Jan Heilmann

Lesen in Antike und frühem Christentum


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während in 75 an dieser Stelle kein Mittelpunkt steht und das Trema tatsächlich die Funktion hat, die Diärese anzuzeigen. Das gleiche Phänomen lässt sich in Joh 1,36Joh 1,36 sehenSehen (vgl. 66, f. 4, Z. 1818). Diese (auch noch an anderen Stellen zu findende) Redundanz in 66 lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass der Schreiber das Trema aus konventionellen Gründen gesetzt oder aus seiner VorlageVorlage übernommen und den Mittelpunkt selbst eingefügt hat.19 Außerdem stellt sich die Frage, inwiefern der Schreiber von 66 Tremata überhaupt als Lesehilfe aufgefasst haben kann, wenn er ein funktionslos gewordenes Trema stehen lässt. Insbesondere die weitgehende Beschränkung auf die Vokale ι und υ macht es zudem sehr unwahrscheinlich, dass das Trema die generelle Funktion hatte, ein neues Wort zu markieren.20 Insgesamt erscheint es mir vor diesem Hintergrund fragwürdig, dass Trema als „lectional sign that guide pronunciation“21 zu kategorisieren und eine eindeutige Verknüpfung zum vokaliserenden Lesen bzw. Vortragslesen (neutestamentlicher Texte im GottesdienstGottesdienst) herzustellen. Denn sollte das Trema tatsächlich als Lesehilfe gedacht gewesen sein, so ist diese auch für einen individuellen LeserLeser hilfreich, und zwar unabhängig davon, ob er vokalisierendStimmeinsatzvokalisierend liest oder seine innere LesestimmeStimmeinnere (inner reading voice) verwendet. Die griechischen Wörter werden im Folgenden bewusst ohne Berücksichtigung der konventionellen Akzentsetzung geschriebenSchriftGeschriebenes, um den Befund in den HandschriftenHandschrift/Manuskript darstellbar zu machen.

      AkzenteAkzent und spiritusspiritus sind im Vergleich zum TremaTrema deutlich seltener in den frühen PapyriPapyrus zu finden.22 Es ist aufschlussreich, dass es sich bei den spiritus überwiegend um einen spiritus asper handelt23 (ⱶ) – und zwar wird dieser in vielen Fällen nur dann gesetzt, wenn eine semantische Ambiguität bei einsilbigen Wörtern vermieden werden soll.24 Dies hat eine stichprobenartige Durchsicht der frühen Papyri (2./3. Jh.) ergeben. In der unten stehenden Tabelle finden sich einige Beispiele zur Illustration. Das bedeutet, die Frage der richtigen phonologischenPhonologie Realisierung kann nicht das primäre Interesse der Schreiber gewesen sein. Parallelphänomene lassen sich im Übrigen aus nicht-christlichen Papyri – auch in solchen, die definitiv nicht für den performativen Vortrag bestimmt waren25 – und InschriftenInschriften, die ebenfalls schwerlich zur performativen Lesung bestimmt waren,26 beibringen.

Gregory-Aland 27 Standardkürzel Stellenangabe Befund
Gegenprobe (exemplarisch)
13 (III/IV) P.Oxy. 4 657 f. 47vo,21.27 (Hebr 3,6Hebr 3,6.8Hebr 3,8) ὁυ: Relativpronomen vs. Adverb
f. 47vo,11 (Hebr 3,1Hebr 3,1) αγιοι ohne spiritusspiritus asp.
15 ([III]/IV) P.Oxy. 7 1008 ro,5 (1Kor 7,201Kor 7,20) vo,13 (1Kor 7,241Kor 7,24) ἡ: Artikel vs. Partikel (disjunktiv/komparativ o. Adverb) ὡ: Vereindeutigung des Relativpronomens
z.B. vo 9 Relativpronomen ο ohne spiritusspiritus asp.
45 (III) P.Beatty 1 f. 10vo,5 (Lk 9,48Lk 9,48) f. 16ro,15 (Joh 10,16Joh 10,16) ὁς: Vereindeutigung des Relativpronomens (könnte im Kontext mit ενος verwechselt werden) εἱς: Numeral vs. Präposition εἰς
f. 10vo,6 Relativpronomen ος nach και ohne spiritusspiritus asp.
4628 (200–225) P.Beatty 2 z.B. f. 16ro,17 (Röm 12,5Röm 12,5) u. ö.29 f. 50ro 18 (1Kor 10,171Kor 10,17) ἑν: Numeral vs. Präposition εἱς: Numeral vs. Präposition εἰς
f. 6ro 22–24 Relativpronomen ο ohne spiritusspiritus asp.
6630 (III) P.Bodm. II f. 101,10 (Joh 13,29Joh 13,29) ὡν: Relativpronomen vs. PartizipPartizip Präsens εἰμί
f. 101,15 (Joh 15,31Joh 15,31) Relativpronomen ο ohne spiritusspiritus asp.
77 (III) P.Oxy. 64 4405 f. vo,2 (Mt 23,35Mt 23,35) ὁν: Relativpronomen vs. PartizipPartizip Präsens von εἰμί
104 (II) P.Oxy. 64 4404 ro,5f. (Mt 21,35Mt 21,35) ὁν: Relativpronomen vs. PartizipPartizip Präsens von εἰμί
ro,4 (Mt 21,35Mt 21,35) Relativpronomen οι ohne spiritusspiritus asp.
113 (III) P.Oxy. 66 4497 vo,5 (Röm 2,29Röm 2,29) ὁυ: Relativpronomen vs. Adverb

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