den Terminplaner mit einem deutlichen Knall zu. »Was auch immer die drehen, es wird nicht in die Kinos kommen.« Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Also, wie lief es am Mittwoch?«
Marcus trat wieder von einem Fuß auf den anderen. »Das kann ich nicht einschätzen«, gab er widerwillig zu. »Sie suchten Statisten.«
»Nun, ich werde am Montag nachhorchen. Am Dienstag habe ich ein weiteres Vorsprechen organisiert. Betty gibt Ihnen die Daten. Wenn Sie weiterhin keine Fragen haben, widme ich mich nun wieder meiner Arbeit.« Derringer stieß sich vom Tisch ab und umrundete ihn.
»Ist es wieder ein Vorsprechen für eine Statistenrolle, oder komme ich dieses Mal wenigstens zu Wort?« Marcus presste die Zähne wieder aufeinander. Er sollte besser den Mund halten.
Derringer nahm auf seinem Stuhl Platz und zog den Planer an sich. »Es ist eine unterstützende Rolle, wenn ich mich recht entsinne. Sind Ihnen Statistenrollen nicht gut genug? Möchten Sie dafür nicht mehr vorsprechen?«
Marcus stieß den Atem aus. Er wollte eine richtige Rolle. Er wollte in den Credits genannt werden und auf dem roten Teppich mit all den großen Namen entlangspazieren! Aber natürlich lernte man sein Handwerk am besten im Einsatz und am Beispiel anderer, also in Produktionen, und da war es egal, ob man einen Satz hatte oder nur schmückendes Beiwerk war. »Natürlich gehe ich zu jeder Audition.« Selbst für Werbung war er sich nicht zu schade, schließlich musste er Geld verdienen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten – und den von Britney.
»Schön. Guten Tag, Mr Lovett.«
Marcus blieb, wo er war. Er war deutlich entlassen worden, aber er wollte sich nicht einfach wegschicken lassen. Er räusperte sich und traf seine Entscheidung. »Ich würde mir diese Independent-Sache trotzdem gerne anschauen. Ich habe mit einem Freund gesprochen, Len Myers, er ist Maskenbildner und für die Produktion engagiert.« Er unterbrach sich kurz, weil sich der schneidende Blick des Agenten auf ihn legte. »Er sagt, sie haben Jonathan Demme als Regisseur.« Aufregung ließ seine Stimme beben. Er liebte die Werke des Filmemachers, da sie stets facettenreich waren und Dinge infrage stellten. Die Sicht auf allseits anerkannte Wahrheiten.
Derringer verengte die Augen. »Sie sprechen doch nicht von diesem Schwuchtelfilmchen?«
Marcus klappte den Mund zu, unfähig etwas hervorzubringen.
»Sie wollen wirklich in diesem … Auf keinem Fall! Hollywood mag es gerade als brandaktuelles Thema sehen, aber damit bekommen diese abartigen Kerle eine Lobby und fühlen sich in ihrem Treiben noch bestätigt!« Derringers Lippen kräuselten sich. »Es ist abnorm und sollte unter Strafe gestellt werden!«
Marcus räusperte sich. »Ich möchte nicht auf die Straße gehen und für die Rechte der … Schwulen demonstrieren, Mr Derringer, ich möchte lediglich eine Rolle ergattern. Demme ist ein anerkannter Regisseur, die Produktion low Budget und damit habe ich eine Chance …«
»Einen Kerl abzuknutschen?«
Marcus stoppte mitten im Satz. Sein Mund stand einen Moment offen, was sicherlich recht dämlich aussah, dann fing er sich und räusperte sich. Er drehte sich und ließ den Blick über die Einrichtung schweifen. Viel Weiß, viel Chrome und Leder. Es war sicher schick, aber nicht ganz sein Stil. Er mochte es alt und rustikal. Alt und rustikal waren hier nur Mr Derringers Ansichten. »Wenn Sie es so formulieren …«
»Gut, dann sind wir uns ja einig.«
Marcus runzelte die Stirn. »Wenn ich einen Kerl knutschen muss, um endlich mit meiner Karriere voranzukommen, sei’s drum!!!« Aber er hoffte doch, dass es nicht zwangsweise dazu käme. Sollte er sich lieber zuvor über den Film informieren? Denn bisher war ihm weder bewusst gewesen, dass es sich um einen Milieufilm handeln würde, noch dass in ihm geküsst werden würde.
