Jan Heilmann

Lesen in Antike und frühem Christentum


Скачать книгу

ihnen selbst und ihren Anhängern gelesen, und keiner rührt sie an außer denen, die sich dieselbe Zügellosigkeit im SchreibenSchreiben gestatten möchten“ (Tusc. 1,6; Üb. GIGON). Auch wenn Cicero die rhetorische Frage stellt, welchen Leser er fürchten bräuchte (ego autem quem timeam lectorem …? fin. 1,8), hat er hier die RezipientenRezipient seines philosophischenPhilosophie Werkes De finibus bonorum et malorum im Blick. Cornelius NeposNepos, Cornelius nutzt das Lexem zur Ansprache seiner Rezipienten. Explizit als Vorbemerkung an den Leser markiert (de hoc priusquam scribimus), schreibt er z.B. am Anfang der Kurzbiographie über Epaminondas: „Bevor wir über ihn schreiben, scheint es ratsam, die Leser davor zu warnen (haec praecipienda videntur lectoribus), fremde Sitten nach ihren eigenen Maßstäben zu beurteilen“ (Corn. Nep. Epamin. 1,1; Üb. FÄRBER); die Auswahl nur eines Beispiels, das die Grausamkeit Lysanders zum Ausdruck bringen soll, begründet er damit, dass er den Leser nicht langweilen möchte: ne de eodem plura enumerando defatigemus lectores (Corn. Nep. Lys.Lysias 2,1). Vgl. außerdem Corn. Nep. Pelop. 1,1; Attic. 19,1. Interessant ist, wie Phaedrus gegen CatoCato der Ältere, Marcus Porcius polemisiert: Quid ergo possum facere tibi, lectorLektor Cato, Si nec fabellae te iuvant nec fabulae? Noli molestus esse omnino litteris, Maiorem exhibeant ne tibi molestiam (Phaidr. 4,7). Wenn Columella am Ende von Buch 8 seines Hauptwerkes das Ende der Ausführungen damit begründet, er wolle den Leser (lectorlector) nicht durch die Länge des Buches erschöpfen (Colum.Columella, Lucius Iunius Moderatus 8,17,16), hat er hier nicht einen VorleserVorleser, sondern den individuellen Leser im Blick. Diesen hat auch eindeutig HorazHoraz im Blick, wenn er Maecenas in einem Brief die Frage stellt: „Möchtest du wissen, warum mein Werkchen vom Leser zwar zu Hause geschätzt, auch gelobt (mea cur ingratus opuscula lectorlector laudet ametque domi), doch draußen geschmäht wird?“ (Hor. ep. 1,19,34f; Üb. angelehnt an HERMANN). Vgl. außerdem die Gegenüberstellung von Lesern und PublikumPublikum (s. auch Lesepublikum) in einem Brief an Augustus: Hor. ep. 2,1,214f; Martial führt das Gespräch mit seinen Lesern in vielen Fällen ebenfalls unter Verwendung des Lexems lectorlector (vgl. Mart.Martial1,1; 1,113; 2,8; 5,15f; 7,12; 9 praef.; 9,49; 10,1f u. ö.), wobei er verschiedene Lesertypen, angezeigt durch verschiedene qualifizierende Attribute, imaginiert: z.B. lectorlector studiosus als Bezeichnung eines Lesers mit „eifriger Gespanntheit und literarischer Begeisterung“18; delicate lectorlector (Mart. 4,55); lectore guloso (Mart. 10,59); lectorlector amicus (Mart. 5,16).19 Besonders seine Unterscheidung zwischen Lesern und HörernHörer in Mart. 9,81 macht deutlich, dass Martial unterschiedliche Rezeptionsmodi seiner Epigramme antizipiert und der lectorlector für den Rezeptionsmodus der individuellen Lektüre steht. Valerius Maximus, der seine Leser ebenfalls unter der Verwendung des Lexems lectorlector anspricht (vgl. Val. Max.Valerius Maximus 8,2), kündigt seinen Lesern an, ihnen einige Bilder vor AugenAugen zu stellen (… quasdam imagines non sine maxima ueneratione contemplandas lectoris oculis subiciam … Val. Max. 4,6), womit entweder die visuellevisuell Dimension des Lesens oder das innere Auge des Lesers im Blick ist. Plin. ep.Plinius der Jüngere 3,13,2 reflektiert über den Leser (lectorlector) von Redemanuskripten, der diese wegen der besonderen Qualität des Textes genau liest. Aus dem Kontext geht hervor, dass deutlich „zwischen Erstrezeption und eingehender Weiterbeschäftigung unterschieden“20 wird. Vgl. außerdem Plin. ep. 4,14,7; 4,26,3 (… tu lectorlector …); 5,4,4. VitruvVitruv reflektiert im Vorwort seines fünften Buches in rezeptionsorientierter Perspektive über die Unterschiede des SchreibensSchreiben über Architektur im Vergleich zur GeschichtsschreibungGeschichtsschreibung oder zur Poesie: historiae per se tenent lectores; habent enim novarum rerum varias expectationes. poematorum vero carminum metra et pedes ac verborum elegans dispositio et sententiarum inter personas distinctas versuum pronuntiatio prolectando sensus legentium legoperducit sine offensa ad summam scriptorum terminationem. (Vitr. 5 praef. 1). Apuleius stimmt seine Leser in seinem RomanRoman Metamorphoseon programmatisch am Beginn ein: lectorlector intende: laetaberis (Apul.Apuleius met. 1,1,6). Vgl. ferner Apul. met. 10,2,4; 11,23,5. Diese Liste ließe sich fortführen: Vgl. z.B. Phaedr. 2 prol.; Sen. de iraSeneca, Lucius Annaeus (d. J.) 2,2; Hor. ars. 344; Hor. sat. 1,10,74; Catull.Catull, Gaius Valerius 14b; Ov.Ovidius, P. Naso trist. 1,7,32;