Dana Schwarz-Haderek

Equinox


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nahm sich jedoch – noch – zurück und behielt ihren Fragensturm für sich.

      »Milch???«, entfuhr es ihr dann trotzdem sichtlich belustigt.

      Also doch. Typisch! Ich guckte Kristin strafend an.

      »Nun ja, ich scheine die Damen ja mit der warmen Milch gut zu unterhalten«, wenigstens nahm es Robert mit Humor.

      Kristin versuchte jetzt doch ihre Neugier zu stillen und probierte, zu mir gewandt, einen Schritt voranzukommen: »Cool, du hast Honig von daheim mitgebracht. Wie lange kennt ihr Euch schon?«

      Ich rollte mit den Augen. Ihre Zurückhaltung hatte ja enorm lang gehalten! So gern ich Kristin hatte, aber sie konnte echt indiskret sein. Was machte sie eigentlich schon hier? Sie wollte schließlich erst am Sonntagabend kommen … fiel es mir wieder ein. Doch bevor ich meine Fragen stellen konnte, um einer Auskunft auszuweichen, antwortete Robert schon: »Seit einer Woche.«

      Er schien völlig relaxt mit der beginnenden Fragestunde. Eigentlich sprach das nur für ihn, fand ich und freute mich über seine Reaktion.

      »Ein Woche?«, sie verschluckte sich fast.

      Robert schien es ebenso Spaß zu machen, Kristin sprachlos zu sehen, obwohl er sie kaum kannte und er setzte noch einen drauf: »Ja, vor einer Woche haben wir uns erstmals getroffen, dann leider aus den Augen verloren. Aber seit Freitag kann uns nichts mehr trennen, stimmt’s Elisabeth?«

      »Mmmh«, antwortete ich nickend.

      Kein Wunder, dass Kristin vergaß, weiter zu kauen und mich anschaute, als wäre ich nicht ich, das brave Mädchen, das ich bisher war. Ich war immer auf irgendeine Art sozial engagiert, liebte meine Welt der Bücher und pflegte meine Freundschaften, die überdies, wenn sie mit Männern waren, nie über herzliche, freundschaftliche Beziehungen hinausgingen. Ich hatte einfach noch nie einen festen Freund und war bislang an allen Herren uninteressiert vorbeigegangen. Es war halt auch nie ein Robert unter ihnen.

      »Wir waren am Freitag in der Moritzbastei«, sagte ich zu Kristin, die mich noch immer wortlos fixierte. Als würde dieses nebensächliche Detail die tausend Fragen, die sich hinter ihrer Stirn zu bilden schienen, beantworten.

      »Und gestern waren wir mit dem Motorrad am Elsterkanal«, erzählte Robert unbefangen weiter. Oje, merkte er nicht, dass das ganz augenscheinlich zu viele Neuigkeiten auf einmal für Kristin zu sein schienen? Mir wäre es lieber, wir könnten ihr unsere rasanten vergangenen Stunden eher häppchenweise servieren, damit sie sich zwischenzeitlich ein wenig erholen konnte.

      Kristin schluckte schwer und starrte mich nun mit offenem Mund an.

      »Du. Bist. Motorrad. Gefahren?«, brachte sie mühsam hervor.

      »Ja. Es war toll!«, antwortete ich grinsend.

      Zugegeben, das machte Spaß. Langsam fand ich auch Gefallen daran, Kristin so sprachlos zu sehen. Das erste Mal in unserer langen Freundschaft, dass ich sie so erlebte.

      »Nochmal Kaffee?«, fragte ich sie betont freundlich und beschloss mitzuspielen.

      »Nee«, gab sie knapp und tonlos zurück: »Danke. Ein Schnaps wäre mir jetzt lieber!«

      »Oh …«, Robert und ich antworteten und lachten gemeinsam.

      Kristin blickte uns abwechselnd an und schüttelte danach ihren Kopf.

      »Ich begreife das nicht!«, sagte sie daraufhin fassungslos und schaute nochmal kopfschüttelnd erst mich, dann Robert und dann wieder mich an. »Aber ich freue mich für euch!«, stieß sie hervor.

      »Vielen Dank!«, wir antworteten schon wieder gemeinsam. Unterm Tisch nahm Robert meine Hand und drückte sie sanft. Wir schauten uns lächelnd an und sofort verlor ich mich wieder in seinen uferlos schönen, intensiven grünen Augen, die mir unendliche Wärme und Zuneigung entgegenbrachten.

      Kristin räusperte sich laut und blickte uns nun belustigt an.