Derringer schürzte die Lippen und maß ihn einmal mehr. »So einer also.«
Marcus atmete tief durch. »Es ist mir völlig egal, ob ich eine Tonne Make-up tragen muss, Frauenkleider oder auch ein albernes Superheldenkostüm, solange ich endlich vorankomme, Mr Derringer. Ich bin es leid, Rasenmäher zu verkaufen oder der Typ hinten links in der Gruppe zu sein!«
Dafür hatte er nicht alles hinter sich gelassen! Sein Studium, seine Familie, seine Liebe …
Er verbannte den Gedanken an Britney schnell und ballte die Fäuste. »Ich will vorsprechen.«
»Dann sehen Sie zu, wie Sie an eine Audition geraten. Ich werde keinen meiner Klienten bei einem moralisch fragwürdigen Projekt unterbringen.« Er verengte die Augen. »Aber ich habe einen Slot für einen Actionfilm. Den Russen wird ordentlich der Hintern versohlt.« Er grinste begeistert. »Das ist eher der Stoff, aus dem eine Oscar-Nominierung ist. Nicht dieses … Schwuchtelzeug.«
Marcus presste die Lippen aufeinander. Er hasste diese Geringschätzung und da war es egal, ob sie sich gegen ihn richtete oder gegen andere.
»Ich lasse Betty die Daten heraussuchen.« Derringer griff nach dem Telefon und drückte auf einen Knopf, bevor er den Hörer an sein Ohr presste. »Betty, die Informationen für die ›Killingparty‹-Audition geben Sie an Mr Lovett weiter.« Er legte auf. »Viel Erfolg.«
»Danke.« Marcus blieb unsicher. Sollte er noch einmal auf das andere Vorsprechen zurückkommen?
Letztlich konnte er Derringers Mitarbeit nicht erzwingen. »Auf Wiedersehen.« Marcus ging zur Tür, wo er noch einen Blick zurückwarf. Vielleicht sollte er sich einen anderen Agenten suchen, allerdings war er damit vor zwei Jahren auch nicht sonderlich erfolgreich gewesen.
Im Vorraum schaute die Sekretärin von ihrer elektrischen Schreibmaschine auf. »Einen Moment noch, Mr Lovett.« Sie tippte und zog das beschriebene Blatt dann heraus, um es zu falten und ihm zu geben. »Bitte sehr. Viel Erfolg, Mr Lovett.« Sie lächelte zu ihm auf.
Marcus nahm ihr den Zettel ab und klappte ihn auf. Zwei Adressen und zwei Daten waren notiert. »Danke, Betty.«
»Sehr gern.« Ihr Grinsen wurde tiefer. »Sagen Sie, bleiben Sie in der Stadt?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich muss noch raus nach Cherryoak Falls zu einer Rasenmäher-Präsentation.« Marcus verdrehte die Augen und lehnte sich an den Schreibtisch. »Es wird sicher ein spannender Abend.«
»Oh, nun, dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.« Sie strich sich mit ihren pinken Fingernägeln durch das Haar und befeuchtete sich die Lippen. »Ich werde heute Abend im Golden Hen sein, für den Fall, dass Sie die Rasenmäher doch noch verschmähen wollen.«
»Eine interessante Einladung.« Marcus musterte sie schnell. Betty war brünett, schlank und bebrillt. Der strenge Hosenanzug war nicht sexy, aber sicherlich versteckte sie darunter eine hübsche Figur. »Ich werde versuchen, es einzurichten.« Er zwinkerte und stieß sich vom Tisch ab. »Wir sehen uns.«
Die Treppe lockte ihn und so trabte er sie in unerhörter Geschwindigkeit herab. Vor der Tür schnappte er nach Atem, stemmte die Hände in die Mitte und hob den Kopf, um in die Sonne zu schauen. Er hatte noch etwas Zeit, bevor er sich auf den Weg zu seinem Broterwerb machen musste, nur was sollte er damit anfangen?
Sollte er Len einen Besuch abstatten?
Irgendwas drängte ihn dazu, es zumindest zu versuchen. Bei ihrem letzten Gespräch – vor zwei Tagen im Pub – hatte er ausführlich über seinen derzeitigen Job gesprochen. Er arbeitete gar nicht so weit entfernt an einem Hai-Horrorfilmremake. Es lag nicht auf dem Weg nach Cherryoak, aber damit konnte er leben.
Marcus sah sich um. Das Set war minimalistisch, schließlich wurde eine Strandszene gedreht und offenbar wurden dazu nur ein Dutzend Statisten in knapper Badekleidung gebraucht. Er stützte sich auf dem Zaun ab, der die Promenade vom Sand trennte. Er war nicht der einzige Schaulustige. Weitere drängten sich an die Barriere und kommentierten die Szenerie. Besonders die Attribute der weiblichen Darsteller.
Marcus ignorierte die sexistischen Anspielungen, schließlich hatte er nicht viel Zeit, um Len zu finden und auszuhorchen. Vermutlich war es auch eine sehr dumme Idee gewesen, dem Impuls nachzugeben und