffte, er verstand die Einladung auch als solche.

      »Ich freue mich schon!«, sagte er leise. Es erstaunte mich, wie gut er mich zu verstehen schien. Es war ihm ohne Mühe möglich, bei mir auch zwischen den Zeilen zu lesen. Das beeindruckte mich zugegebenermaßen.

      »Was willst du unbedingt mal tun? Das fehlt auch noch.«

      »Mmmh, ich glaube, ich würde gern mal um die Welt reisen, um so viel wie möglich von der Welt zu sehen.«

      »Das klingt doch realisierbar!«

      »So, fertig. Und nun du!«, sagte ich und schaute ihn mit großen Augen auffordernd an. Ich gebe zu, ich war mindestens genauso neugierig, wie er bei mir und wollte mindestens alles von ihm wissen und noch viel mehr!

      »Okay, nun also ich. Ich wurde geboren in Berlin und zwar am dreiundzwanzigsten September neunzehnhundertfünfundachtzig. Ich bin bei meiner Mutter und meinen Großeltern aufgewachsen. Mein Vater ist Engländer, er war in den achtziger Jahren eine Zeit lang als Biologe an der Humboldt-Universität in Berlin tätig, aber meine Eltern haben sich noch vor meiner Geburt getrennt, denn mein Vater musste nach England zurück und meine Mutter durfte nicht mit ihm gehen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie es überhaupt gewollt hätte, denn sie spricht nie bedauernd über die Trennung. Wahrscheinlich wollte sie es einfach auch nicht. Das geschah alles noch zu Ostblockzeiten und daher war es sowieso schwierig für die beiden, eine Beziehung zu führen. Meine Eltern haben jedoch immer noch ein freundschaftliches Verhältnis miteinander. Meine Ferien habe ich als Kind nach dem Mauerfall eigentlich immer bei meinem Vater und meinen englischen Großeltern verbracht. Ich habe einen Halbbruder, denn mein Vater hat wenige Jahre nach meiner