      »Wollen wir vielleicht abräumen?«, fragte sie und nahm sich, ohne eine Antwort abzuwarten, die Butter und Marmelade. Sie stand auf und sortierte alles in den Kühlschrank. Ich glaube, das war ihre Art, uns mitzuteilen, dass sie erst einmal genug zu verarbeiten hatte.

      Robert machte einen Schmollmund und ließ ziemlich unwillig meine Hand los. Wir halfen dennoch, die Küche wieder in Ordnung zu bringen.

      »Und was habt ihr zwei Turteltauben heute vor?«

      »Oh, schlechtes Thema«, sagte Robert mit schmalen Lippen und verzog das Gesicht wie unter Schmerzen. »Ich muss in spätestens einer Stunde aufbrechen und meine Taschen packen. Ich fliege morgen früh für zwei Monate nach England, um ein Projekt zu betreuen.«

      Kristin blickte mich voller Mitgefühl an und sagte leise: »Das tut mir leid. Das ist ja voll blöd, wo ihr doch gerade erst begonnen habt …«

      »Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich auch nicht danach gedrängelt. Nach dem Projekt natürlich«, meinte Robert leise. Er legte seinen Arm um mich und zog mich eng an seine Seite. Ich kuschelte mich nur allzu gern an ihn. Die unbeschwerte morgendliche Stimmung war jedoch mit einem Schlag wieder verschwunden und die bevorstehende Trennung schwebte abermals wie ein Damoklesschwert über uns.

      »Ich muss ’nen Aufsatz schreiben und brauche noch ein Grundsatzurteil dazu. Ich gehe dann mal in die Bibliothek …« Kristin war ein wahrer Schatz! Völlig selbstlos hatte sie sich einen Grund gesucht, um uns noch ein wenig privaten Raum zu schaffen. An mich gewandt, fügte sie, sich ihre Jacke und Schuhe anziehend, hinzu: »Ich bin gegen sechzehn Uhr wieder da. Ich habe am Nachmittag Zeit, wenn Du reden willst …«

      »Danke«, erwiderte ich leise.

      »Tschüss dann«, sagte sie.

      »Gute Reise und bis bald!«, sie schüttelte Robert die Hand und blickte mich danach besorgt an.

      »Sechzehn Uhr. Versprochen«, versicherte sie mir mit ernstem Gesicht noch einmal und schloss die Wohnungstür hinter sich.

      »Eine Stunde. Was willst du tun?«, fragte mich Robert leise.

      »Ich denke, erst einmal sollten wir unsere Telefonnummern, Emails und so etwas austauschen.« Praktisch veranlagt zu sein, hatte manchmal auch seine Vorteile.

      »Stimmt!«, antwortete Robert. »Hast du eigentlich auch eine Skypeadresse? Wir könnten telefonieren und uns dabei sehen. Das wäre doch schön, nicht wahr?«

      »Bis jetzt noch nicht, aber das ist ja sicher schnell eingerichtet.«

      »Ich schreibe dir meinen Skypenamen auf, dann brauchst Du mich nur anwählen und landest direkt bei mir.« Er reichte mir ein Blatt Papier mit seinen Kontaktdaten. Seine Handschrift war bildschön. Wie ein exquisiter Schriftstil, den man garantiert nicht bei Word fand. Regelmäßig, charaktervoll, elegant. Beeindruckend, vor allem für einen Mann!

      »Okay. Lass mal sehen. Oh, Equinox. Wie ungewöhnlich! Was bedeutet das denn?«

      »Na, ich bin doch am dreiundzwanzigsten September um null Uhr geboren oder am zweiundzwanzigsten September um vierundzwanzig Uhr, ganz wie du möchtest. Auf meiner Geburtsurkunde steht der dreiundzwanzigste September. Jedenfalls ist das die Tag- und Nachtgleiche. Und die heißt Equinox. Das fand ich besser, als meinen eigenen Namen. Roberts gibt es ja noch etliche weitere überall auf der Welt.«

      Ich hörte ihm gar nicht richtig zu und stand mit dem Zettel in der Hand unschlüssig da.

      »Komm noch ein wenig zu mir«, sagte Robert mit einladend warmer Stimme und streckte mir seine Hand aus.

      Ich gab ihm meine bereitwillig, und ehe ich mich versah, hatte er mich mit Schwung an sich gezogen und strich mir übers Haar. Er hob mein Gesicht zu seinem und begann mich zugleich fordernd, leidenschaftlich und verzweifelt zu küssen. Ich schob alle Zweifel darüber, wohin dieser Kuss führen würde, weit von mir fort und entgegnete ihm mit der gleichen Leidenschaft. Unsere Zungen tanzten im selben Rhythmus und unsere Hände glitten gegenseitig so gar nicht mehr scheu über unsere Körper. Ich vergaß die Welt um mich herum und tauchte vollkommen ein